Die Tochter des verstorbenen Landwirts kennt sich nicht aus, die Schwester ist "wirtschaftsfähig"
Ein unverheirateter Landwirt war 2020 im Alter von 69 Jahren gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Zuletzt hatte er nur noch ca. 20 Rinder gehalten und die Äcker überwiegend von befreundeten Landwirten bewirtschaften lassen. Etwa zwölf Hektar bestellte der Landwirt noch selbst. Dabei half ihm ein Neffe, Sohn seiner Schwester C. C ist Steuerfachangestellte und erledigte für den Landwirt die Buchführung. Nach dem Tod des Bruders beantragte sie beim Landwirtschaftsgericht, ihr den Hof zuzusprechen.
Das Gericht erklärte C zur Hoferbin. Doch die nichteheliche Tochter des Landwirts, die zum Vater nie Kontakt hatte, widersprach und machte geltend, sie sei selbst "wirtschaftsfähig" (d.h. in der Lage, den Hof zu übernehmen). Die Diplom-Chemikerin und passionierte Reiterin wollte aus dem Hof einen "Pferde-Aktivstall" machen. Schwester C habe keine Mittel, die sie in den heruntergewirtschafteten Hof investieren könnte, so die Tochter, und sie sei zu alt, um ihn zu führen. Das würde sie doch nur ihrem Sohn überlassen.
Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts (60L WLw 5/22). Die Tochter habe weder eine landwirtschaftliche Ausbildung, noch betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Wie die Befragung gezeigt habe, verfüge sie nicht einmal über die Grundkenntnisse, die nach ihrem Konzept eines Pferde-Aktivhofs erforderlich wären, um das Pferdefutter anzubauen.
Ob das Futter für die Pferde gekauft oder angebaut werden solle und zu welchen Kosten, werde in ihrem Konzept nicht einmal erwähnt. Die Tochter habe nicht gelernt, betriebswirtschaftlich zu kalkulieren und sei nicht in der Lage, den über 50 Hektar großen Betrieb in einen Pferdehof umzuwandeln.
Dagegen habe Schwester C als Steuerfachfrau bessere betriebswirtschaftliche Kenntnisse als die meisten Landwirte. Sie führe seit Jahrzehnten die Bücher für den Bruder und für ihren Mann, der ebenfalls Landwirt sei. C sei mit den Besonderheiten des Hofs vertraut, arbeite auch auf dem Hof ihres Mannes mit, könne melken und Traktor fahren. Dass sie schon 67 Jahre alt sei, ändere nichts an ihrer "Wirtschaftsfähigkeit". Bei der körperlichen Arbeit könne ihr Sohn, ein Agrarbetriebswirt, sie unterstützen — C könnte auch Hilfskräfte überwachen, falls welche benötigt würden.
Die Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben hänge nicht von den Geldmitteln ab, die er oder sie in den Betrieb investieren könne. Vielmehr gehe es darum, ob er oder sie Erträge und Kosten richtig kalkulieren könne. Und das könne die Schwester des Erblassers zweifellos. Wenn sie beabsichtigen sollte, ihren Sohn Äcker und Hof bewirtschaften zu lassen, sei auch das kein Problem: Ein Hoferbe müsse den Hof nicht selbst bewirtschaften, er oder sie müsse nur die Fähigkeit dazu haben.