Familie & Gesundheit

Zeige 20 von 2085 Urteilen

Erbschaft des Bruders angenommen

Die Annahme kann der Erbe nicht wegen eines Irrtums über die Erbschaftssteuer anfechten

In seinem Testament hatte ein (lediger, kinderloser) Mann die Mutter und seinen Bruder jeweils zur Hälfte als Erben eingesetzt. Die Erben beantragten und erhielten nach seinem Tod einen entsprechenden Erbschein. Kurz darauf wollte jedoch der Bruder die Annahme der Erbschaft rückgängig machen.

Als er den Erbschein beantragte, habe er über die Höhe der Erbschaftssteuer nicht Bescheid gewusst, teilte er dem Nachlassgericht mit: Er sei von wesentlich höheren Steuerfreibeträgen ausgegangen. Inzwischen habe er herausgefunden, dass es viel günstiger gewesen wäre, die Erbschaft auszuschlagen. Dann wäre sein Erbteil zunächst der Mutter und nach deren Tod ihm zugefallen — mit einem viel höheren Freibetrag.

Es bleibe bei dem ausgestellten Erbschein, entschied das Nachlassgericht. Erfolglos legte der Erbe dagegen Beschwerde ein: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (10 W 125/21). Möglicherweise wäre es für ihn tatsächlich steuerlich günstiger gewesen, die Erbschaft erst einmal auszuschlagen, um später Alleinerbe der Mutter zu werden, räumte das OLG ein.

Mit der Begründung, die Erbschaftssteuer unterschätzt zu haben, könne er jedoch seine Willenserklärung - die Annahme der Erbschaft - nicht zurücknehmen. Grundsätzlich könne eine Willenserklärung nur angefochten werden, wenn sich der Erklärende über deren Inhalt geirrt habe und diese zu wesentlich anderen Rechtsfolgen führe. Ein Irrtum über die Höhe der Erbschaftssteuer, die sich aus einer Erbschaft ergebe, gehöre jedoch nicht zu den zulässigen Gründen einer Anfechtung.

Sind die finanziellen Folgen einer Erbschaft zweifelhaft, sollten sich potenzielle Erben also besser beraten lassen, bevor sie sie annehmen.

Ehemann will sein Einkommen nicht offenlegen

Von der Auskunftspflicht im Scheidungsverfahren kann man sich nicht mit hoher Zahlung freikaufen

In einem Scheidungsverfahren ging es unter anderem um die Höhe des nachehelichen Unterhalts für die Ehefrau. Sie verlangte vom Ehemann Auskunft über sein Einkommen, doch das wollte er auf keinen Fall offenlegen. Um die Frau milde zu stimmen, überwies ihr der vermögende Gatte eine Million Euro.

Gleichzeitig teilte er mit, die Summe sei mit "etwaigen Ansprüchen auf Trennungs- und gegebenenfalls nachehelichen Unterhalt zu verrechnen" und als Vorauszahlung auf den Zugewinnausgleich anzusehen. Mit diesem Betrag sei ihr Unterhaltsbedarf ja wohl für längere Zeit gedeckt.

Mit der Verrechnung sei sie einverstanden, erklärte die Frau, dennoch bestehe sie auf der Auskunft. Ein Unterhaltsanspruch sei trotz dieser Zahlung nicht ausgeschlossen. Ohne Auskunft könne sie ihre Ansprüche nicht einschätzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab der Ehefrau Recht (5 UF 197/21).

Schließlich habe der Gatte sie dazu aufgefordert, die hohe Einmalzahlung mit Unterhalt und Zugewinnausgleich zu verrechnen. Dazu müsse die Ehefrau aber erst einmal ihren Unterhaltsanspruch kennen. Wenn es darum gehe, den Unterhaltsbedarf der Partnerin zu ermitteln, sei die Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Von dessen Einkommen hänge es auch ab, ob und wie lange der Unterhalt zeitlich befristet werde.

Im Scheidungsverfahren entfalle die Auskunftspflicht des/der Unterhaltspflichtigen nur, wenn von vornherein zweifelsfrei feststehe, dass kein Unterhaltsanspruch des Partners/der Partnerin bestehe.

Kostenklausel im Behandlungsvertrag

Patientin sollte Honorarforderungen nicht an ihre private Krankenversicherung abtreten

Eine Patientin wurde zwei Mal an der Wirbelsäule operiert. Ihre Behandlungsverträge enthielten folgende Klausel: "Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung bzw. Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet."

Der Chirurg stellte der Patientin einmal 13.742 Euro, einmal 13.200 Euro in Rechnung. Die Frau bezahlte beide Rechnungen und reichte sie bei ihrer privaten Krankenversicherung ein. Die Versicherung beanstandete zahlreiche Kostenpositionen, erstattete der Versicherungsnehmerin jedoch die bezahlten Beträge im von der Versicherungspolice gedeckten Umfang. Anschließend forderte sie vom Mediziner Teilbeträge zurück.

4.719,92 Euro müsse er zurückzahlen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 143/21). Prinzipiell sei es so: Könne der Versicherungsnehmer gegen einen behandelnden Arzt Ersatzansprüche geltend machen, gingen die Ansprüche auf die Krankenversicherung über, soweit sie die Kosten erstattet habe. Ärzte dürften Patienten nicht generell verbieten, der Krankenversicherung solche Ansprüche abzutreten: Die einschlägige Vertragsklausel benachteilige Patienten unangemessen und sei unwirksam.

Zwar sei die Patientin im Behandlungsvertrag auf das mögliche Risiko hingewiesen worden, dass sie eventuell die Kosten selbst tragen müsse. Es werde auch empfohlen, vor der Behandlung die Kostenfragen mit der Versicherung abzuklären. Dennoch müssten Patienten mit so einem umfassenden Verbot nicht rechnen. Es sei überraschend, weil es sich nicht nur auf die ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen beziehe, sondern auf alle "Forderungen aus der Behandlungsrechnung".

Bei Operationen könnten aber Komplikationen auftreten und kurzfristig weitere Leistungen notwendig machen. Die Tragweite des Verbots sei für durchschnittlich informierte Patienten nicht zu durchschauen. Im Unterschied zum Arzt und zur Krankenversicherung verfügten sie nicht über die notwendige Sachkunde, um zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet worden sei oder nicht.

Würde man die Vertragsklausel akzeptieren, müssten Patienten eventuell unberechtigte Forderungen zumindest vorläufig selbst begleichen oder sich dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arzt aussetzen. Das sei unzumutbar — erst recht in Bezug auf Leistungen, die im Behandlungsvertrag nicht erfasst seien und deren Art und Umfang Patienten nicht annähernd absehen könnten.

15-Jährige verlangte Corona-Impfung

Wenn die Mutter der Tochter die Impfung verweigert, missbraucht sie ihr Sorgerecht

Das 15 Jahre alte Mädchen lebt schon seit Februar 2020 nicht mehr bei der Mutter, die das alleinige Sorgerecht hat. Die Tochter möchte nicht in den Haushalt der Mutter zurück und das war nicht der einzige Streitpunkt. Gegenüber Mitarbeitern des Jugendamts äußerte die Jugendliche mehrmals, sie wolle sich unbedingt gegen Corona impfen lassen. Doch die Mutter lehnte die Covid-19-Impfung strikt ab.

Im November 2021 leitete deshalb das Jugendamt beim Familiengericht Pirmasens ein Verfahren ein. Das Gericht entzog der Mutter antragsgemäß das Recht, über die Impfung zu entscheiden und übertrug es dem Jugendamt ("Ergänzungspflegschaft"). Gegen den Teilentzug des Sorgerechts legte die Frau erfolglos Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken erklärte die Maßnahme für gerechtfertigt (2 UF 37/22). Wenn das Wohl eines Kindes auf dem Spiel stehe und der sorgeberechtigte Elternteil nicht gewillt sei, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, müsse das Familiengericht dies tun. Dass die Mutter der Tochter die Impfung verweigere, richte sich gegen das Kindeswohl und sei als Missbrauch des Sorgerechts anzusehen.

Die 15-Jährige dürfe darüber selbst entscheiden. Ihr nachdrücklicher Wunsch, sich impfen zu lassen, sei aufgrund ihres Alters als "Akt der Selbstbestimmung" zu werten und zu beachten. Nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts sei die Minderjährige absolut in der Lage, die Tragweite dieser Entscheidung zu begreifen.

Dass die Jugendliche es ernst meine, wenn sie den Kontakt zur Mutter nachdrücklich ablehne, sei ebenfalls nicht zu bezweifeln. Da sich die Mutter dem Wunsch des Mädchens nach einer Impfung entschieden verschließe, sei eine konstruktive und dem Kindeswohl entsprechende Lösung nur durch den Teilentzug des Sorgerechts möglich.

Landwirtstochter verlangt Nachabfindung

Wenn ein Hoferbe Ackerland an Landwirte verpachtet, wird es landwirtschaftlich genutzt

Die Eltern von Frau A hatten die Landwirtschaft schon 1991 aufgegeben und ihr Ackerland langfristig verpachtet. 1997 übergaben sie Hof und Grund der Tochter S, die die Verpachtung fortsetzte. Als nach den Eltern auch Frau S starb, wurde ihr Sohn 2019 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Frau A, der vom Nachlass der Eltern ein Achtel als Pflichtteil zustand, forderte von ihm Auskunft über die Pachtverträge und die Einkünfte daraus seit 1997.

Der Neffe zahlte ihr eine Abfindung von 5.623 Euro. Damit war Frau A jedoch nicht zufrieden. Sie pochte auf eine Vorschrift der Höfeordnung: Demnach besteht Anspruch auf eine Nachabfindung, wenn ein Hoferbe innerhalb von zwanzig Jahren nach dem Erbfall oder nach der Hofübergabe Hof und Grund auf andere Weise als landwirtschaftlich nutzt und dadurch erhebliche Gewinne erzielt.

Schon seit 1991 bewirtschafteten die Grundeigentümer das Ackerland nicht mehr selbst und das sei auch nach der Übergabe an Frau S bzw. bei ihrem Erben so geblieben, stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest (7 W 14/22 (L)). Allein deshalb könne die Miterbin aber noch keine Nachabfindung verlangen. Bedingung dafür sei nicht nur, dass die "Eigenbewirtschaftung" aufgegeben wurde.

Die Ackerflächen müssten außerdem "auf andere Weise als landwirtschaftlich" genutzt werden. Das Verpachten landwirtschaftlicher Flächen an Landwirte sei jedoch nicht als "landwirtschaftsfremd" einzustufen. An dieser früher einmal vertretenen Ansicht halte das Gericht nicht mehr fest, so das OLG.

Verpächter erzielten Einkommen dadurch, dass sie Landwirten Ackerflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung überlassen. An dieser Art der Gewinnerzielung ändere sich nichts, wenn der Hoferbe/die Hoferbin selbst noch einen nicht verpachteten Acker bestelle. Es sei in beiden Fällen als landwirtschaftliche Nutzung von Hof und Grund anzusehen, wenn ein Hoferbe/eine Hoferbin einen langfristigen Landpachtvertrag schließe.

Umgangstermine sind einzuhalten

Vater kam mit dem Sohn nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurück und muss Ordnungsgeld zahlen

Die Berliner Eltern leben getrennt. Das Familiengericht hatte penibel geregelt, dass der dreieinhalb Jahre alte Junge die erste Woche der Herbstferien 2021 mit dem Vater verbringt, die zweite mit der Mutter. Der Vater flog mit dem Jungen nach Nordspanien und sollte ihn der Mutter am Sonntag, den 17.10.2021, um 17 Uhr übergeben. Der Rückflug am 17.10. sollte um 8.45 Uhr in Berlin landen.

Als der Vater am Vortag im Internet einchecken wollte, stellte er fest, dass der Flug storniert worden war. Sofort meldete er sich bei der Umgangsbegleiterin und teilte mit, dass er am 18.10. einen Lufthansa-Ersatzflug nehmen werde. Das brachte die Mutter auf die Palme, die am 18.10. mit dem Kind nach Südspanien in den Urlaub fliegen wollte.

Einen Tag zu spät zurückzukommen, sei nicht akzeptabel, fand die Frau: Der Vater hätte auf Buchungsportalen leicht Rückflüge mit freien Plätzen am 17.10. finden können. Hektisch wurde telefoniert. Schließlich erreichte die Mutter bei "ihrer" Fluggesellschaft, dass der Junge gegen Aufpreis auf dem Zwischenstopp ihres Flugs nach Südspanien in Madrid zusteigen konnte. Die Umgangsbegleiterin überredete den Vater, das Kind am 18.10. mit dem Zug nach Madrid zum Flughafen zu bringen.

Nach dem Urlaub beantragte die Mutter, gegen den Vater Ordnungsgeld festzusetzen. Zu Recht, entschied das Berliner Kammergericht (16 WF 29/22). Der Mann habe es fahrlässig versäumt, für den Fall von Problemen mit dem Rückflug einen Zeitpuffer einzuplanen. Wie häufig es derzeit im Flugverkehr zu Ausfällen und Verzögerungen komme, sei allgemein bekannt.

Wer den Rückflug so knapp vor dem Rückgabetermin buche, gehe das Risiko ein, den Termin zu versäumen. Auch für das Kind wäre es besser gewesen, den Rückflug für den 16.10 vorzusehen, anstatt ihm zwei lange Flüge an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zuzumuten.

Der Vater habe es für unzumutbar erklärt, den von der Fluglinie angebotenen Ersatzflug am 18.10. verfallen zu lassen und kostenpflichtig einen früheren Rückflug zu buchen. Da verkenne er allerdings, wie verbindlich Umgangstermine seien. Wer mit seiner Planung darauf keine Rücksicht nehme, müsse dann eben Unannehmlichkeiten und zusätzliche Kosten in Kauf nehmen, um den Umgangstermin einzuhalten. Andere Flüge hätte es jedenfalls gegeben.

Wäre der Vater erst, wie beabsichtigt, am 18.10. nach Berlin zurückgeflogen, hätte das den Urlaub der Mutter vereitelt oder ihr zumindest die Mehrkosten für die Umbuchung auf einen späteren Flug aufgebürdet. Da er bereits mehrmals ohne Rücksicht auf die Belange seiner Ex-Partnerin Umgangszeiten eigenmächtig verändert und Vereinbarungen ignoriert habe, sei eine Geldbuße alles in allem angemessen.

Eigentumswohnung verkauft

Unter welchen Bedingungen ist der "Veräußerungsgewinn" steuerfrei?

Die Mutter dreier Söhne hatte für die Kinder an deren Studienort eine Wohnung gekauft. Die zwei älteren Söhne wohnten hier während des Studiums, der jüngste nur gelegentlich. Sechs Jahre nach dem Erwerb verkaufte die Frau die Eigentumswohnung mit Gewinn weiter. Den musste sie nach Ansicht des Finanzamts versteuern. Die Steuerzahlerin war dagegen der Meinung, der Gewinn sei steuerfrei: Schließlich habe es sich um eine selbst genutzte Immobilie gehandelt.

Der Bundesfinanzhof entschied den Streit zu Gunsten der Finanzbehörde (IX R 28/21). Grundsätzlich gelte: Wenn eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb gewinnbringend verkauft werde, sei der Gewinn steuerpflichtig.

Die Steuerpflicht entfalle nur, wenn der Eigentümer die Immobilie — mindestens in den zwei Jahren vor dem Verkauf — selbst bewohnt habe. Sei die Immobilie von den eigenen Kindern unentgeltlich genutzt worden, sei der Gewinn ebenfalls steuerfrei.

Doch das gelte nicht uneingeschränkt, sondern nur in Bezug auf Kinder, für die zum Zeitpunkt des Verkaufs der Immobilie noch Kindergeld gezahlt werde. Kindergeldberechtigt seien minderjährige Kinder oder volljährige Kinder bis zum 25. Geburtstag, wenn sie studierten oder eine Berufsausbildung absolvierten.

Die beiden älteren Söhne der Steuerzahlerin, die während des Studiums hauptsächlich die Eigentumswohnung bewohnten, seien aber zum Zeitpunkt des Verkaufs der Wohnung bereits 27 Jahre alt gewesen. Es reiche nicht aus, wenn nur eines von drei Kindern, die die betreffende Immobilie bewohnten, kindergeldberechtigt sei — zumal dieser Sprössling die Immobilie kaum genutzt habe. Die Wohnungsverkäuferin müsse daher den Veräußerungsgewinn versteuern.

Wohnungseigentümer trennten sich

Der Mann trägt zum Unterhalt bei, indem er der Frau die Wohnung überlässt: steuerlich abziehbare Sonderausgabe

Ein Paar mit zwei Kindern hatte in einer 200 qm großen Eigentumswohnung gewohnt, die beiden Partnern gemeinsam gehörte. 2015 trennten sie sich: Der Mann zog aus, die Frau blieb mit den Kindern in der Familienwohnung. Gemäß einer notariellen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung sollte der Mann seiner Frau bis zur Scheidung 600 Euro Trennungsunterhalt pro Monat zahlen.

Ihr finanzieller Vorteil durch das Überlassen der Wohnung — mit 400 Euro kalkuliert — wurde mit dem Trennungsunterhalt verrechnet, so dass der Mann noch 200 Euro Unterhalt zu zahlen hatte.

Mit ihrem Einverständnis machte er die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung geltend. 2018 beantragte der Mann beim Finanzamt, erhöhte Unterhaltsleistungen (12.066 Euro) zu berücksichtigen, weil der tatsächliche Mietwert seines Wohnungsanteils mit 818 Euro monatlich anzusetzen sei. Finanzamt und Finanzgericht lehnten den Antrag ab: Der Steuerzahler habe die Wohnung seiner Frau gegen Entgelt überlassen, das sei eine Art von Mietverhältnis und kein Unterhalt.

Der Bundesfinanzhof sah das anders und gab dem Steuerzahler Recht (X R 33/20). Laut Scheidungsfolgenvereinbarung werde Trennungsunterhalt gezahlt und mit dem Wohnvorteil verrechnet — von Mietzahlung sei da nicht die Rede. Der Mann leiste den Unterhalt eben, indem er der Frau die Wohnung, die ihm zur Hälfte gehöre, überlasse, ohne Miete zu verlangen.

Wenn ein Partner dem anderen nach der Trennung die gemeinsame Eigentumswohnung ohne Entgelt überlasse, sei dies als Sonderausgabe zu bewerten. Die Sonderausgabe sei mit Zustimmung des Partners bis zur Höhe von 13.805 Euro pro Jahr vom zu versteuernden Einkommen abziehbar.

Auch wenn in der Unterhaltsvereinbarung der Wohnvorteil nur mit 400 Euro kalkuliert worden sei, sei steuerrechtlich die ortsübliche Miete anzusetzen. Ob die wirklich bei 818 Euro für 100 qm liege, müsse das Finanzgericht noch prüfen.

Geschiedene Frau verlangt Opferentschädigung

Ein Streit eskalierte: Der Ehemann soll die Frau gestoßen haben, bis sie stürzte

Szenen einer Ehe: Nach gescheiterter Paartherapie 2016 bat der Rentner einen Anwalt, seiner Frau schriftlich mitzuteilen, sie möge "aus seinem Haus ausziehen" und sich eine Wohnung suchen. Ende Januar 2017 erstattete die Ehefrau Anzeige: Vor zwei Wochen sei die Situation eskaliert.

Sie habe ihren Mann wieder einmal damit konfrontiert, dass er psychisch sehr krank sei. Darauf sei er immer aggressiver geworden und auf sie losgegangen. Er habe sie gestoßen, bis sie zu Boden gestürzt sei — der Höhepunkt nach 20 Jahren Ehe-Martyrium mit Beleidigungen und psychischer Gewalt. Danach habe sie fluchtartig das Haus verlassen.

Dagegen behauptete der Mann, er habe seine Frau Wochen vorher gebeten, sein Schlafzimmer als Rückzugsort zu respektieren, solange sie noch im Haus wohne. Aber an diesem Tag habe sie unbedingt diskutieren wollen. Trotz der Aufforderung, sich zu entfernen, habe sie einfach keine Ruhe gegeben. Bis er sie aus dem Schlafzimmer hinausgeschoben habe. Von gewaltsamer Attacke könne keine Rede sein.

2019 beantragte die mittlerweile geschiedene Frau eine Opferentschädigung ("Beschädigtenrente"): Arbeiten könne sie infolge ihrer ehebedingten seelischen Leiden nicht mehr. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Auch ihre Klage gegen die zuständige Behörde blieb beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ohne Erfolg (L 6 VG 1148/22). Hier stehe Aussage gegen Aussage, stellte das Gericht fest. Wie es wirklich gewesen sei, sei also nicht aufzuklären.

Opferentschädigung setze einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff voraus, der zu einem Gesundheitsschaden führe — angebliche psychische Gewalt begründe keinen Anspruch. Eine Tätlichkeit sei aber nicht belegt.

Dagegen spreche nicht nur die Aussage des Mannes: Die Frau habe mit der Strafanzeige zwei Wochen gewartet, anstatt sofort die Polizei zu rufen. Zudem sei es unglaubwürdig, dass sie sich von ihm getrennt habe und quasi "geflüchtet" sei. Denn ihr Mann habe bereits 2016 die Beziehung beendet.

Entscheidend sei aber, dass die Frau die Ursache für die aggressive Reaktion des Ehemannes selbst gesetzt habe. Wiederholt habe sie gegen seinen erklärten Willen versucht, ihn zu einem Gespräch über seine vermeintliche psychische Krankheit zu nötigen. Wenn er — ihrer Ansicht nach — krank war und sich von ihr trennen wollte, musste die Frau mit so einer Reaktion rechnen.

Zumindest hätte sie sich sofort zurückziehen müssen, als sie merkte, wie er auf ihr Anliegen reagierte. Wenn das Opfer den Täter provoziere und sich selbst in Gefahr bringe, schließe dies eine Opferentschädigung aus.

Krebsverdacht: Falsche Diagnosemethode angewandt?

Patient bestreitet die Notwendigkeit der Gewebeentnahme und behauptet Aufklärungsdefizit

Ein Patient verlangte von seinem Urologen Schmerzensgeld, weil er ihn falsch behandelt und nicht richtig aufgeklärt habe. Nach ersten Anzeichen für einen Prostatakrebs hatte der Arzt eine Biopsie durchgeführt (d.h. er hatte Gewebe entnommen, dessen Untersuchung zeigt, ob ein Tumor vorliegt). Die Untersuchung bestätigte den Verdacht auf Krebs.

Der Eingriff löste beim Patienten Fieber und Schüttelfrost aus, der Urologe wies ihn für eine Woche in eine Klinik ein. Anschließend durchlief der Mann eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Hormontherapie, die er auch nicht gut vertrug.

Dem Mediziner warf er vor, die Biopsie sei nicht angezeigt gewesen. Den Tumor hätte man vielmehr durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigen müssen. Über die Risiken der Biopsie und die Alternativen dazu sei er vor dem Eingriff nicht aufgeklärt worden.

Das Oberlandesgericht Dresden wies die Klage des Patienten ab (4 U 657/21). Schon das sachverständig beratene Landgericht habe geklärt, dass die Prostata-Biopsie eindeutig notwendig gewesen und gemäß dem Facharztstandard vorbereitet und durchgeführt worden sei. Nur mit einer Gewebeprobe könne man herausfinden, um welchen Typ Tumor es sich handle - nicht aber mit einer MRT-Untersuchung.

Aufklärungsdefizite seien dem Urologen ebenfalls nicht vorzuwerfen. Er habe mit dem Patienten über die MRT-Untersuchung gesprochen, sie jedoch zu Recht nicht als echte, also gleichwertige Alternative zur Biopsie dargestellt. Der Mediziner habe ausgesagt, dass er die Risiken, die er ausdrücklich anspreche, handschriftlich im Aufklärungsbogen eintrage. Das sei auch im konkreten Fall geschehen.

Der Aufklärungsbogen selbst enthalte ausreichende Erläuterungen zum Risiko bei einer Gewebeentnahme. Darüber hinaus hätten Mitarbeiter bestätigt, dass der Urologe bei jedem Aufklärungsgespräch die Gefahr von Nachblutungen und Infektionen erwähne. Wegen dieses Risikos werde grundsätzlich vor der Biopsie ein Antibiotikum verabreicht. Dieses Vorgehen sei nicht fehlerhaft, sondern entspreche dem medizinischen Standard.

Die Tochter soll das Haus bekommen

Ist sie damit als Erbin eingesetzt oder gilt nach dem Tod des Vaters die gesetzliche Erbfolge?

2019 verfasste ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament. Demnach sollten "Wohnhaus und Grundstück" nach dem Tod des länger lebenden Partners als "Erbe" an die gemeinsame Tochter und den Enkel gehen: Es sei ihr "Wunsch, dass das Haus in der Familie verbleibt und nicht verkauft wird", schrieben die Eheleute. Als der Ehemann starb, erteilte das Nachlassgericht der Witwe einen Alleinerbschein. Es nahm an, dass sich die Ehegatten im Testament gegenseitig zu Alleinerben einsetzen wollten.

Damit war der Sohn des Ehepaares nicht einverstanden. Er pochte auf seinen Anteil am Vermögen: Neben der Immobilie im Wert von ca. 500.000 Euro besaßen die Eheleute auch ein Sparvermögen von 250.000 Euro. Weder die Mutter, noch die Schwester seien als Alleinerben eingesetzt worden, meinte der Sohn: Nach dem Tod des Vaters gelte vielmehr die gesetzliche Erbfolge. Er beantragte einen Erbschein, der die Mutter zur Hälfte als Erbin auswies und die drei Kinder als Erben von jeweils einem Sechstel des Vermögens.

Das Oberlandesgericht Brandenburg gab ihm Recht (3 W 67/22). Dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hätten. Was mit dem Nachlass nach dem ersten Todesfall geschehen solle, sei überhaupt nicht geregelt. Das Ehepaar habe sich bewusst dafür entschieden, nur eine Regelung zu "Haus und Grundstück" zu treffen, anstatt das Vermögen erschöpfend aufzuteilen.

Den Eheleuten sei klar gewesen, dass sie im Testament nur über einen Teil ihres Vermögens verfügten. Dass sie das Haus als "Erbe" bezeichneten, ändere daran nichts: Nicht die gewählten Worte, sondern der sachliche Inhalt des Testaments sei entscheidend — zumal juristischen Laien der Unterschied zwischen vererben und "etwas vermachen" meist nicht geläufig sei. Offenkundig wünschten die Verfasser des Testaments nur, dass nach dem Tod beider Partner die Tochter und der Enkel das Haus bekommen sollten.

Diese Verfügung stelle aber keine Erbeinsetzung in Bezug auf den gesamten Nachlass dar, dessen Wert den des Hausgrundstücks allein weit übersteige. Erben des gesamten Nachlasses — und Rechtsnachfolger des Ehepaares — sollten die Tochter und der Enkel gerade nicht werden. In Bezug auf das Sparvermögen gelte die gesetzliche Erbfolge.

Vater-Kind-Kontakt war lange unterbrochen

Begleiteter Umgang soll übergangsweise auch in der Wohnung der Mutter stattfinden

Das 2019 geborene Mädchen A lebt bei ihrer alleinerziehenden Mutter, zusammen mit älteren Geschwistern aus früheren Beziehungen der Frau. Die Eltern von A waren nicht verheiratet und haben sich Anfang 2020 getrennt. Da die Mutter nach massiven Konflikten jeden Kontakt zum Vater ablehnte, beantragte dieser schließlich beim Amtsgericht eine Umgangsregelung für das Kind.

Im November 2021 schlug das Amtsgericht ein wöchentliches Treffen am Mittwochnachmittag in den Räumen einer Jugendhilfeeinrichtung vor. Ein Mitarbeiter der Jugendhilfe sollte dabei sein (d.h. so genannter "begleiteter" Umgang), um das zweijährige Mädchen behutsam an den fast fremden Vater zu gewöhnen.

Dagegen legte die Mutter Beschwerde ein: Sie könne das Kind am Werktag nicht zum Treffpunkt bringen. Das sei erstens mit ihren beruflichen Pflichten unvereinbar und zweitens wolle sie dem Ex-Freund nicht jede Woche begegnen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt kam den Bedenken der Frau entgegen und änderte die Umgangsregelung für eine Übergangszeit von sechs Monaten ab (4 UF 11/22). Um ihre Kooperationsbereitschaft zu erhöhen, könnten die Treffen zunächst abwechselnd beim Jugendhilfeträger und in der Wohnung der Mutter stattfinden. In der Wohnung sollten sich dann nur der Vater mit dem Mädchen und die Begleitperson aufhalten, nicht die Mutter. Die gewohnte Umgebung werde es dem kleinen Kind erleichtern, seine Scheu zu verlieren und eine tragfähige Beziehung zum Vater aufzubauen, so das OLG.

Zu den Treffen in der Jugendhilfeeinrichtung könne der Umgangsbegleiter das Kind abholen und anschließend zur Mutter zurückbringen. Nach der Übergangszeit könne das Mädchen den Vater dann in seiner Wohnung besuchen — falls die Eltern bis dahin in der Lage seien, im Alltag einvernehmliche Verabredungen zu treffen. Um einen konstruktiven Umgang zu erreichen, fänden in der Jugendhilfeeinrichtung zusätzlich Gespräche mit den Eltern statt.

Gelinge dies nicht, bleibe es länger bei der Übergangslösung und den Treffen nur am Mittwoch. Die beruflichen Pflichten der Mutter zu berücksichtigen, sei für das Gericht schon deshalb unmöglich gewesen, weil sie keine genauen Arbeitszeiten habe angeben können. Letztlich sei die Mutter verpflichtet, ihre selbständige Tätigkeit so zu organisieren, dass sie mit der gerichtlichen Umgangsregelung vereinbar sei. Und sich darüber hinaus mit dem Vater abzusprechen, um Kollisionen zu vermeiden.

Weisheitszähne unnötig entfernt?

Unzureichende Risikoaufklärung bleibt folgenlos, wenn die Patientin dem Eingriff auf jeden Fall zugestimmt hätte

Eine Lehrerin hatte Probleme mit den linken Weisheitszähnen. Ihre Zahnärztin empfahl, die Weisheitszähne auf beiden Seiten operativ entfernen zu lassen und überwies die Patientin an eine Kieferchirurgin. Auf der linken Seite verlief der Eingriff komplikationslos. Doch beim Entfernen der rechten Weisheitszähne wurde ein Nerv beschädigt.

Daraufhin forderte die Lehrerin von der Chirurgin Schmerzensgeld: Seit der zweiten Operation, die gar nicht notwendig gewesen wäre, sei ihre Zunge taub. Über das Risiko sei sie nicht aufgeklärt worden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg wies die Klage der Patientin ab (12 U 8/22). Eingriff und Nachsorge seien nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen gemäß medizinischem Standard ausgeführt worden. Dass dabei ein nahe an den Zähnen liegender Nerv verletzt werde, gehöre zu den Risiken so einer Operation. Und die — vielleicht nicht optimale — Risikoaufklärung der Medizinerin habe sich im konkreten Fall nicht ausgewirkt.

Grundsätzlich gelte: Patienten willigten in eine Operation nur dann wirksam ein, wenn sie jedenfalls in Grundzügen wüssten, was auf sie zukomme. Die Lehrerin sei im Aufklärungsbogen über vorübergehende Taubheit und Gefühlsstörungen als mögliche Folgen informiert worden, was das Risiko etwas beschönige: Schließlich könnten solche Folgen in seltenen Fällen auch dauerhaft auftreten und eine Sprechstörung sei gerade für eine Lehrerin sehr belastend.

Zu Recht habe jedoch die Chirurgin eingewandt, dass die Patientin der Entfernung der rechten Weisheitszähne auch zugestimmt hätte, wenn sie über das Risiko noch genauer informiert worden wäre. Die Patientin habe zwar auf der rechten Seite keine Schmerzen gehabt, so das OLG. Doch bereits die Hauszahnärztin habe ihr erläutert, dass das nur eine Frage der Zeit sei. Die Operation auf beiden Seiten durchzuführen, sei unbedingt ratsam, da sich muskuläres Ungleichgewicht einstelle, wenn man nur die linken Weisheitszähne entferne.

Wenn man mit dem zweiten Eingriff zu lange warte, erhöhten sich außerdem das Operationsrisiko und die Gefahr für benachbarte Zähne. Das habe die Patientin alles gewusst. Darüber hinaus werde im Aufklärungsbogen der Chirurgin sogar auf das Risiko eines Durchbruchs zur Nasenhöhle hingewiesen. Diese erhebliche Gefahr habe die Patientin nicht abgeschreckt.

Deshalb sei nicht anzunehmen, dass ein deutlicherer Hinweis auf das geringe Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung die Patientin von der Zustimmung zur Operation abgehalten oder sie zumindest in einen Entscheidungskonflikt gestürzt hätte. Damit fehle ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Nervenschädigung und den Schwächen des Aufklärungsbogens.

An chronischer Müdigkeit erkrankt

Fehlt dafür eine Standard-Therapie, muss die Krankenkasse ausnahmsweise ihre Leistungen erweitern

Ein 55 Jahre alter Mann leidet an zahlreichen Krankheiten und ist aufgrund seiner chronischen Müdigkeit ("Chronisches Fatigue-Syndrom" — CFS) pflegebedürftig. Bei seiner gesetzlichen Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme der Arzneimittel Biomo-Lipon und Dekristol (Vitamin D). Die Krankenkasse lehnte sie ab, weil für eine ärztliche Verordnung dieser Arzneimittel die medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen fehlten.

Daraufhin wandte der Versicherte ein, im System der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrem Standard-Leistungskatalog werde er mit seiner Grunderkrankung CFS nicht hinreichend versorgt. Allgemein anerkannte Therapien gebe es kaum. Liponsäure und Vitamin D würden aber immerhin gegen die Symptome eines CFS, also gegen den chronischen Erschöpfungszustand, helfen. Der Mann klagte gegen den ablehnenden Bescheid.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verpflichtete die Krankenkasse dazu, zumindest vorläufig die Kosten für die beiden Arzneimittel zu übernehmen (L 4 KR 373/22 B ER). Für ihre Wirksamkeit gebe es zwar keine eindeutigen, wissenschaftlich gesicherten Beweise, räumte das Gericht ein. Deshalb zählten sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier gehe es aber um einen Ausnahmefall.

Der zum Rechtsstreit befragte medizinische Sachverständige habe ausgeführt, dass im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für das CFS keine Standard-Therapie zur Verfügung stehe, deren Wirkung wissenschaftlich belegt wäre. Die Ursachen des CFS seien unklar, infolgedessen existierten noch keine gezielten Therapien. Auch die medizinische Wissenschaft diskutiere lediglich, wie man gegen die Symptome vorgehen könne.

Daher müsse die Krankenkasse hier ausnahmsweise ihren Leistungskatalog erweitern, so die Schlussfolgerung des Gerichts, auch wenn nach ihren allgemein geltenden Maßstäben die Kostenübernahme für die betreffenden Arzneimittel ausgeschlossen sei.

Mutter will sich ihrem nichtehelichen Kind widmen

Sie muss für ihre zwei Kinder aus einer geschiedenen Ehe nicht mehr zahlen

Eine Frau hatte aus einer geschiedenen Ehe zwei minderjährige Kinder, für die ihrem Ex-Mann das Sorgerecht übertragen worden war. Sie musste für die Kinder Unterhalt zahlen. Dann ging aus der Beziehung zu einem neuen Partner, mit dem sie ohne Trauschein zusammenwohnte, ein weiterer Sprössling hervor.

Die Mutter gab ihren Job auf, um das Baby zu betreuen. Deshalb sah sich die Frau nun nicht mehr in der Lage, weiterhin monatliche Zahlungen an ihre Kinder aus der geschiedenen Ehe zu leisten. Doch der Ex-Mann bestand darauf und zog vor Gericht. Der Bundesgerichtshof machte deutlich, dass der Fall anders zu beurteilen sei, als wenn die Frau wieder geheiratet hätte (XII ZR 209/94).

Wäre die Frau mit dem neuen Partner verheiratet, so müsste dieser auf ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern aus erster Ehe Rücksicht nehmen. Entsprechende Rechte und Bindungen fehlten jedoch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Daher habe die Mutter ihre Arbeit aufgeben dürfen, um das jüngste Kind versorgen zu können. Für den Nachwuchs aus ihrer geschiedenen Ehe müsse sie deshalb keinen Unterhalt mehr leisten.

Schlechte Note im Arztbewertungsportal

Kurzartikel

Verlangt ein Mediziner, der auf einem Arztbewertungsportal schlecht bewertet wurde, die Bewertung zu löschen, muss der Portalbetreiber dieser Forderung nicht nachkommen, wenn der Arzt wahrheitswidrig behauptet, dass er die betreffende Patientin nicht behandelt hat. Der Hostprovider hat seine Prüfpflichten erfüllt, wenn er eine Stellungnahme der Patientin eingeholt hat und diese ein Behandlungsverhältnis belegen konnte.

Aids durch verseuchtes Blutplasma

Aidskranker erhielt 1988 eine relativ niedrige Entschädigung: Vergleich mit dem Hersteller hat trotzdem Bestand

Ein Patient wurde durch die Behandlung mit Blutplasma mit Aids infiziert und forderte vom Hersteller Entschädigung. Die Verhandlungen mit der Versicherung des Herstellers endeten im April 1988 mit einem Vergleich: Der Infizierte bekam 75.000 DM, damit sollten alle seine Ansprüche wegen der Erkrankung abgegolten sein.

Da es mittlerweile viel höhere Abfindungen bei HIV-Infektionen durch Blutplasma gibt, wollte der Betroffene seinen Fall neu aufrollen lassen. Heute würden Abfindungen bis 450.000 DM gezahlt, so sein Argument: Verglichen damit, sei er 1988 mit einem "Discountvergleich" abgespeist worden.

Das Landgericht Heidelberg verkannte zwar nicht die Tragik, die der unverrückbare Vergleich für den Aidskranken bedeutet (2 O 168/94). Die Vereinbarung habe aber gerade den Streit über die Abfindung beenden sollen. Es verstieße gegen das Wesen eines Vergleichs, würde man jetzt erneut über die Höhe der Entschädigung streiten.

Namensangleichung bei Geschwistern?

Standesamt darf Familiennamen nicht ohne Entscheidung der Eltern angleichen

Das erste Kind des unverheirateten Paares, ein Sohn, wurde 2014 geboren. Die Mutter bekam seinerzeit das alleinige Sorgerecht zugesprochen, der Junge erhielt ihren Nachnamen. 2018 bekam das Paar eine Tochter. Diesmal einigte sich das Paar auf ein gemeinsames Sorgerecht für beide Kinder. Für das Mädchen wählten die Eltern den Nachnamen des Vaters.

Ohne ihr Wissen glich das Standesamt den Geburtsnamen des Sohnes dem Nachnamen der Schwester an. Dass nun beide Kinder den Familiennamen des Vaters trugen, passte allerdings der Mutter nicht. Sie beantragte bei Gericht, den Nachnamen des Sohnes im Geburtsregister erneut zu ändern. Zu Recht, entschied der Bundesgerichtshof (XII ZB 504/21).

Die Eltern hätten nicht erklärt, dass der Sohn einen neuen Nachnamen erhalten sollte. Wenn sie für die neugeborene Tochter gemeinsam einen Familiennamen wählten, dürfe das Standesamt nicht automatisch den Nachnamen des älteren Kindes diesem Familiennamen angleichen. Das setze vielmehr eine bewusste Entscheidung der sorgeberechtigten Eltern voraus. Bis zum 14. Geburtstag des Kindes seien die Eltern dafür gemeinsam zuständig, danach das Kind selbst.

Erblasser war dement

Sein früherer Lebenspartner verliert durch eine neue Heirat nicht zwangsläufig das Erbrecht

Ein älterer Herr hatte 2005 ein Testament verfasst und seine Tochter sowie seinen Lebenspartner, Herrn V, als Erben eingesetzt. 2016 konnte der Mann wegen weit fortgeschrittener Demenz von Herrn V nicht mehr zuhause betreut werden. Er kam in ein Pflegeheim. V heiratete 2020 einen neuen Partner, ein halbes Jahr später starb der Erblasser im Pflegeheim.

V beantragte beim Nachlassgericht einen (Mit-)Erbschein. Doch die Tochter legte Widerspruch ein und focht das Testament an: Ihr Vater hätte es sicher geändert und seinen Lebenspartner nicht als Erben eingesetzt, wenn er gewusst hätte, dass sich V — noch zu seinen Lebzeiten — einem anderen Mann zuwenden würde.

Mit dieser Argumentation war das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg nicht einverstanden (3 W 55/22). Eine Erbeinsetzung könne zwar unwirksam werden, wenn ihr Motiv eine nicht mehr existente Lebensgemeinschaft gewesen sei, räumte das OLG ein. Wenn ein Ehepartner oder Lebenspartner den Erblasser/die Erblasserin verlasse, um eine neue Beziehung einzugehen, könne dies dazu führen, dass ein Testament zu Gunsten des Partners keinen Bestand habe.

Anders sei die Situation jedoch zu bewerten, wenn der Erblasser das Testament auch für diesen Fall so gewollt hätte. (Juristen sprechen dann vom "hypothetischen Willen".) Ein derartiger Ausnahmefall liege hier vor. Die Partner hätten sich nicht auseinandergelebt oder zerstritten. Herr V habe auch keineswegs die Beziehung zum Erblasser beendet, um sich einem neuen Partner zuzuwenden.

Vielmehr habe es die Demenz des Erblassers für die Partner unmöglich gemacht, ihre Lebensgemeinschaft in der bisherigen Art und Weise fortzusetzen. V habe den Erblasser im Heim regelmäßig besucht und so seine anhaltende Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Umständen führe eine neue Partnerschaft nicht zum Verlust des Erbrechts. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Testament nach dem (hypothetischen) Willen des Erblassers Bestand haben sollte.

Schwangere Mazedonierin wird nicht abgeschoben

Bei einer Abschiebung ist auch die Staatsangehörigkeit des Kindes zu beachten

Das nichteheliche Kind einer ausländischen Mutter und eines deutschen Vaters kann die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben - wenn die Vaterschaft feststeht. Vor diesem Hintergrund wehrte sich eine junge Frau aus Mazedonien dagegen, dass sie abgeschoben werden sollte: Sie erwarte ein Kind von ihrem deutschen Lebensgefährten. Man könne sie also nicht in ihre Heimat zurückschicken, denn davon wäre auch ihr Kind betroffen.

Das Verwaltungsgericht Greifswald sprach der Schwangeren ein Bleiberecht zu, da das Kind voraussichtlich die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen werde (2 B 910/94). Deutsche aber dürften sich selbstverständlich im Bundesgebiet aufhalten. Diesem Recht widerspräche eine Abschiebung der Mutter, mit der man vollendete Tatsachen schaffen würde. Deshalb müsse man ihrer eidesstattlichen Versicherung Glauben schenken, dass sie von einem Deutschen schwanger sei.

Das Gericht verwarf die gegenteilige Ansicht, wonach ein Kind jedenfalls im Aufenthaltsrecht die Staatsangehörigkeit erst mit der Geburt erwirbt. Diese Betrachtungsweise sei zu formalistisch und lebensfremd.

Die Frau dürfe auch deshalb in Deutschland bleiben, weil man nur so das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft überhaupt durchführen könne. In der Heimat der Betroffenen sei das mit Unwägbarkeiten verbunden. Ihr das Bleiberecht zu versagen, würde auch deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, weil die schwangere Frau minderjährig und ohne Vater sei.