Geld & Arbeit

Ehemann katholisch, Ehefrau evangelisch

Finanzamt muss getrennte Kirchensteuerbescheide erlassen

In Deutschland sind die staatlichen Finanzbehörden dafür zuständig, die Kirchensteuer festzusetzen und einzutreiben. Das gilt jedenfalls für die beiden großen christlichen Konfessionen. Ein katholischer Ehemann war jedoch nicht damit einverstanden, dass das Finanzamt in einem Bescheid die Kirchensteuer seiner evangelischen Frau festsetzte, der an beide Eheleute gerichtet war.

Der Bundesfinanzhof gab dem Mann Recht (I R 132/93). Eine Kirche könne nur von ihren eigenen Mitgliedern Steuern erheben. Wenn Ehepartner verschiedenen Konfessionen angehörten, dürfe der Bescheid zur evangelischen Kirchensteuer daher nur an den evangelischen Glaubensangehörigen adressiert werden. Der Steuerbescheid sei unwirksam, soweit er sich an den Ehemann wende.

Unzulässige Vertragsklausel eines Fertighausanbieters

Für mangelhafte Bauteile wollte er nur haften, wenn sie gemäß den Herstellervorschriften gewartet wurden

Ein Verbraucherschutzverband beanstandete mehrere Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Fertighausanbieters, weil sie die Kunden unangemessen benachteiligten. Darunter diese Klausel: Für Bauteile, die regelmäßig gewartet werden müssen, übernimmt die Firma Gewährleistung nur dann, "wenn hierfür entsprechende Wartungen gemäß den Herstellervorschriften nachgewiesen werden".

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz erklärte die Klausel für unwirksam (2 U 63/22). Die Gewährleistung für Mängel per AGB-Klausel auszuschließen, sei unzulässig. Und so, wie die betreffende Klausel formuliert sei, komme sie einem Ausschluss gleich, stellte das OLG fest. Denn die Firma mache ihre Haftung für einzelne Bauteile von einer Bedingung abhängig, die vom Gesetz überhaupt nicht vorgesehen sei.

Bei Mängeln einzelner Bauteile — sofern sie regelmäßig gewartet werden müssen — unterlaufe die Firma mit dieser Klausel die Rechte der Bauherren, indem sie ihre Haftung an den Nachweis der Wartung gemäß Herstellervorschriften knüpfe. Laut Gesetz lägen dann zwar die Voraussetzungen für eine Haftung vor — nach der AGB-Klausel hätten die Bauherren trotzdem kein Recht auf Nachbesserung.

Krankgeschriebener Arbeitnehmer baut Gartenmauer

Ein Detektiv filmte ihn durch ein Loch in der Hecke: Ist die Kündigung wirksam?

Seit über 30 Jahren arbeitete Herr B für seine Firma als Betontechnologe. Im November 2020 meldete er sich krank, weil er an der Schulter operiert werden musste. Abgesehen von wenigen Tagen erschien B über ein Jahr lang nicht im Betrieb. Immer neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Ärzte machten den Arbeitgeber misstrauisch. Er engagierte im September 2021 einen Detektiv, der feststellen sollte, ob "das mit rechten Dingen" zuging.

Der Detektiv beobachtete B bei Arbeiten in seinem Garten und filmte ihn durch ein Loch in der Hecke. Daraufhin wurde B fristlos entlassen. Der Arbeitgeber warf ihm vor, eine Terrasse gepflastert und eine Mauer gebaut zu haben. Sogar einen Zwei-Takt-Stampfer habe der angeblich erkrankte Mann bedient. Entweder er habe die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht oder gegen seine Pflicht verstoßen, alles, was möglich sei, für seine Genesung zu tun.

Herr B erhob Kündigungsschutzklage: Er habe nur dem Schwiegersohn ein wenig geholfen und mit dem Bodenstampfer kurz die Belastungsfähigkeit der Schulter getestet: Das stelle kein genesungswidriges Verhalten dar. Im Betrieb dagegen müsste er acht Stunden lang Schwerarbeit verrichten. Das heimliche Filmen habe außerdem seine Persönlichkeitsrechte verletzt.

In diesem Punkt gab das Landesarbeitsgericht Nürnberg Herrn B Recht (1 Sa 250/22). Die Aufnahmen seien gerichtlich nicht verwertbar. Ohne konkrete Verdachtsmomente — auf eine Straftat oder schwere Pflichtverletzung — hätte der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht auf seinem privaten Grundstück heimlich überwachen lassen dürfen. Das Gericht könne keinen Anlass erkennen, der so eine Maßnahme gerechtfertigt hätte.

Unabhängig davon stehe jedoch aufgrund seiner eigenen Aussagen fest, dass Herr B eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Dass man mit einer operierten Schulter keinen Bodenstampfer bedienen dürfe, der erhebliche Schwingungen verursache, verstehe sich von selbst. Das Fehlverhalten des Arbeitnehmers sei allerdings nicht so gravierend, dass die Zusammenarbeit für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar wäre. Eine fristlose Kündigung komme nur als letztes Mittel in Betracht.

Zu berücksichtigen sei dabei auch die lange Beschäftigungsdauer und die Tatsache, dass die Firma keine Entgeltfortzahlung mehr leisten müsse. B erhalte schon länger Krankengeld von der Krankenkasse. Vor der Kündigung hätte der Arbeitgeber B jedenfalls abmahnen müssen. Auch wenn die Firma behaupte, dass so eine Warnung nichts bewirkt hätte — das stehe keineswegs fest. Es sei sogar wahrscheinlich, dass sich der Arbeitnehmer durch eine Abmahnung von einer erneuten Pflichtverletzung hätte abhalten lassen.

Sperrzeit überschritten - Geldbuße für Wirtin

Die Sperrzeit gilt nur für die Bewirtung von Gästen, nicht fürs Personal

Weil sie die Sperrstunde um 2.00 Uhr missachtet habe und sich in ihrem Lokal um 3.10 Uhr noch Gäste am Tresen "vor teilweise gefüllten Gläsern" aufgehalten hätten, verhängte das kommunale Gewerbeaufsichtsamt gegen eine Wirtin ein Bußgeld. Dagegen wehrte sie sich und behauptete, die so spät noch anwesenden Personen hätten zum Personal gehört.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf, weil der Amtsrichter die Aussage der Gastwirtin nicht überprüft hatte (3 ObOWi 112/94). Falls tatsächlich nur Angestellte "nach getaner Arbeit" gesellig beisammen gewesen seien, habe es sich nicht um Gäste gehandelt. Es sei anzunehmen, dass das Personal für die Getränke nichts habe zahlen müssen. Die Wirtin sei also um diese Zeit nicht mehr ihrem Gewerbe nachgegangen. Von einem privaten Charakter des Zusammenseins sei auch dann auszugehen, wenn dabei betriebliche Angelegenheiten, zum Beispiel die bessere Bedienung der Gäste, besprochen worden wären.

Werbung für Meditonsin versprach zu viel

Kurzartikel

Die NRW-Verbraucherzentrale setzte das Verbot einiger Werbeaussagen durch, mit denen der Anbieter des homöopathischen Mittels Meditonsin im Internet geworben hatte. Das betraf die Aussage, Meditonsin reduziere die "Intensität der typischen Erkältungssymptome" "rasch und zuverlässig" sowie ähnliche Behauptungen. Dies sei irreführend, so das Landgericht Dortmund. Solche Aussagen erweckten den falschen Eindruck, erkältete Patienten könnten mit Gewissheit Besserung erwarten, wenn sie das Mittel einnehmen.

Während der Online-Prüfung gechattet

Studentin wird wegen schwerer Täuschung exmatrikuliert

Studentin S schrieb im Sommer 2021 im Bachelorstudiengang "Öffentliche Verwaltung" eine Online-Klausur. Dem Dozenten und Prüfer wurden danach Screenshots von einem Messenger-Chat-Verlauf zugespielt. So flog auf, dass sich zahlreiche Studenten während der Prüfung über die Klausurthemen ausgetauscht hatten. Gegen die Mitglieder der Chat-Gruppe wurde eine Untersuchung eingeleitet, u.a. wurde Frau S wegen schwerer Täuschung exmatrikuliert.

Dagegen zog die Studentin vor Gericht, ihre Klage scheiterte jedoch beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin (12 K 52/22). Die Maßnahme sei rechtmäßig, erklärte das VG, denn Frau S habe sich während der dreistündigen Bearbeitungszeit mit anderen Prüflingen intensiv über die Prüfungsfragen ausgetauscht. Sie habe Antworten auf Fragen von Kommilitonen mitgelesen, selbst Fragen gestellt und Stellung bezogen.

Die Studentin habe auch Screenshots von Antworten auf die Fragen im Multiple-Choice-Teil der Klausur einsehen können. Für so eine schwerwiegende Täuschung sehe die Prüfungsordnung die Exmatrikulation vor, Frau S müsse also die Hochschule verlassen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Stellungnahmen und Antworten inhaltlich zutreffend gewesen seien und tatsächlich dabei geholfen hätten, die Klausur zu bearbeiten.

Es spiele auch keine Rolle, dass die Hochschule die Chat-Gruppe ursprünglich selbst eingerichtet habe. Nur die Studenten selbst hätten die Verantwortung dafür, dass sie die Prüfung ohne unerlaubte Hilfe ablegten. Da bei Online-Klausuren regelmäßig getäuscht werde, dürfe die Hochschule dieses Fehlverhalten mit dem scharfen Mittel Exmatrikulation sanktionieren und auf dessen abschreckenden Effekt setzen.

Steuerbonus für ein Hausnotrufsystem?

Alarmiert der "Piepser" nicht direkt die Nothilfe, handelt es sich nicht um eine haushaltsnahe Dienstleistung

Eine Seniorin hatte ihre Wohnung mit einem Hausnotrufsystem ausgestattet. Der Anbieter stellte das Hausnotruf-Gerät zur Verfügung, damit konnte die Frau im Notfall den Kontakt zu einem 24-Stunden-Bereitschaftsservice herstellen. Bei Notrufen schaltete dann die Servicezentrale gegebenenfalls Dritte ein — z.B. einen Rettungsdienst —, die vor Ort Hilfe leisten konnten.

Beim Finanzamt beantragte die Steuerzahlerin für die Kosten des Hausnotrufsystems den Steuerbonus für haushaltsnahe Dienstleistungen. Die Steuerbehörde lehnte die Steuerermäßigung ab. Den folgenden Rechtsstreit entschied der Bundesfinanzhof zu Gunsten des Finanzamts (VI R 7/21).

Voraussetzung für den Steuerbonus sei, dass die vereinbarte Dienstleistung im Haushalt der Steuerpflichtigen erbracht werde. Das treffe hier nicht zu. Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn der Notruf direkt eine Pflegekraft alarmiere, die vor Ort die Notfallhilfe übernehme. Dies sei zum Beispiel bei den Piepsern in einer Seniorenresidenz der Fall.

Im konkreten Fall zahle die Seniorin aber nur für das Gerät und für die Rufbereitschaft. Notrufe würden in der Servicezentrale des Anbieters entgegengenommen und, falls nötig, an einen Pflegedienst oder Rettungsdienst weitergeleitet. Diese Leistung des Hausnotruf-Anbieters erfolge außerhalb der Wohnung und damit nicht im Haushalt der Steuerzahlerin.

Elektronische Zeiterfassung im Betrieb

Arbeitnehmer müssen sich auch während kurzer Pausen "ausstempeln", andernfalls ist es Arbeitszeitbetrug

Die Raumpflegerin gehörte zur Putzkolonne eines größeren Betriebs. Eines Tages stempelte sie sich zu Beginn ihrer Arbeitszeit bei der elektronischen Zeiterfassung ein. Anschließend ging die Frau ins benachbarte Lokal, um einen Kaffee zu trinken — allerdings, ohne sich auszustempeln. Der Chef hatte sie beobachtet und den Fehler bemerkt. Nach ihrer Rückkehr sprach er die Arbeitnehmerin darauf an.

Zunächst stritt sie alles ab. Dass sie sich nicht ausgestempelt hatte, gab sie erst zu, als der Chef sagte, er könne ihr Beweisfotos auf seinem Handy zeigen. Nach diesem Gespräch wurde die Raumpflegerin fristlos entlassen und erhob Kündigungsschutzklage. Begründung: Die Kündigung sei unverhältnismäßig, da es sich um ein einmaliges und geringfügiges Vergehen gehandelt habe. Schließlich sei es nur um eine Kaffeepause von zehn Minuten gegangen.

Doch das Landesarbeitsgericht Hamm fand, ihr Fehlverhalten rechtfertige eine fristlose Kündigung (13 Sa 1007/22). Die Arbeitnehmerin habe sich eingestempelt und sei wieder gegangen, ohne sich auszustempeln: So ein Missbrauch der elektronischen Stempeluhr sei ein Vertrauensbruch und zudem Arbeitszeitbetrug, auch wenn es nur eine kurze Pause gewesen sei. Entscheidend sei vor allem das Verhalten der Arbeitnehmerin nach der Kaffeepause.

Als der Chef sie zur Rede stellte, habe sie ihn angelogen und ihren Fehler geleugnet. Unter diesen Umständen sei es für den Arbeitgeber unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen — obwohl es sich um ein einmaliges Vergehen gehandelt habe. Auch ohne vorherige Abmahnung sei hier die fristlose Kündigung wirksam. Arbeitgeber müssten sich darauf verlassen können, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit korrekt dokumentierten.

Corona-Test vor dem Training

Die Corona-Schutzvorschriften rechtfertigten es nicht, einen Fitnessstudio-Vertrag zu kündigen

Im Frühjahr 2021 hatte Frau D mit der Inhaberin eines Fitnessstudios einen Vertrag abgeschlossen. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 18 Monaten mit Beginn am 1. Juli, das monatliche Entgelt betrug 74 Euro. Im Juli begann Frau D mit dem Training. Doch schon nach einem Monat überlegte es sich die Kundin anders und kündigte. Ab August zahlte sie keinen Mitgliedsbeitrag mehr, obwohl sie mehrmals abgemahnt wurde.

Ihre Kündigung begründete Frau D im folgenden Rechtsstreit mit den Corona-Vorschriften: Sie habe sich aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen nicht gegen Corona impfen lassen können. Deshalb habe sie den Vertrag außerordentlich kündigen dürfen.

Die Studioinhaberin hielt die Kündigung für unwirksam und forderte von Frau D die Zahlung der Mitgliedsbeiträge: Die Kundin hätte jederzeit im Studio trainieren können, wenn sie sich an die staatlichen Auflagen gehalten hätte. Wer sich nicht impfen lassen wollte, habe sich testen lassen können.

Das Amtsgericht München gab der Studioinhaberin Recht (161 C 2028/22). Die Kundin müsse die ausstehenden Beiträge (insgesamt 1.184 Euro) zahlen. Auch für Kunden, die sich nicht impfen lassen konnten oder wollten, habe während der Pandemie kein außerordentliches Kündigungsrecht bestanden, so das Amtsgericht.

Frau D hätte nämlich auch ohne Corona-Impfung trainieren können. Corona-Tests durchzuführen, um das Studio nutzen zu können, sei für die Kunden während der Pandemie durchaus zumutbar gewesen. Das Fitnessstudio habe im fraglichen Zeitraum allen Kunden offen gestanden, die bereit waren, die Corona-Schutzvorschriften einzuhalten.

Gartentor vom Sturm beschädigt

Ist die Reparatur teurer als ein neues Tor, muss die Gebäudeversicherung deren Kosten nicht erstatten

Nach einem Sturm musste eine Hauseigentümerin einige Schäden am Anwesen feststellen. Unter anderem war das rechte Torelement des Gartentores aus dem Scharnier gerissen worden. Die Frau meldete die Schäden ihrer Wohngebäudeversicherung — wegen des Gartentors kam es zum Streit.

Eine von der Hauseigentümerin beauftragte Firma hatte in ihrem Kostenvoranschlag die Reparaturkosten für das Tor auf 5.700 Euro brutto geschätzt. Doch der Sachverständige der Versicherung erklärte eine Reparatur für "unwirtschaftlich". Den rechten Torflügel gegen einen neuen auszutauschen, koste höchstens 1.500 Euro. Die Versicherungsnehmerin ließ das Tor dennoch reparieren und forderte von der Versicherung Kostenersatz.

Unstrittig sei, dass das Unternehmen im Prinzip für den Schaden einstehen müsse, so das Oberlandesgericht Saarbrücken (5 U 30/22). Ein Sturm habe den Torflügel aus der Verankerung gerissen und das Gartentor gehöre zu den mitversicherten Sachen.

Die Versicherung schulde der Hauseigentümerin aber nur den Betrag, der notwendig sei, um den Schaden zu beseitigen. Welche Kosten der von der Versicherungsnehmerin eingereichte Kostenvoranschlag nenne und welchen Betrag sie tatsächlich für die Reparatur aufgewandt habe, sei nicht von Belang.

Hier komme es nur darauf an, welche Kosten objektiv erforderlich waren, um das Gartentor wiederherzustellen. Der gerichtliche Sachverständige habe erläutert, der Einbau eines vergleichbaren, neuwertigen Gartentores koste 2.450 Euro brutto. Richtigerweise sei er davon ausgegangen, dass ein neues Tor beschafft und nicht nur der beschädigte Torflügel ausgetauscht werden müsse.

Bei der Kalkulation habe der Sachverständige die Kosten der Demontage des beschädigten Tores berücksichtigt und die Montagekosten eines baugleichen, feuerverzinkten Tores. Mehr als den doppelten Betrag für eine Reparatur des alten Tores auszugeben, das ohne Nachteil für die Versicherungsnehmerin ausgetauscht werden könne, wäre wirtschaftlich unvernünftig. Also müsse der Versicherung diese Kosten auch nicht ersetzen.

Gewinnausschüttung für Sparkassenangestellte

Der Personalrat hat nur bei der Höhe der Beteiligung mitzureden

Der Personalrat einer Sparkasse in Schleswig-Holstein verlangte, ein Teil der von dem Kreditinstitut vereinnahmten Provisionen müsse an die Beschäftigten ausgeschüttet werden. Ein derartiges Mitbestimmungsrecht lehnte die Sparkasse jedoch ab.

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht bestätigte, dass der Personalrat die Beteiligung am Gewinn nicht erzwingen kann (12 L 9/93). Zum einen stehe die Sparkasse im Wettbewerb zu privaten Banken. Daher gebe es im Kernbereich unternehmerischer Entscheidungen grundsätzlich keine Mitbestimmung. Zum anderen sei die Gewinnausschüttung Bestandteil des Haushalts einer Sparkasse, der von ihren demokratisch gewählten Gremien aufgestellt werde.

Anders wäre die Lage zu beurteilen, wenn sich das Unternehmen im Prinzip bereits dazu entschlossen hätte, Gewinne auszuschütten. Wenn es nur noch um die Frage gehe, wie hoch die Beteiligung der Mitarbeiter ausfallen solle, dürfe der Personalrat laut Gesetz mitbestimmen.

Spurwechsel führt zu Verkehrsunfall

Der Unfallgegner haftet zu 25 Prozent mit, weil er auf der Autobahn mit 200 km/h unterwegs war

Als Autofahrerin A auf der Autobahn auf die linke Spur wechselte, um einen Laster zu überholen, übersah sie den von hinten mit ca. "200 Sachen" heranbrausenden Wagen von Herrn B. Da Frau A nur etwa 130 km/h schnell fuhr, kam es zum Auffahrunfall. Die Autofahrerin gab dem "Raser" die Schuld und forderte Entschädigung für den Schaden an ihrem Auto.

Doch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig beantwortete die Schuldfrage anders (7 U 41/22). Autofahrer dürften die Spur nur wechseln, wenn jede Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Spurwechsler treffe eine "besondere Sorgfaltspflicht". Ereigne sich bei einem Spurwechsel ein Unfall, liege das in der Regel daran, dass der Spurwechsler nicht umsichtig genug vorgegangen sei, betonte das OLG.

Und das sei auch hier der Fall, obwohl Frau A behaupte, sie sei vor der Kollision mindestens schon zehn Sekunden auf der linken Fahrspur gefahren. Wenn das zuträfe, hätte sie den großen Wagen von Herrn B auf dieser geraden Strecke im Rückspiegel geraume Zeit vor dem Unfall bemerken müssen. Angeblich habe sie ihn aber erst "direkt vor dem Krach" im linken Außenspiegel gesehen — dies spreche gegen ihre Darstellung, dass der Spurwechsel zum Unfallzeitpunkt bereits beendet war.

Frau A habe den Unfall überwiegend selbst verschuldet. Allerdings müsse Autofahrer B für 25 Prozent der Unfallfolgen mithaften, weil er deutlich schneller als mit Richtgeschwindigkeit unterwegs war. Zwar bestehe auf diesem Streckenabschnitt kein Geschwindigkeitslimit, gegen das Herr B verstoßen hätte. Grundsätzlich rechtfertige aber eine so hohe Geschwindigkeit eine Mithaftung, weil sie das Unfallrisiko vergrößere. Häufig reagierten nämlich die anderen Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht richtig und unterschätzten die Geschwindigkeit.

Strittige Alternativtherapien

Die private Krankenversicherung übernahm eineinhalb Jahre die Behandlungskosten: Vertrauensschutz?

Nach einem Herzinfarkt litt eine Patientin dauerhaft unter Herzproblemen, Blockierungen der Wirbelsäule, heftigen Kopfschmerzen und anderen Beschwerden. Sie vertraute auf einen Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, der bei ihr alternative, wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Therapien anwandte (Photonentherapie, Ozontherapie). Mit geringen Abzügen erstattete die private Krankenversicherung der Frau eineinhalb Jahre lang die Behandlungskosten.

Dann forderte das Unternehmen ausführliche Befunde und kündigte schriftlich an, den Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin genau zu prüfen. Dabei kam die Versicherung zu dem Ergebnis, die Leistungen seien größtenteils nicht als medizinisch notwendig einzustufen. Die letzte Rechnung belaufe sich auf 9.542 Euro, davon würden nur 1.679 Euro erstattet. Die Zahlungsklage der Patientin führte beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe nur zu einem Teilerfolg (12 U 194/22).

Nach den Versicherungsbedingungen sei das Unternehmen nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, bestätigte das OLG: Die Wirksamkeit der betreffenden Therapien sei nicht erwiesen, als medizinisch notwendig seien sie nicht anzusehen. Grundsätzlich gelte: Der Versicherer könne seine Leistungspflicht bei jeder Behandlung neu prüfen, auch dann, wenn der Krankheitszustand des/der Versicherten unverändert sei. Mit der Kostenübernahme lege er sich nicht für die Zukunft fest.

Trotzdem müsse der Versicherer hier ausnahmsweise einen Teil der Kosten übernehmen (4.234 Euro). Würden Behandlungskosten über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos erstattet, werde der Versicherungsnehmer darauf vertrauen, dass dies so bleibe. Das begründe allerdings, wie ausgeführt, noch keine Leistungspflicht. Im konkreten Fall habe jedoch das Vertrauen der Versicherten auf die Kostenübernahme ihre Entscheidung zu Gunsten der fraglichen Behandlung stark beeinflusst und das sei für den Versicherer erkennbar gewesen.

Daher sei es gerechtfertigt, dem Versicherer einen Teil der Kosten aufzuerlegen. Krankheit und Behandlungsmethoden seien im fraglichen Zeitraum gleichgeblieben. Bevor der Versicherer der Versicherten eine genaue Prüfung ankündigte, habe er die Kosten eineinhalb Jahre lang ohne Vorbehalte erstattet. Dass er dabei regelmäßig kleine Abzüge vornahm, habe die Frau nur so verstehen können, dass die Rechnungen geprüft und im Umfang der Kostenübernahme gebilligt worden seien.

Sparkassentrick bei Bankgebühren

Bankkunden mussten mit der Unterschrift auf Überweisungen auch den AGB der Sparkasse zustimmen

Im April 2021 hat der Bundesgerichtshof Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank für unwirksam erklärt. Es ging um Klauseln, nach denen ein "Schweigen" der Kunden zu Änderungen der AGB und/oder der Bankgebühren als Zustimmung gewertet wurde (onlineurteile-Artikel Nr. 56828). Wenig überraschend verfielen Banken und Sparkassen nach diesem Urteil auf andere dubiose Methoden, um die Bankkunden zum Einverständnis mit Preiserhöhungen zu bewegen.

Neues Beispiel: Die Sparkasse Wittenberg hat ihre Überweisungsformulare so gestaltet, dass Kontoinhaber mit ihrer Unterschrift unter die Überweisung zugleich in die AGB und in das Preis- und Leistungsverzeichnis der Sparkasse einwilligten. Dieses aggressive geschäftliche Handeln verstoße gegen Grundsätze des Vertragsrechts, kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband: Verbraucher könnten dadurch eine vertraglich vereinbarte Leistung des Kreditinstituts, das Überweisen von Beträgen, nicht mehr nutzen, ohne einer Vertragsänderung zuzustimmen.

Auf diese Weise bringe die Sparkasse ihre Kunden in eine Zwangslage, fand auch das Landgericht Dessau-Roßlau (4 O 643/22). Ohne Unterschrift führe die Sparkasse keine Überweisungsaufträge aus. Damit setze sie die Kontoinhaber unter Druck, den Änderungen zuzustimmen — diese Praxis sei unzulässig. Die Sparkasse enge die Entscheidungsfreiheit der Kunden ein und beeinträchtige sie in der Ausübung ihrer Rechte. Mit solchen Zusätzen im Unterschriftsfeld des Überweisungsformulars müssten Verbraucher nicht rechnen.

Bremst der Tesla-Tempomat zu "selbständig"?

Ein Mangel liegt nur vor, wenn der Autopilot nicht dem aktuellen "Stand der Technik" entspricht

Der Käufer eines Tesla Model 3 forderte vom Hersteller ein Ersatzfahrzeug, weil er seinen 45.990 Euro teuren Wagen mangelhaft fand. Der Tempomat halte die eingestellte Geschwindigkeit häufig nicht, beanstandete der Käufer. Vielmehr bremse der Autopilot selbständig, ohne vorherige Warnung und auch ohne erkennbare Hindernisse oder Verkehrszeichen.

Der Autohersteller sah darin keinen Mangel, lehnte eine Nachlieferung ab und ließ es auf eine Klage ankommen. Das Landgericht München I und das Oberlandesgericht (OLG) München gaben ihm Recht (8 U 1627/22). Mangelhaft wäre der Wagen nur, wenn er nicht so beschaffen wäre wie bei "Sachen der gleichen Art üblich" und wie es "der Käufer nach Art der Sache erwarten" könne. Vergleichen könne man den Tesla nur mit Fahrzeugen, die ebenfalls mit GPS-unterstützten Abstands-Tempomaten ausgestattet seien, erklärte das OLG.

Der Autohersteller habe die Gründe für die angeblichen "Phantombremsungen" vor Gericht nachvollziehbar dargelegt und diese auch in ausführlichen Benutzerinformationen erläutert. Die Funktionsweise des Tempomaten hänge u.a. vom Kartenmaterial ab und damit von Drittanbietern, die die GPS-Daten zur Verfügung stellten. Verkehr verändere sich durch Umbaumaßnahmen und neue Verkehrsschilder ständig, das Kartenmaterial sei nicht immer 100-prozentig aktuell.

Deswegen könne bisher kein Hersteller garantieren, dass GPS-unterstützte Abstands-Tempomaten die eingestellte Geschwindigkeit immer einhalten. Einen völlig fehlerfreien Betrieb könnten die Käufer solcher Systeme (noch) nicht erwarten. Der Autohersteller habe aber die vom Käufer angegebenen "Problemstellen", an denen der Wagen unversehens bremste, korrigiert und das Kartenmaterial online verändert.

Der GPS-unterstützte Autopilot von Tesla entspreche damit dem derzeitigen "Stand der Technik". Wenn der "Stand der Technik" die Hoffnungen des Käufers enttäusche, stelle das keinen Mangel des Tesla dar. Im Übrigen rate das Tesla-Benutzerhandbuch: Bei selbständigem Bremsen des Tempomaten könne der Fahrer gegensteuern, indem er manuell beschleunige, also das Gaspedal betätige.

Europäischer Gerichtshof zur Bezahlung bei Leiharbeit

Niedrigerer Lohn für Leiharbeiter ist mithilfe des Tarifvertrags auszugleichen

Eine deutsche Leiharbeitnehmerin erhielt für die Arbeit bei dem Unternehmen, an das sie befristet ausgeliehen war, rund ein Drittel weniger Stundenlohn als die Stammbelegschaft. Laut dem Tarifvertrag, nach dem ihre Zeitarbeitsfirma zahlte, war das zulässig. Von der Gewerkschaft unterstützt, nahm die Frau den Kampf um gleichen Lohn für gleiche Arbeit auf: Sie klagte auf Zahlung des Differenzbetrags.

Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor: Er sollte die Frage beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Tarifvertrag vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern abweichen darf.

Leih- oder Zeitarbeiter dürfen nur dann schlechter bezahlt werden als Stammbeschäftigte, wenn diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ausgeglichen wird, so die Entscheidung des EuGH (C-311/21).

Wenn ein Tarifvertrag für Zeitarbeiter einen niedrigeren Arbeitslohn vorsehe, müsse er ihnen im Gegenzug andere wesentliche Vorteile gewähren — andernfalls wären Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nicht ausreichend geschützt. Da wäre zum Beispiel an zusätzliche Freizeit zu denken. EU-Mitgliedsstaaten müssten dafür sorgen, dass ihre Gerichte Tarifverträge auch unter diesem Gesichtspunkt wirksam kontrollierten.

Verwahrentgelt für Girokonto-Guthaben zulässig?

Kurzartikel

Anders als z.B. die Landgerichte Berlin und Düsseldorf hat das OLG Dresden das so genannte Verwahrentgelt für zulässig erklärt und eine Klage der Verbraucherzentrale Sachsen abgewiesen: Die beklagte Sparkasse dürfe den Kunden gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Entgelt dafür abverlangen, dass sie Guthaben auf dem Girokonto verwahrt. Das gilt laut den Sparkassen-AGB für neu eröffnete Girokonten bzw. bei Kontomodell-Wechseln und nur für Guthaben über 5.000 Euro. Das OLG ließ wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung die Revision zum Bundesgerichtshof zu.

Bildungsziel: Ehrfurcht vor Gott

Bayerische Verfassung darf dieses Bildungsziel weiterhin fordern

1988 war der Versuch eines Bürgers gescheitert, den Passus aus der Bayerischen Verfassung streichen zu lassen, in dem die Ehrfurcht vor Gott als eines der obersten Bildungsziele normiert wird. Jetzt entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof erneut über eine Popularklage, die mit demselben Ziel eingereicht worden war.

Die Richter in München wiesen die Klage ab, weil nach der Bayerischen Verfassung an den Schulen auch der Grundsatz der Toleranz zu beachten sei (Vf. 1-VII-93). Damit würden auch die Kinder berücksichtigt, die von ihren Eltern nicht zum Glauben an Gott erzogen würden. Es treffe nicht zu, dass atheistische Schüler zu Heuchlern erzogen werden sollten.

Man müsse die angegriffene Verfassungsbestimmung im geschichtlichen Zusammenhang des Landes sehen. Auch sei seit der gleichlautenden Entscheidung von 1988 kein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten, so dass die Popularklage erneut abzuweisen sei.

Bankmitarbeiter wird auf dem Weg zur Zentralbank in Unfall verwickelt

Wer haftet für den Zinsverlust durch das verspätete Einreichen der Schecks?

Der Mitarbeiter einer Bank in Mannheim fuhr mit dem Auto nach Frankfurt am Main, um Schecks im Wert von 31 Millionen DM bei der Landeszentralbank einzureichen. Er wurde in einen Auffahrunfall verwickelt, an dem ihn keine Schuld traf. Die beteiligten Autos waren nur leicht beschädigt. Dennoch bestand der Bankangestellte darauf, die Polizei zu holen: So entsprach es einer striktes Weisung seiner Arbeitgeberin.

Den Unfall aufzunehmen, dauerte allerdings ziemlich lange. In der Folge erreichte der Mitarbeiter die Landeszentralbank erst so spät, dass die Schecks nicht mehr am nächsten, sondern erst am übernächsten Werktag gutgeschrieben wurden. Für den Zinsverlust - fast 7.500 DM für diesen einen Tag - verlangte die Bank vom Unfallverursacher Schadenersatz.

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt gehört die Zinseinbuße zum entgangenen Gewinn, den der Schädiger ersetzen muss (22 U 86/93). Wäre es nicht zum Unfall gekommen, hätten die Schecks die Zentralbank "mit hoher Wahrscheinlichkeit" so zeitig erreicht, dass die Mannheimer Bank für einen Tag mehr Zinsen erhalten hätte. Der Schaden sei daher dem Unfallverursacher zuzurechnen.

Senioren-Paar darf erwachsenen Urenkel nicht adoptieren

Kurzartikel

Eine "Erwachsenenadoption" ist nur bei einer starken inneren Bindung "im Sinn eines Eltern-Kind-Verhältnisses" zulässig. Deshalb lehnte das OLG Oldenburg den Antrag eines alten Ehepaares ab, den erwachsenen Urenkel adoptieren zu dürfen. Gegen ein Eltern-Kind-Verhältnis sprächen hier der erhebliche Altersunterschied und das intakte Verhältnis des jungen Mannes zu seiner Mutter. Einige Indizien belegten, dass nur Erbschaftsteuer gespart werden solle: Das reiche nicht aus, um eine Adoption zu rechtfertigen.