Die beiden Aufzüge einer großen Wohnanlage wiesen einige leichte Macken auf. Wegen dieses Problems wurde 2019 eine Eigentümerversammlung einberufen. Einige Eigentümer forderten, die Fahrstühle im Zuge der jetzt ohnehin anfallenden Reparaturen auch gleich barrierefrei zu gestalten. Die Gesamtkosten von geschätzt 164.000 Euro könne man den Rücklagen der Eigentümergemeinschaft (WEG) entnehmen.
Gemäß der Teilungserklärung der WEG konnten die Eigentümer auch größere Instandsetzungsmaßnahmen mit einfacher Mehrheit beschließen. Für den Antrag, auf Kosten der WEG barrierefreie Lifte herzustellen, stimmte zwar eine Mehrheit. Doch der Versammlungsleiter erklärte, für einen Beschluss dieses Inhalts wäre die Zustimmung aller Eigentümer nötig gewesen — er sei daher nicht wirksam.
Deshalb einigte man sich darauf, erst einmal nur die Mängel beheben zu lassen. Darüber hinaus beschloss die Versammlung, dass die Eigentümer, die barrierefreie Lifte wünschten, auch die Mehrkosten für eine Runderneuerung der Aufzüge übernehmen müssten (je Aufzug ca. 30.000 Euro). Ein betroffener Eigentümer zog daraufhin vor Gericht, um den ersten, gescheiterten Beschluss zu Gunsten barrierefreier Aufzüge durchzusetzen.
Seine Klage scheiterte jedoch beim Amtsgericht Kassel (800 C 4204/19). Mit Mehrheit könne nur eine Instandsetzung beschlossen werden, betonte das Amtsgericht. Instandsetzung bedeute, den ordnungsgemäßen Zustand der Aufzüge durch Reparaturen wiederherzustellen. Einen alten Aufzug durch einen neuen zu ersetzen, der erstmals barrierefrei sein solle, gehe weit über eine Instandsetzung hinaus.
Das sei eine mindestens eine Modernisierungsmaßnahme, wenn nicht sogar eine bauliche Veränderung. Zu Recht habe daher der Versammlungsleiter den ersten Beschluss für unwirksam erklärt. Denn für barrierefreie Fahrstühle habe sich weder eine qualifizierte Mehrheit der Eigentümer ausgesprochen (Bedingung für eine Modernisierung), noch sei ein einstimmiger Beschluss erreicht worden (Bedingung für eine bauliche Veränderung).
Was stattdessen als Alternative beschlossen worden sei, entspreche aber nach neuem und nach altem WEG-Recht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung: Erstens seien die Reparaturen auf Kosten der WEG durchzuführen. Zweitens stimmten alle Eigentümer einer baulichen Veränderung zu, sofern die Eigentümer, die eine barrierefreie Ausführung wünschten und von ihr profitieren würden, die dadurch entstehenden Mehrkosten tragen.