Familie & Gesundheit

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Seniorin bei einem Busunfall schwer verletzt

Schadenersatz für Heimbetreuung oder wäre diese "sowieso nötig" gewesen?

Der Fahrer eines Linienbusses war losgefahren, obwohl die Plastiktüte in der Hand einer alten Dame in der Tür eingeklemmt war. Die 82-Jährige geriet mit ihrem rechten Bein zwischen den Radkasten und den Zwillingsreifen. Es wurde zerquetscht und musste amputiert werden. Nach dem Krankenhausaufenthalt konnte die Frau nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren, in der sie sich bis zum Unfall selbst versorgt hatte.

Sie verlangte vom Busfahrer und seiner Arbeitgeberin, den kommunalen Verkehrsbetrieben, den Mehraufwand ersetzt, der nun aufgrund der notwendigen Unterbringung in einem Heim auf sie zukam. Das Oberlandesgericht Hamm gab ihr im Prinzip recht, begrenzte den Anspruch aber auf 14 Monate. Begründung: Nach dem persönlichen "Eindruck", den die Frau auf die Richter gemacht habe, hätte sie sich spätestens nach diesem Zeitraum ohnehin in ein Heim begeben müssen.

Der Bundesgerichtshof kassierte dieses Urteil und gab dem Oberlandesgericht Hamm auf, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen und auf dessen Basis noch einmal zu entscheiden (VI ZR 106/94). Der Eindruck in der mündlichen Verhandlung ersetze medizinisches Fachwissen nicht. Bleibe nach dem Gutachten immer noch offen, ob die Frau auch ohne den Unfall bald pflegebedürftig geworden und auf Betreuung in einem Heim angewiesen wäre, gehe dies zu Lasten des Schädigers.

Grundsätzlich müssten der Busfahrer und seine Arbeitgeberin für die Unfallfolgen haften. Dass Senioren ab einem bestimmten Alter ins Heim "gehörten", sei kein Naturgesetz.

"Ausbrechen" aus der Ehe gefährdet Unterhalt

Gericht muss prüfen, ob die Ehepartnerin tatsächlich fremdgegangen ist

Als ein Ehemann nach der Trennung auf Unterhalt verklagt wurde, wandte er ein, seine Frau habe noch während des Zusammenlebens intime Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen. Wegen dieses schwerwiegenden Fehlverhaltens könne sie keinen Unterhalt verlangen. Das Familiengericht war jedoch der Auffassung, dass nicht feststehe, ob die Ehefrau "aus einer intakten Ehe ausgebrochen" sei. Deshalb verurteilte es den Mann dazu, Unterhalt zu zahlen.

Das Oberlandesgericht Hamm kassierte dieses Urteil (4 UF 176/94). Die Frau habe zugegeben, dass sie jedenfalls nach der Trennung eine dauerhafte Partnerschaft mit einem anderen Mann eingegangen sei. Daher hätte das Familiengericht den neuen Partner als Zeugen vernehmen müssen. Außerdem hätte das Gericht prüfen müssen, ob nicht auch der Mann selbst eheliche Verfehlungen begangen habe. Erst wenn das aufgeklärt sei, könne das Familiengericht über Unterhaltspflichten und -ansprüche entscheiden.

Mutter zieht vom Wohnort der Tochter weg

Ohne Auto wird der Umgang mit der beim Vater lebenden 14-Jährigen zum Problem

Die Eltern eines 14-jährigen Mädchens leben schon länger getrennt. Die Tochter wohnt beim Vater und besucht die Mutter jedes zweite Wochenende. Nach der gerichtlichen Umgangsregelung war die Mutter verpflichtet, das Mädchen beim Vater abzuholen und nach dem Besuch zurückzubringen. Die Arbeitsstelle der Mutter war vom Wohnort 50 km entfernt, über drei Stunden war sie täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Ein Auto besaß die Frau nicht, die Fahrtkosten von 377 Euro monatlich belasteten ihr Budget. Eines Tages wurde ihr das Pendeln zu anstrengend: Sie mietete am Arbeitsort eine Wohnung und zog um. Deshalb beantragte die Mutter beim Familiengericht, die Umgangsvereinbarung zu ändern: Das Kind solle künftig mit dem Zug zu ihr kommen. Der Vater widersprach: Auf Zugfahrten sei eine 14-Jährige zu vielen Gefahren ausgesetzt.

Dennoch entschied das Amtsgericht, der Mutter entgegenzukommen: Der Vater solle dafür sorgen, dass die Tochter am Samstag des Besuchswochenendes gegen 17 Uhr am Bahnhof des Wohnorts der Mutter eintrifft. Dort müsse die Mutter das Mädchen abholen und es sonntags gegen 15 Uhr wieder in den Zug setzen. Nach einigen begleiteten Testfahrten könne die Tochter allein fahren, die Mutter müsse die Tickets finanzieren.

Gegen diesen Beschluss legte der Vater Beschwerde ein und erreichte beim Oberlandesgericht (OLG) Bamberg einen Teilerfolg (7 UF 190/22). Grundsätzlich betonte das OLG, dass hier durchaus ein triftiger Grund vorliege, die Umgangsregelung zu ändern. Durch den Umzug der Mutter bestehe die Gefahr, dass der — von der Tochter ausdrücklich gewünschte — Kontakt zur Mutter nicht mehr regelmäßig stattfinde.

Der Umgang sei für das Wohl des Kindes erforderlich, jedoch ohne Auto nur schwer umzusetzen. Der 14-Jährigen sei die selbständige Reise zur Mutter mit Bus und Bahn zwar durchaus zuzutrauen. Praktikabel sei der Vorschlag des Amtsgerichts trotzdem nicht. Denn: Wohl beeinflusst vom Vater, der sie täglich mit dem Auto zur Schule bringe und dort nach Schulschluss abhole, lehne es die Tochter kategorisch ab, mit dem Zug zu fahren.

Kein Gericht könne das Kind dazu zwingen. Und regelmäßige Autofahrten zum neuen Wohnort der Mutter seien für den Vater nicht zumutbar. Auch wenn die Mutter gute Gründe für den Umzug habe: Das Kind abzuholen und zurückzubringen, sei prinzipiell die Sache des umgangsberechtigten Elternteils. Die Mutter müsse sich also Transport-Alternativen überlegen (Mietwagen, Car-Sharing, Mitfahrzentralen) oder sich bemühen, die Tochter von den Vorzügen des Bahnfahrens zu überzeugen.

Den Nachbarn als Alleinerben eingesetzt

Auch ein Testament auf der Rückseite eines Café-Speiseplans kann wirksam sein

Herr W hatte 1998 mit seiner (2019 verstorbenen) Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament verfasst. Die Eheleute hatten sich darin gegenseitig als Alleinerben und eine Nichte der Ehefrau als Schlusserbin eingesetzt. Ausdrücklich wurde festgehalten, der überlebende Partner habe das Recht, diese Erbeinsetzung zu ändern. Der seit 2015 an Parkinson erkrankte Senior lebte im eigenen Haus und wurde nach dem Tod der Ehefrau von einem ambulanten Pflegedienst und von einem Nachbarn unterstützt.

2020 benützte W die Rückseite eines Café-Speiseplans, um handschriftlich ein neues Testament zu verfassen. Darin bestimmte er den Nachbarn zum Alleinerben. Das Papier war ungewöhnlich, doch das Schriftstück war korrekt mit Ort, Datum und Unterschrift versehen und trug die Überschrift "Mein Testament". Als Herr W 2021 starb, beantragten der Nachbar und die Nichte einen Alleinerbschein: Sie zweifelte das zweite Testament an und bestritt zudem, dass der Erblasser 2020 noch "testierfähig" war.

Das Kammergericht Berlin wies die Einwände der Nichte zurück (6 W 48/22). Der Erblasser habe zwar die für eine Parkinson-Erkrankung typischen Probleme mit der Feinmotorik gehabt. Da er aber noch selbst Einkaufslisten und andere kurze Texte geschrieben habe, stehe aufgrund des Schriftbildes fest, dass das Schriftstück von Herrn W stammte. Und nichts spreche dafür, dass es nur als Entwurf gedacht sein könnte: Inhaltliche Gestaltung und Ausdrucksform belegten eine mit Testierwillen verfasste Erklärung.

W habe außerdem Monate später einen Zusatz angebracht, der die Verfügung bestätigte. Er habe diese nochmals unterschrieben und das Schriftstück einem Anwalt übergeben, der es zur Verwahrung beim Nachlassgericht gebracht habe. Allein die "unorthodoxe" Wahl des Papiers für ein Testament belege nicht, dass es an Testierwillen fehle — wenn es dafür keine weiteren Anhaltspunkte gebe.

Nach Aussagen seiner Ärzte hätten sich bei W auch noch keine Indizien für eine Parkinson-Demenz gezeigt, die die freie Willensbildung eingeschränkt haben könnte. Sie trete meist erst in einem späteren Stadium der Krankheit auf. Die vom Erblasser getroffene Verfügung sei obendrein plausibel und nachvollziehbar.

Pflegepersonen und Ärzte hätten betont, wie sehr der alte Herr die Hilfe des Nachbarn zu schätzen wusste. Er habe unbedingt im eigenen Haus bleiben und so selbständig wie möglich leben wollen. Offenbar habe ihn dabei der Nachbar so nachhaltig unterstützt, dass W diese im Alltag für ihn so wichtige Bezugsperson habe belohnen wollen.

Trennungsunterhalt gekürzt

Ist die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit, muss sich die Ehefrau um einen Ganztagsjob bemühen

Nach über 20 Jahren Ehe trennte sich ein Paar im Frühjahr 2017. Von drei Söhnen waren zwei schon erwachsen, der jüngste damals elf Jahre alt. Nach dem Ablauf des Trennungsjahres beantragte der gutverdienende Ehemann 2018 die Scheidung. Das Verfahren dauert immer noch an, weil um den Zugewinn gestritten wird. 2020 setzte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm den Trennungsunterhalt für die Ehefrau auf 1.999 Euro im Monat fest.

Ein Jahr später beantragte der Ehemann nach einem Jobwechsel, den Trennungsunterhalt zu streichen: Er verdiene jetzt entschieden weniger. Seine Frau arbeite nur Teilzeit. Dabei könnte sie längst mehr verdienen als nur 1.200 Euro, Sie bemühe sich aber nicht um einen Vollzeitjob, obwohl der jüngste Sohn inzwischen nicht mehr betreut werden müsse.

Die Ehefrau wandte ein, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als 150 Stunden im Monat arbeiten könne. Sie sei aufgrund einer Herzschwäche nicht belastbar und schon nach der Teilzeitarbeit völlig erschöpft.

Diese Behauptung hätte sie mit einem ärztlichen Attest belegen müssen, hielt ihr das OLG Hamm vor: Da so ein Nachweis nicht vorliege, sei von voller Erwerbspflicht auszugehen (5 UF 44/22). Das Paar lebe mittlerweile vier Jahre getrennt: Nun sei die Frau verpflichtet, sich demnächst finanziell auf eigene Füße zu stellen.

Anfangs würden beim Trennungsunterhalt die Dauer der Ehe und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehepartner berücksichtigt: Dies solle den Partnern eine Versöhnung erleichtern. Wenn aber, so wie hier, die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit sei, werde dies nicht mehr so großzügig gehandhabt.

Ab 2022 bis zur Scheidung werde der Trennungsunterhalt auf 1.160 Euro herabgesetzt. Gestrichen werde er nicht, da der Mann immer noch überdurchschnittlich verdiene. Der neue Betrag richte sich nach seinem reduzierten Gehalt und nach dem (fiktiven) Gehalt, das die Ehefrau mit ihrer Ausbildung erzielen könnte, wenn sie ganztags arbeiten würde.

Zusammenbruch beim Triathlon

Sportler will sich partout nicht behandeln lassen und wirft den Sanitätern danach unterlassene Hilfeleistung vor

2017 hatte sich ein Lehrer zu einem "Jedermann-Triathlon" angemeldet. Dabei mussten die Teilnehmer 750 Meter schwimmen, 20,4 km radfahren und fünf km laufen. Vorher mussten alle bei der Anmeldung unterschreiben, dass ihr Trainingszustand diesen Anforderungen entspricht und dass sie über die Gefahren durch Überanstrengung Bescheid wissen. Auch der Lehrer gab diese Erklärung ab und überschätzte seine Leistungsfähigkeit.

Seit zwei Jahren hatte er keinen Wettkampf mehr absolviert. Zudem litt der Mann an Bronchialasthma und hatte gerade erst eine Erkältung hinter sich gebracht. Am Tag des Triathlon-Wettkampfs herrschten mehr als 30 Grad Celsius. Unterwegs wirkte der Hobbysportler bereits erschöpft. Beim Laufen torkelte er auf der Zielgeraden und erreichte das Ziel nur mit Müh und Not. Dort legte sich der Pädagoge ausgepowert auf den Boden.

Sofort eilten Sanitäter herbei, denen er jedoch erklärte, er brauche keine Behandlung. Als sie ihn mit der Trage ins Sanitätszelt bringen wollten, kletterte der "Patient wider Willen" von der Trage. Im Zelt legten ihm die Sanitäter eine Infusion. Sie mussten die Maßnahme aber abbrechen, weil der Mann um sich schlug und randalierte. Schließlich verschlechterte sich sein Zustand so, dass er nicht mehr ansprechbar war — nun riefen die Sanitäter einen Notarzt. In einer Klinik wurden Unterzucker und akutes Nierenversagen diagnostiziert.

Als sich der Lehrer von seinem Kollaps erholt hatte, verklagte er den Veranstalter des Triathlons und den Sanitätsdienst auf Schmerzensgeld: Die verzögerte Behandlung sei als unterlassene Hilfeleistung zu bewerten, meinte er. Das Landgericht Dresden war allerdings anderer Ansicht und wies die Klage ab (10 O 2201/20). Grundsätzlich müssten Patienten einer medizinischen Behandlung vorher zustimmen, betonte das Landgericht.

Und der Triathlet habe im Sanitätszelt mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, man solle ihn in Ruhe lassen und nicht behandeln. Dann könne er nicht nachträglich den Rettungskräften vorwerfen, er sei zu spät behandelt worden. Sie hätten vorschriftsmäßig gehandelt, indem sie seinen Willen respektierten. Selbst wenn der Lehrer möglicherweise schon im Delirium gewesen sei, sei das für die Sanitäter nicht klar erkennbar gewesen.

Auf die Sanitäter habe er keineswegs "verwirrt" gewirkt. Sie seien daher nicht von einem Ausnahmefall ausgegangen: Nur wenn ein Patient offenkundig nicht in der Lage sei, eine eigene Entscheidung zu treffen, dürften Mediziner und Rettungskräfte dessen Willen ignorieren. Schließlich sei nicht nur unterlassene Hilfeleistung, sondern auch eine aufgezwungene Behandlung gegen den Willen des Patienten als Körperverletzung strafbar.

Interpretationsbedürftiges Testament

"Dies gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme"

Vor einer Urlaubsfahrt im Jahr 1998 hatte Frau D handschriftlich ein Testament verfasst, das sie so einleitete: "Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Dies gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme." Dann folgten die einzelnen Regelungen. Frau D unterschrieb das Testament vor einem weiteren Urlaub im Jahr 2000 noch einmal.

Nach ihrem Tod im Jahr 2021 stritten die Erben darüber, ob das Testament nur für den Fall gelten sollte, dass die Erblasserin nicht aus dem Urlaub zurückkommt — oder auch unabhängig davon. Das Landgericht Hagen sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen im Testament nur für den kurzfristigen Zeitraum des Urlaubs gedacht waren (4 O 265/22).

Die Urlaubsreisen seien offenkundig nur der Anlass gewesen, ein Testament zu verfassen, so das Landgericht. Einen Zusammenhang mit einem bestimmten Todeszeitpunkt lasse der Inhalt der Regelungen dagegen nicht erkennen. Nichts spreche dafür, dass die Erblasserin die Erbfolge ausschließlich für den Fall eines Todes im Urlaub habe regeln wollen und sich für den Fall eines Todes zuhause eine andere Erbfolge vorgestellt hätte. Außerdem habe sie das Testament nach der Rückkehr aus dem Urlaub nicht geändert, auch nach ihrer letzten Reise nicht.

Zeitarbeiter nach der Krankmeldung entlassen

Arbeitgeber zweifelt die AU-Bescheinigung an und verweigert die Entgeltfortzahlung

14 Monate war Arbeitnehmer B bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Am 2.5.2022 meldete er sich für vier Tage krank. Darauf reagierte die Arbeitgeberin noch am selben Tag mit Kündigung zum Monatsende. Das Schreiben ging dem Arbeitnehmer am nächsten Tag zu. Bis zum 31.Mai legte der entlassene Zeitarbeiter mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines Hausarztes mit unterschiedlichen Diagnosen vor.

Kündigung und Krankschreibung seien hier doch sehr auffällig zusammengetroffen, fand die Firma. Sie bezweifelte die AU-Bescheinigungen des Mediziners und verweigerte B die Entgeltfortzahlung für den Monat Mai. Der Zeitarbeiter klagte sie ein und bekam vom Arbeitsgericht Hildesheim Recht. Gegen das Urteil legte die Arbeitgeberin erfolglos Berufung ein.

Es wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen bestätigt (8 Sa 859/22). Ernste Zweifel an einer ärztlichen AU-Bescheinigung seien angebracht, wenn sich ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung sozusagen "postwendend" krank melde. Das gelte vor allem dann, betonte das LAG, wenn mehrere AU-Bescheinigungen lückenlos die gesamte Dauer der Kündigungsfrist abdeckten.

Anders sei der Sachverhalt aber zu bewerten, wenn sich ein Arbeitnehmer — wie B im konkreten Fall — erst krank melde und danach entlassen werde. Damit stehe keineswegs fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankheit des Arbeitnehmers bestehe. Der "Beweiswert" der AU-Bescheinigung sei hier nicht erschüttert. Daher sei es nicht gerechtfertigt, dem Mann die Entgeltfortzahlung vorzuenthalten. (Die Zeitarbeitsfirma hat gegen das Urteil Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt.)

Sorgerecht für nichtehelichen Vater

Warten auf eine Entscheidung aus Karlsruhe

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hat nur die Mutter das Sorgerecht für ihr nichtehelich geborenes Kind. Entsprechend hat ein Amtsgericht den Antrag abgelehnt, mit dem der Vater und die Mutter das gemeinsame Sorgerecht für ihre zwei Kinder begehrten. Dagegen legten die Eltern Beschwerde ein: Sie lebten seit acht Jahren in einer "stabilen Beziehung" zusammen, und es sei daher nicht gerechtfertigt, sie anders als verheiratete Eltern zu behandeln, denen das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder zustehe.

Das Landgericht Lüneburg teilte die Argumentation des ledigen Paares (5 T 74/94). Die unverheirateten Eltern lebten mit ihren Kindern zusammen, beide seien bereit und in der Lage, die elterliche Verantwortung zu übernehmen, und dies entspreche auch dem Kindeswohl. Damit seien die Voraussetzungen für ein gemeinsames Sorgerecht gegeben. Dem stehe allein der Gesetzeswortlaut entgegen. In diesen Fällen habe das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, dem die Akten nunmehr vorgelegt würden. Bis dahin werde das Verfahren ausgesetzt.

P.S.: Viele solcher Anträge führten dazu, dass letztlich das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufforderte, das Gesetz zum Sorgerecht unverheirateter Paare zu ändern. Was auch geschah. Heute heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch: "Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen." (§ 1626a)

Senior holte sich Ehefrau von den Philippinen

Sie verschwieg dem Mann ihre zwei Kinder: Grund genug für eine Aufhebung der Ehe?

Ein 75 Jahre alter Deutscher suchte im Frühjahr 2017 im Internet nach einer Ehefrau aus dem "asiatischen Raum" und nahm im Mai mit einer Interessentin von den Philippinen per Video Kontakt auf. Die Dame hatte zwei Kinder — eines noch minderjährig —, die bei ihr lebten. Davon erzählte sie dem vermögenden Senior allerdings nichts. In Hongkong wurde 15 Monate später ohne Ehevertrag geheiratet. Das Paar hatte sich vorher nie persönlich getroffen.

Erst im September 2020 reiste die Ehefrau nach Deutschland. Vorher gestand sie dem Mann, dass sie Kinder hatte. Mit denen wolle er nichts zu tun haben, lautete die Antwort: Und nach Deutschland dürfe sie die Kinder auf keinen Fall mitnehmen. So reiste sie allein. Besonders innig war die Beziehung also von vornherein nicht. Bereits im November 2021 beantragte der Ehemann bei Gericht, die Ehe aufzuheben — hilfsweise beantragte er die Scheidung.

Der Mann berief sich auf eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch: Demnach kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Partner durch arglistige Täuschung zur Heirat bewogen wurde. Und zwar durch Täuschung über Tatsachen, bei deren Kenntnis er oder sie die Ehe nicht geschlossen hätte. Durch eine Aufhebung hätte die philippinische Ehefrau ihren Erbanspruch verloren. Das Amtsgericht wies den Antrag des Ehemannes ab, dagegen legte er Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe sah zumindest die Voraussetzungen für eine Scheidung als erfüllt an: Das Paar lebe seit über einem Jahr getrennt (5 UF 102/22). Grundsätzlich könne das Verschweigen eines minderjährigen Kindes auch eine Aufhebung der Ehe begründen, erklärte das OLG: Kinder brächten schließlich Pflichten mit sich (Unterhalt etc.). Partner müssten daher die Existenz minderjähriger Kinder vor der Heirat ungefragt offenbaren.

Ob im konkreten Fall die Ehefrau den Ehemann arglistig getäuscht habe, sei aber nicht eindeutig belegt. Das Amtsgericht müsse hier nochmals Beweis erheben. Zweifelhaft sei auch, ob die zweite Bedingung für eine Eheaufhebung erfüllt sei: Es müsste nämlich auch sicher feststehen, dass der Ehemann die Frau im Wissen um die Kinder nicht geheiratet hätte.

Daran beständen Zweifel, weil der Senior keinen Ehevertrag vereinbart habe. Das deute darauf hin, dass die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Ehe für ihn keine besondere Rolle spielten. Ein Ehevertrag wäre angesichts des Erbanspruchs einer Ehefrau für seine Kinder aus erster Ehe wirtschaftlich von großer Bedeutung gewesen. Ohne Ehevertrag erbten sie weniger. Das sei dem Mann offenbar egal gewesen. Wenn die zweite Ehefrau Kinder in die Ehe mitbringe, wirke sich das auf die Verteilung des Erbes überhaupt nicht aus.

Kreditvertrag des Partners mit-unterschrieben

Sittenwidrig: Die Bank wusste, dass die Frau damit finanziell überfordert war

Die 20-jährige Verkäuferin arbeitete in einer Bäckerei und verdiente etwa 1.300 Euro netto im Monat. Um ihrem damaligen Freund einen Gefallen zu tun, unterschrieb auch sie seinen Kreditvertrag mit einer Bank. Er wolle ein Auto kaufen, hatte er ihr erklärt. Tatsächlich wollte der Freund mit dem Geld aber vor allem alte Kredite "umschichten": Der Darlehensvertrag lautete auf rund 90.000 Euro, wofür er monatlich eine Rate von ca. 1.000 Euro zu zahlen hatte.

Zwei Jahre später war der Mann dazu nicht mehr in der Lage. Deshalb kündigte die Bank den Kreditvertrag. Da er den restlichen Betrag von 50.000 Euro erst recht nicht zurückzahlen konnte, verklagte die Bank seine (mittlerweile Ex-) Freundin auf Zahlung. Das Landgericht Osnabrück gab der Bank sogar Recht. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg bewahrte die Verkäuferin vor dem Ruin (8 U 172/22).

Die Frau habe nicht selbst Kredit aufgenommen, sondern nur eine Mithaftung übernommen. Derartige Konstellationen seien zwar rechtlich möglich. Im konkreten Fall sei aber der krass einseitig belastende Vertrag nichtig: Er sei sittenwidrig, weil er die Frau offensichtlich finanziell überforderte. Sie müsse daher trotz ihrer Unterschrift nicht für die hohen Schulden ihres ehemaligen Partners haften.

Der Bankmitarbeiter habe beim Vertragsschluss gewusst, wie sehr die junge Frau an ihrem Freund hing und wie viel sie verdiente, genauer gesagt: wie wenig. Dass sie sich mit dem Kreditvertrag dem Freund zuliebe total übernommen habe, sei klar gewesen. Es widerspreche dem Anstandsgefühl, wenn Banken so eine Situation ausnutzten. Noch dazu habe die Verkäuferin nicht einmal geahnt, wie prekär ihre Unterschrift war: Denn sie habe geglaubt, es gehe nur um 7.500 Euro für ein Auto.

Eineiige Zwillinge als mögliche Väter

Streit um Kindesunterhalt: Gericht kommt mit Blutgruppengutachten nicht weiter

Wenn es Streit darüber gibt, wer als Vater eines nichtehelichen Kindes Unterhalt zu zahlen hat, helfen Blutuntersuchungen bei den möglichen Vätern normalerweise weiter. Auf diese Weise kann die Vaterschaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Diese Methode versagt jedoch, wenn eineiige Zwillinge als Väter in Frage kommen.

Ein Mann wehrte sich dagegen, als Vater in Anspruch genommen zu werden. Er verwies darauf, dass sein Zwillingsbruder ebenfalls mit der Mutter des Kindes "Sex gehabt" habe. Das Oberlandesgericht Hamm erklärte die Blutuntersuchung deshalb hier für untauglich: Demnach könnten beide Männer mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit Vater sein (29 U 200/93).

Die Vaterschaft eines Zwillingsbruders könne aber durch Beweisaufnahme festgestellt werden: Ausgehend von ihren Aussagen, wann die Brüder jeweils mit der Mutter zusammen waren, müsse man vom Geburtsdatum zurückrechnen. Unterhalt für das Kind müsse dann der Zwillingsbruder zahlen, an dessen Vaterschaft keine schwerwiegenden Zweifel beständen.

Kosten einer Fettabsaugung sind steuerlich absetzbar

Das gilt aber nur, wenn eine krankhafte physische Störung behandelt wurde

Frau X leidet seit langem an einer krankhaften Störung der Fettverteilung ("Lipödem"), bei der sich das Fett vor allem an Beinen, Hüfte und Gesäß der Betroffenen übermäßig vermehrt. Da konservative Behandlungsmethoden erfolglos blieben, ließ sich die Patientin schließlich auf Anraten ihres Arztes Fett absaugen ("Liposuktion"). Ihre Krankenkasse lehnte es ab, die Kosten des Eingriffs zu übernehmen: Dafür liege keine Empfehlung des "Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen" vor.

Als Frau X die Behandlungskosten bei ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnlichen Aufwand geltend machte, winkte auch das Finanzamt ab: Die Liposuktion sei erstens eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode. Zweitens fehle ein Gutachten des Medizinischen Dienstes zur medizinischen Notwendigkeit des Eingriffs. So eine Bescheinigung hätte vor Beginn der Behandlung ausgestellt werden müssen.

Die Klage der Patientin gegen den Steuerbescheid hatte beim Bundesfinanzhof Erfolg (VI R 39/20). Das oberste deutsche Finanzgericht bescheinigte dem Finanzamt, medizinisch nicht auf der Höhe der Zeit zu sein: Unter Medizinern bestehe schon seit 2016 Einigkeit, dass das Fettabsaugen bei einem Lipödem wirksam und zweckmäßig sei. Darüber gebe es keine nennenswerten Debatten mehr.

Dass der "Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen" das Fettabsaugen noch nicht in das Leistungsverzeichnis der von den Krankenkassen zu finanzierenden Behandlungsmethoden aufgenommen habe, spiele bei der Einkommensteuer keine Rolle. Denn die bei Frau X durchgeführte Liposuktion habe nachweislich nicht kosmetischen Zwecken gedient, sondern sei medizinisch notwendig gewesen.

Daher seien die Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung der Steuerzahlerin steuermindernd zu berücksichtigen. Dafür müsse Frau X weder ein amtsärztliches Gutachten, noch eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegen.

Anspruch auf nicht zugelassenes Medikament?

Auch und gerade bei todkranken Versicherten geht die Sicherheit der Arzneimittel vor

Ein 19-jähriger Patient leidet an Duchenne-Muskeldystrophie, einer seltenen, genetisch bedingten Erkrankung, an der die Betroffenen meist schon im frühen Erwachsenenalter sterben. Der Patient ist seit 2015 gehunfähig. Bei seiner Krankenkasse hatte er die Kostenübernahme für das Medikament "Translarna" beantragt. Doch dieses Arzneimittel ist nur für gehfähige Patienten zugelassen.

Mit dieser Begründung lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab: Zwei Anträge des Herstellers, die Zulassung für das Medikament auf "nicht mehr gehfähige Dystrophie-Patienten" zu erweitern, seien aufgrund negativer Bewertungen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur 2019 abgewiesen worden. Daher habe der Versicherte keinen Anspruch auf Kostenübernahme für dieses Arzneimittel.

Das Bundessozialgericht gab der Krankenkasse Recht (B 1 KR 35/21 R). Wenn sich Versicherte wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in einer Notlage befänden, werde in der Regel großzügig entschieden. Häufig bekämen sie sogar Medikamente, deren Wirksamkeit medizinisch noch nicht 100-prozentig belegt sei — sofern wenigstens eine geringe Aussicht auf Heilung oder positiven Einfluss auf die Krankheit bestehe.

Davon könne man aber nicht ausgehen, wenn die Arzneimittelbehörde die Unterlagen eines Pharmaunternehmens im Zulassungsverfahren geprüft und negativ bewertet habe. Dabei spiele es keine Rolle, ob die negative Beurteilung auf einer aussagekräftigen medizinischen Studienlage beruhe oder ob der medizinische Nutzen des Medikaments wegen methodischer Probleme bei der Auswahl der Herstellerdaten nicht bestätigt worden sei.

Auch und gerade bei so schweren Erkrankungen müsse die Arzneimittelbehörde die Patienten vor unkalkulierbaren Risiken schützen. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise gewährleiste das Zulassungsverfahren eine wissenschaftlich einwandfreie und unabhängige Prüfung, inklusive Ausnahmeregeln für Härtefälle. Auf Arzneimittel ohne Zulassung hätten gesetzlich Krankenversicherte daher grundsätzlich keinen Anspruch.

Heimbewohner starb, bevor über Sozialhilfe entschieden wurde

Das Sozialamt muss dem Altenheim trotzdem die Pflegekosten erstatten

Ein Rentner erkrankte schwer, wurde pflegebedürftig und in einem Altenheim untergebracht. Da seine Rente nicht ausreichte, um die Kosten des Heims zu decken, sollte das Sozialamt den fehlenden Betrag übernehmen. Der Antrag auf Sozialhilfe landete aber erst auf einem Umweg beim zuständigen Landkreis. Der Rentner starb, noch bevor über den Antrag entschieden war.

Das Altenheim verlangte vom Sozialamt des Landkreises, die ungedeckten Pflegeleistungen (über 10.000 DM) zu bezahlen. Die Sozialbehörde lehnte jedoch ab, weil der Anspruch auf Sozialhilfe höchstpersönlicher Natur sei. Nach dem Tod des Berechtigten könne nichts mehr bewilligt werden. Dem widersprach das Oberlandesgericht Köln (7 U 127/93).

Die Beteiligten seien sich einig, dass dem verstorbenen Rentner Sozialhilfe zustand. Also sei der Landkreis als zuständiger Sozialhilfeträger gesetzlich zur Hilfeleistung verpflichtet gewesen. Diese Hilfe habe das Altenheim nur vorfinanziert. Wer aber für einen anderen in dessen Interesse Angelegenheiten besorge, könne Ersatz seiner Ausgaben verlangen. Gemäß diesem Rechtsgrundsatz - die so genannte "Geschäftsführung ohne Auftrag" - müsse der Landkreis die Pflegekosten ersetzen.

Vom "Stellvertreter" statt vom "Wahlarzt" behandelt

Dass der Chefarzt verhindert war, stand von vornherein fest: Klinik-Wahlleistungsvereinbarung wirksam?

Ein Patient musste wegen einer dringenden Herzkatheteruntersuchung ins Krankenhaus. Bei der Aufnahme schloss er mit der Klinik eine Wahlleistungsvereinbarung. Demnach hätte ihn der Chefarzt der Fachabteilung untersuchen sollen. Doch die Verwaltungsmitarbeiterin an der Rezeption teilte dem Patienten sofort mit, der Chefarzt sei verhindert und könne die Behandlung nicht persönlich durchführen.

Zusätzlich zur Wahlleistungsvereinbarung unterschrieb der Mann eine Patientenerklärung und versicherte darin, er sei über alle Optionen informiert worden: Er könne sich für das gleiche Honorar von einem Stellvertreter des Chefarztes oder vom diensthabenden Arzt ohne Zuzahlung untersuchen lassen oder die Behandlung verschieben, bis der Wahlarzt zur Verfügung stehe. Er könne auch die Wahlleistungsvereinbarung auflösen und sich in einer anderen Klinik behandeln lassen.

Der Patient ließ sich vom Stellvertreter untersuchen und wurde nach zwei Tagen aus der Klinik entlassen. Doch die Rechnung über 3.143 Euro bezahlte er nicht. Die Wahlleistungsvereinbarung sei unwirksam, erklärte der Mann: Denn das höhere Honorar für die "Wahlleistung Arzt" setze voraus, dass der Arzt seiner Wahl die Untersuchung auch tatsächlich durchführe. Als er die Wahlleistungsvereinbarung bei der Aufnahme in die Klinik unterschrieben habe, sei aber bereits klar gewesen, dass der Chefarzt ihn nicht behandeln könne.

Das Landgericht Heidelberg entschied den Streit ums Honorar zu Gunsten der Klinik (4 S 3/22). Wenn von Anfang an feststehe, dass der Wahlarzt verhindert sei, werde dadurch die Wahlleistungsvereinbarung nicht automatisch unwirksam, so das Landgericht.

Der Chefarzt könne seine Aufgabe wirksam auf einen Stellvertreter übertragen — wenn absehbar sei, dass er wegen eines Urlaubs, einer Krankheit etc. einen Patienten nicht selbst behandeln könne. Die Klinik müsse dann allerdings mit dem Patienten zusätzlich zur Wahlleistungsvereinbarung eine Stellvertretervereinbarung treffen.

Im konkreten Fall sei alles vorschriftsmäßig abgelaufen: Der Patient sei vor Vertragsschluss darüber informiert worden, dass der Wahlarzt verhindert sei und dass Stellvertreter X die wahlärztlichen Leistungen zu den vereinbarten Bedingungen übernehme, wenn der Patient einverstanden sei. Diesem Vorschlag habe er zugestimmt. Vorher sei der Patient über alle anderen Möglichkeiten unterrichtet worden. Nur eine davon — die Herzkatheteruntersuchung zu verschieben — sei für ihn aus medizinischen Gründen nicht in Frage gekommen.

Kein Ordnungsgeld für Mutter

Der Umgang des Vaters mit dem Kind war undurchführbar ungenau geregelt

Das siebenjährige Kind getrenntlebender Eltern wohnt bei der Mutter. Den Umgang mit dem Vater hatte das Amtsgericht im Sommer 2022 folgendermaßen geregelt: "… alle 14 Tage von Freitag nach der Schule bis Montag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit dem 16.09. bis 19.09.2022 sowie an jedem Mittwoch einer Woche nach der Schule bis Donnerstag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit dem 14.09./15.09.2022."

Die Schule startete aber erst am Montag, dem 19. September. Das nahm die Mutter als Anlass, dem Vater den Kontakt mit dem Kind von Freitag, 16.9., bis zum Sonntag, 18.9., zu verweigern: Die Daten seien nicht eindeutig genug festgelegt, so ihre Begründung. Außerdem sei vereinbart gewesen, dass das Kind das Einschulungswochenende bei der Mutter verbringen sollte.

Dem habe er nicht zugestimmt, konterte der Vater des Kindes und beantragte beim Amtsgericht, gegen die Ex-Partnerin Ordnungsgeld festzusetzen. Dagegen legte die Frau Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe ersparte ihr die 300 Euro Geldbuße (5 WF 29/23). Umgangsregelungen müssten so konkret gefasst sein, dass für die Beteiligten ganz klar sei, welche Pflichten sie erfüllen müssten, betonte das OLG.

Art, Ort und Zeit des Umgangs mit dem Kind müssten exakt feststehen. Dem werde die Regelung des Amtsgerichts nicht gerecht, genauer gesagt: Sie sei überhaupt nicht zu erfüllen. An Schultagen sei klar, dass der Vater das Kind von der Schule abholen solle. Aber für Tage ohne Schulbesuch fehle jede Regelung. Wenn kein Schulbesuch stattfinde, welcher Zeitpunkt sei dann mit "nach der Schule" gemeint?

An welchem Ort die Mutter an solchen Tagen das Kind dem Vater übergeben solle, sei ebenfalls unklar. Angesichts dessen sei es nicht gerechtfertigt, gegen sie eine Sanktion wegen Verstoßes gegen die Umgangsregelung zu verhängen. Das wäre unverhältnismäßig — auch wenn die Frau offenbar die Umgangsregelung, dass das Kind das ganze Wochenende beim Vater verbringen sollte, sehr eigenwillig in ihrem Sinne (um-)interpretiert habe.

Kein Recht auf ein Zweitgutachten

Versicherter verlangt von der Krankenkasse mehr Hilfe für einen Arzthaftungsprozess

Krankenkassen sollen ihre Versicherten unterstützen, wenn diese wegen ärztlicher Behandlungsfehler Ansprüche geltend machen wollen. Allerdings nicht unbegrenzt, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 16 KR 432/22). Im konkreten Fall wollte ein 57 Jahre alter Mann den Operateur auf Schmerzensgeld verklagen, der ihn aufgrund einer Vorhautverengung beschnitten hatte.

Mit diesem Anliegen wandte sich der Patient an die Krankenkasse: Seit dem Eingriff leide er an Impotenz und Schmerzen, was zudem Depressionen ausgelöst habe. Der Mann führte die Probleme auf einen Behandlungsfehler zurück. Außerdem sei er nicht richtig über die Operation aufgeklärt worden. Ihm gehe es aber nicht nur um Geld, sondern um ein schmerzfreies, funktionsfähiges Geschlechtsteil — notfalls müsse ihm ein anderer Mediziner auf Kosten des Operateurs eine Ersatzvorhaut transplantieren.

Seine Krankenkasse beauftragte den Medizinischen Dienst mit einem Gutachten zu eventuellen Behandlungsfehlern. Doch das Ergebnis gefiel dem Versicherten ganz und gar nicht: Eine Beschneidung sei nicht geeignet, Beschwerden wie Impotenz zu verursachen, erklärte der Medizinische Dienst. Nun forderte der Versicherte ein weiteres Gutachten, außerdem müsse man seine Frau als Zeugin vernehmen. Als die Krankenkasse dies ablehnte, zog der Mann vor Gericht.

Doch das LSG urteilte, auf mehr Unterstützung habe er keinen Anspruch. Die gesetzliche Krankenversicherung habe mit dem Gutachten ihre Hilfspflicht erfüllt. Krankenkassen sollten Versicherten die Beweisführung in Arzthaftungsprozessen erleichtern, indem sie Auskunft geben über die von Medizinern gestellten Diagnosen und über die angewandte Therapie, indem sie ärztliche Unterlagen anfordern und Gutachten beim Medizinischen Dienst beauftragten.

Wenn ein Versicherter mit dem Resultat so eines Gutachtens unzufrieden sei, müsse die Krankenkasse deswegen jedoch nicht weitere Gutachten einholen oder selbst Ermittlungen für den Prozess beginnen und Zeugen vernehmen.

Testament beim Nachlassgericht nicht aufzufinden

Die von der Mutter als Alleinerbin eingesetzte Tochter bekam trotzdem einen Erbschein

Eine Witwe verfasste 2017 handschriftlich ein Testament, in dem sie Frau A, eine ihrer Töchter, als Alleinerbin einsetzte. Die zweite Tochter, Frau B — die sie seit Jahren nicht gesehen hatte — sollte von der Erbfolge ausgeschlossen sein und eine Abfindung von 5.000 Euro erhalten. Von einer Rechtsanwältin, die wegen eines Hausübergabevertrags bei ihr war, ließ sich die Witwe auch bei der Formulierung des Testaments beraten.

Das Schriftstück steckte sie in einen kleinen Briefumschlag, den sie zusammen mit einem Anschreiben für das Nachlassgericht in einen größeren Umschlag schob. Diesen Umschlag warf der Lebensgefährte von Tochter A in den Briefkasten des Amtsgerichts. Bei der Nachlassabteilung des Gerichts kam jedoch nur das Anschreiben, nicht das Testament an. Das fiel erst auf, als die Witwe Anfang 2021 starb und Frau A einen Erbschein als Alleinerbin beantragte.

Diesem Antrag widersprach ihre Schwester und bestritt, dass das Testament verloren gegangen sein könnte. Die Erblasserin habe es vielmehr zerstört, um es zu widerrufen. Doch das Amtsgericht Hameln befragte die Rechtsanwältin und andere Zeugen zum Inhalt des Testaments und kam zu dem Schluss, dass Tochter A der Erbschein trotz der fehlenden Testamentsurkunde zustand (18 VI 135/21).

Das Gericht hielt es aufgrund der Zeugenaussagen für bewiesen, dass die Erblasserin ein formwirksames Testament verfasst und nicht widerrufen hatte: Sie habe Frau A als Alleinerbin eingesetzt, das stehe fest. Deren Lebensgefährte habe das Testament zum Amtsgericht zur Aufbewahrung gebracht. Da die Nachlassabteilung jedoch nur das Anschreiben gefunden habe, sei zu vermuten, dass das Testament beim Öffnen der Post im großen Umschlag geblieben und versehentlich zusammen mit ihm entsorgt worden sei.

Frau B habe ihre Behauptung, die Mutter habe das zugunsten von A verfasste Testament später widerrufen, nicht einmal ansatzweise belegen können. Sie habe nicht einmal Umstände benennen können, die einen Widerruf nahelegten, geschweige denn ein anderslautendes Testament vorgelegt. Seit 2013 habe sie zur Erblasserin keinen Kontakt mehr gehabt.

Weniger Gehalt, um Trennungsunterhalt zu sparen?

Ehefrau wirft dem Mann vor, den Jobwechsel absichtlich herbeigeführt zu haben

Nach über 20 Jahren Ehe hatte sich ein Paar 2017 getrennt, das Scheidungsverfahren zog sich lange hin. Einstweilen verpflichtete das Amtsgericht den Dachdeckermeister (Gehalt: 5.886 Euro netto) dazu, für die halbtags berufstätige Frau 1.999 Euro Trennungsunterhalt zu zahlen. Anfang 2021 wechselte er den Arbeitgeber und verdiente danach deutlich weniger: 3.300 Euro netto im Monat.

Deshalb beantragte der Ehemann bei Gericht, den Trennungsunterhalt zu streichen oder zumindest herabzusetzen: Entscheidend seien die aktuellen Einkommensverhältnisse.

Dagegen wehrte sich die Frau: Ihr Ehemaliger habe seinen guten Job nicht "schicksalhaft verloren", wie er behaupte, sondern die Kündigung provoziert, indem er einen Geschäftsführer der GmbH massiv beleidigte. Er habe sich den Arbeitsplatzverlust selbst zuzuschreiben. Wenn ein Unterhaltspflichtiger seine verringerte Zahlungsfähigkeit selbst verschuldet habe, könne er sich darauf nicht berufen: Das niedrigere Gehalt sei beim Unterhalt nicht zu berücksichtigen.

Die Vorwürfe fand das Oberlandesgericht Hamm unbegründet (5 UF 44/22). Die E-GmbH habe das Arbeitsverhältnis beendet und es sei nicht festzustellen, dass der Dachdecker die Kündigung — und das damit verknüpfte geringere Einkommen — durch Fehlverhalten mutwillig herbeigeführt hätte. Bei einem Gespräch mit dem Geschäftsführer seien unterschiedliche Vorstellungen zur Firmenführung formuliert worden. Mit "klaren Worten", habe der Dachdecker eingeräumt.

Sachliche Differenzen in Sachen Geschäftsführung belegten jedoch nicht, dass sich der Ehemann der familiären Unterhaltspflicht entziehen wollte. Wenn man seine Erwerbsbiographie, Qualifikation und sein Alter in Rechnung stelle, entspreche sein aktuelles Gehalt dem auf dem Markt objektiv erzielbaren Gehalt. Dass er sich für diese Anstellung entschieden habe, sei ihm daher nicht vorzuwerfen, auch wenn das für die Ehefrau finanzielle Nachteile bedeute.

Allerdings sei die großzügige Abfindung (51.910 Euro netto) des früheren Arbeitgebers zum Einkommen zu rechnen — damit müsse der Dachdeckermeister sein jetzt verringertes Einkommen aufstocken, verteilt auf einen längeren Zeitraum von vier Jahren. Das sei angemessen, da der Mann auch für den jüngsten Sohn noch bis 2025 Unterhalt zu zahlen habe. Die wirtschaftlichen Nachteile, die Frau und Sohn durch den Arbeitsplatzwechsel des Ehemannes hinnehmen müssten, würden so ausreichend abgemildert.