Geld & Arbeit

Bremst der Tesla-Tempomat zu "selbständig"?

Ein Mangel liegt nur vor, wenn der Autopilot nicht dem aktuellen "Stand der Technik" entspricht

Der Käufer eines Tesla Model 3 forderte vom Hersteller ein Ersatzfahrzeug, weil er seinen 45.990 Euro teuren Wagen mangelhaft fand. Der Tempomat halte die eingestellte Geschwindigkeit häufig nicht, beanstandete der Käufer. Vielmehr bremse der Autopilot selbständig, ohne vorherige Warnung und auch ohne erkennbare Hindernisse oder Verkehrszeichen.

Der Autohersteller sah darin keinen Mangel, lehnte eine Nachlieferung ab und ließ es auf eine Klage ankommen. Das Landgericht München I und das Oberlandesgericht (OLG) München gaben ihm Recht (8 U 1627/22). Mangelhaft wäre der Wagen nur, wenn er nicht so beschaffen wäre wie bei "Sachen der gleichen Art üblich" und wie es "der Käufer nach Art der Sache erwarten" könne. Vergleichen könne man den Tesla nur mit Fahrzeugen, die ebenfalls mit GPS-unterstützten Abstands-Tempomaten ausgestattet seien, erklärte das OLG.

Der Autohersteller habe die Gründe für die angeblichen "Phantombremsungen" vor Gericht nachvollziehbar dargelegt und diese auch in ausführlichen Benutzerinformationen erläutert. Die Funktionsweise des Tempomaten hänge u.a. vom Kartenmaterial ab und damit von Drittanbietern, die die GPS-Daten zur Verfügung stellten. Verkehr verändere sich durch Umbaumaßnahmen und neue Verkehrsschilder ständig, das Kartenmaterial sei nicht immer 100-prozentig aktuell.

Deswegen könne bisher kein Hersteller garantieren, dass GPS-unterstützte Abstands-Tempomaten die eingestellte Geschwindigkeit immer einhalten. Einen völlig fehlerfreien Betrieb könnten die Käufer solcher Systeme (noch) nicht erwarten. Der Autohersteller habe aber die vom Käufer angegebenen "Problemstellen", an denen der Wagen unversehens bremste, korrigiert und das Kartenmaterial online verändert.

Der GPS-unterstützte Autopilot von Tesla entspreche damit dem derzeitigen "Stand der Technik". Wenn der "Stand der Technik" die Hoffnungen des Käufers enttäusche, stelle das keinen Mangel des Tesla dar. Im Übrigen rate das Tesla-Benutzerhandbuch: Bei selbständigem Bremsen des Tempomaten könne der Fahrer gegensteuern, indem er manuell beschleunige, also das Gaspedal betätige.

Europäischer Gerichtshof zur Bezahlung bei Leiharbeit

Niedrigerer Lohn für Leiharbeiter ist mithilfe des Tarifvertrags auszugleichen

Eine deutsche Leiharbeitnehmerin erhielt für die Arbeit bei dem Unternehmen, an das sie befristet ausgeliehen war, rund ein Drittel weniger Stundenlohn als die Stammbelegschaft. Laut dem Tarifvertrag, nach dem ihre Zeitarbeitsfirma zahlte, war das zulässig. Von der Gewerkschaft unterstützt, nahm die Frau den Kampf um gleichen Lohn für gleiche Arbeit auf: Sie klagte auf Zahlung des Differenzbetrags.

Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor: Er sollte die Frage beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Tarifvertrag vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern abweichen darf.

Leih- oder Zeitarbeiter dürfen nur dann schlechter bezahlt werden als Stammbeschäftigte, wenn diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ausgeglichen wird, so die Entscheidung des EuGH (C-311/21).

Wenn ein Tarifvertrag für Zeitarbeiter einen niedrigeren Arbeitslohn vorsehe, müsse er ihnen im Gegenzug andere wesentliche Vorteile gewähren — andernfalls wären Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nicht ausreichend geschützt. Da wäre zum Beispiel an zusätzliche Freizeit zu denken. EU-Mitgliedsstaaten müssten dafür sorgen, dass ihre Gerichte Tarifverträge auch unter diesem Gesichtspunkt wirksam kontrollierten.

Verwahrentgelt für Girokonto-Guthaben zulässig?

Kurzartikel

Anders als z.B. die Landgerichte Berlin und Düsseldorf hat das OLG Dresden das so genannte Verwahrentgelt für zulässig erklärt und eine Klage der Verbraucherzentrale Sachsen abgewiesen: Die beklagte Sparkasse dürfe den Kunden gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Entgelt dafür abverlangen, dass sie Guthaben auf dem Girokonto verwahrt. Das gilt laut den Sparkassen-AGB für neu eröffnete Girokonten bzw. bei Kontomodell-Wechseln und nur für Guthaben über 5.000 Euro. Das OLG ließ wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung die Revision zum Bundesgerichtshof zu.

Bildungsziel: Ehrfurcht vor Gott

Bayerische Verfassung darf dieses Bildungsziel weiterhin fordern

1988 war der Versuch eines Bürgers gescheitert, den Passus aus der Bayerischen Verfassung streichen zu lassen, in dem die Ehrfurcht vor Gott als eines der obersten Bildungsziele normiert wird. Jetzt entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof erneut über eine Popularklage, die mit demselben Ziel eingereicht worden war.

Die Richter in München wiesen die Klage ab, weil nach der Bayerischen Verfassung an den Schulen auch der Grundsatz der Toleranz zu beachten sei (Vf. 1-VII-93). Damit würden auch die Kinder berücksichtigt, die von ihren Eltern nicht zum Glauben an Gott erzogen würden. Es treffe nicht zu, dass atheistische Schüler zu Heuchlern erzogen werden sollten.

Man müsse die angegriffene Verfassungsbestimmung im geschichtlichen Zusammenhang des Landes sehen. Auch sei seit der gleichlautenden Entscheidung von 1988 kein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten, so dass die Popularklage erneut abzuweisen sei.

Bankmitarbeiter wird auf dem Weg zur Zentralbank in Unfall verwickelt

Wer haftet für den Zinsverlust durch das verspätete Einreichen der Schecks?

Der Mitarbeiter einer Bank in Mannheim fuhr mit dem Auto nach Frankfurt am Main, um Schecks im Wert von 31 Millionen DM bei der Landeszentralbank einzureichen. Er wurde in einen Auffahrunfall verwickelt, an dem ihn keine Schuld traf. Die beteiligten Autos waren nur leicht beschädigt. Dennoch bestand der Bankangestellte darauf, die Polizei zu holen: So entsprach es einer striktes Weisung seiner Arbeitgeberin.

Den Unfall aufzunehmen, dauerte allerdings ziemlich lange. In der Folge erreichte der Mitarbeiter die Landeszentralbank erst so spät, dass die Schecks nicht mehr am nächsten, sondern erst am übernächsten Werktag gutgeschrieben wurden. Für den Zinsverlust - fast 7.500 DM für diesen einen Tag - verlangte die Bank vom Unfallverursacher Schadenersatz.

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt gehört die Zinseinbuße zum entgangenen Gewinn, den der Schädiger ersetzen muss (22 U 86/93). Wäre es nicht zum Unfall gekommen, hätten die Schecks die Zentralbank "mit hoher Wahrscheinlichkeit" so zeitig erreicht, dass die Mannheimer Bank für einen Tag mehr Zinsen erhalten hätte. Der Schaden sei daher dem Unfallverursacher zuzurechnen.

Senioren-Paar darf erwachsenen Urenkel nicht adoptieren

Kurzartikel

Eine "Erwachsenenadoption" ist nur bei einer starken inneren Bindung "im Sinn eines Eltern-Kind-Verhältnisses" zulässig. Deshalb lehnte das OLG Oldenburg den Antrag eines alten Ehepaares ab, den erwachsenen Urenkel adoptieren zu dürfen. Gegen ein Eltern-Kind-Verhältnis sprächen hier der erhebliche Altersunterschied und das intakte Verhältnis des jungen Mannes zu seiner Mutter. Einige Indizien belegten, dass nur Erbschaftsteuer gespart werden solle: Das reiche nicht aus, um eine Adoption zu rechtfertigen.

Reise wegen Krankheit storniert

Kunde hatte den Flug mit Bonusmeilen bezahlt: Reiserücktrittskostenversicherung muss deren Wert ersetzen

Bei einer Fluggesellschaft hatte ein Kunde einen Hin- und Rückflug in die USA gebucht und mit Bonusmeilen aus dem Bonusprogramm des Unternehmens bezahlt. Einige Wochen später erkrankte er und musste die Amerikareise stornieren. Für die Stornogebühr sollte seine Reiserücktrittskostenversicherung aufkommen, die jedoch die Zahlung verweigerte: Da der Versicherungsnehmer die Reise mit Bonusmeilen finanziert habe, stehe ihm keine Entschädigung für die Rücktrittskosten zu.

Zunächst verlor der Mann den Rechtsstreit, erst beim Bundesgerichtshof (BGH) setzte er sich durch (IV ZR 112/22). Der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers sei nicht auf Geldleistungen beschränkt, entschied der BGH: Das widerspräche erstens dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen, wie ihn ein durchschnittlich informierter Versicherungsnehmer auffasse. Und zweitens dem Sinn und Zweck der Versicherung.

Im Versicherungsvertrag stehe: Wenn der Versicherungsnehmer die Reise nicht antreten könne, entschädige ihn die Versicherung für die dem Reiseunternehmen vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten. Der Begriff "Rücktrittskosten" umfasse alle Aufwendungen, die Kunden einsetzten, um die Reise zu finanzieren und die sie nach der Stornierung vom Reiseunternehmen nicht erstattet bekämen. Dazu gehörten auch eingesetzte Bonusmeilen.

So würden jedenfalls verständige Verbraucher die Vertragsklausel interpretieren. Von einer Einschränkung auf Geld oder Gutscheine sei hier nicht die Rede.

Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Versicherung. Eine Reiserücktrittskostenversicherung decke das finanzielle Risiko ab, dass Verbraucher eine gebuchte Reise krankheitsbedingt nicht antreten könnten und stornieren müssten. Viele buchten ihre Reisen schon Wochen oder sogar Monate vor Reisebeginn — daher sei es sinnvoll, sich auf diese Weise abzusichern. Dabei spiele es für die Verbraucher aber keine Rolle, ob sie die Reise mit Geld oder mit Bonusmeilen finanzierten.

"Verbrauch und Emissionen" in der Autowerbung

Münchner Autobauer gestaltete Reklame so, als seien die Abgaswerte nach WLTP berechnet

Die Abkürzung WLTP steht für "Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedures": Das ist ein europäisches Prüfverfahren zur Bestimmung von Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen bei Kraftfahrzeugen. WLTP hat 2018 das Prüfverfahren NEFZ ("Neuer Europäischer Fahrzyklus") abgelöst, beruht auf engeren Testintervallen mit strengeren Vorgaben und bildet daher den Verbrauch besser ab als das NEFZ.

Ein Umweltverein verklagte einen Münchner Autokonzern wegen irreführender Werbung. Das Unternehmen hatte 2022 auf seiner Internetseite für eines seiner Modelle geworben. In der Rubrik "Verbrauch und Emissionen" wurden Abgaswerte des Modells angegeben, die nach dem NEFZ berechnet, jedoch direkt neben der Abkürzung WLTP platziert waren.

Das führe die Leser der Reklame in die Irre, fand der Umweltverein: Denn die nach NEFZ berechneten Abgaswerte lägen regelmäßig niedriger als diejenigen, die gemäß der WLTP-Methode bestimmt worden seien. So beschönige man die Emissionen: Der Konzern müsse offiziell erklären, diesen Werbetrick künftig zu unterlassen. Das Landgericht München I gab dem Verein Recht: Die Werbung sei irreführend und unzulässig (1 HK O 4969/22).

Vor allem Verbraucher, die wüssten, dass es sich bei der Abkürzung WLTP um eine strengere Prüfmethode handle, könnten angesichts der Gestaltung der Webseite auf den Irrtum verfallen, die angegebenen Werte seien nach dem WLTP-Verfahren berechnet worden, erklärte das Landgericht. Die Abkürzung sei zwar verlinkt mit einer anderen Seite, auf der die WLTP-Werte ständen. Das sei aber nicht klar zu erkennen. Verbraucher merkten das höchstens zufällig, wenn sie mit der Maus über das Zeichen WLTP wischten.

Obendrein müssten sie aus den verlinkten Angaben erschließen, dass die auf der vorherigen Internetseite angegebenen Werte NEFZ-Werte seien — obwohl dort keinerlei Erklärung dazu stehe. Nirgends werde dem interessierten Kunden klar mitgeteilt, dass die zuerst genannten Werte nach NEFZ berechnet wurden. Die Gefahr, dass eine falsche Vorstellung über Verbrauch und Abgaswerte die Kunden beeinflusse, sei hier eindeutig zu bejahen, betonte das Landgericht.

Seit dem "Dieselskandal", der manipulierte Abgaswerte im Prüfverfahren NEFZ betraf, werde das Thema in der Öffentlichkeit viel diskutiert. Nicht nur die Automobil-Fachpresse habe es aufgegriffen, sondern mehr oder weniger alle Medien. Verbrauch und Abgaswerte seien beim Kauf ein wichtiges Kriterium. Viele Verbraucher bevorzugten aus Umweltgründen ein "saubereres" Auto. Gehe der Verbraucher irrtümlich von besseren Werten aus, treffe er seine Entscheidung auf Basis falscher Angaben. (Das Unternehmen hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Motorradfahrer weicht Rehen aus

Die Kfz-Versicherung muss Schäden durch eine objektiv gebotene "Rettungshandlung" ersetzen

Im Herbst 2020 war Motorradfahrer M mit seinem Sohn in Frankreich unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve bemerkte er am rechten Straßenrand hinter Büschen zwei oder drei Rehe. Weil er fürchtete, sie könnten auf die Straße springen, lenkte er blitzschnell das Motorrad nach links. Das Manöver endete im Straßengraben.

Der Schaden am teilkaskoversicherten BMW-Motorrad betrug laut Sachverständigengutachten rund 3.500 Euro. Allerdings weigerte sich der Versicherer, für die Schäden an BMW und Motorradkleidung aufzukommen.

Die Tiere, die der Versicherungsnehmer angeblich gesehen habe, seien noch nicht einmal auf der Straße gestanden, wandte das Unternehmen ein: Das Ausweichmanöver sei völlig unnötig gewesen. Zudem sei die Schilderung des Vorfalls widersprüchlich, M habe nicht einmal genau angeben können, wann er die Rehe gesehen habe ("vielleicht aus 15 Meter Abstand").

Diese Einwände konnte das Oberlandesgericht Saarbrücken nicht nachvollziehen: Es verurteilte den Versicherer dazu, 4.300 Euro Schadenersatz zu leisten (5 U 120/21). Aufgrund von Zeugenaussagen stehe fest, dass an der Unfallstelle stetig Wildwechsel stattfinde. Da M den Zusammenstoß verhindert habe, fänden sich am Motorrad keine Tierspuren. Das widerlege aber seine plausible — vom Sohn und anderen Zeugen bestätigte — Schilderung nicht. M habe einen Ablauf beschrieben, der, objektiv betrachtet, dafür spreche, dass ein Zusammenstoß mit Rehen drohte.

Dass Tiere, deren Verhalten nicht berechenbar sei, möglicherweise auf die Straße laufen würden, damit sei in so einer Situation zu rechnen — auch wenn es nicht sicher feststehe. Anders als der Versicherer meine, sei in solchen Fällen eine sichere Prognose weder möglich, noch notwendig: Wenn eine Kollision zumindest wahrscheinlich sei, stelle das Ausweichmanöver eine gebotene "Rettungshandlung" dar, d.h. den Versuch, größere Schäden am Fahrzeug bzw. Verletzungen zu vermeiden. Die tatsächlichen Schäden seien als "Rettungskosten" zu ersetzen.

Vom Versicherungsnehmer könne man außerdem nicht verlangen, so einen Unfall in allen Details 100-prozentig korrekt zu schildern. Hier gehe es schließlich um ein rasch ablaufendes Ereignis, von dem Betroffene überrascht würden. Kein Wunder, dass sich da keine Einzelheiten eingeprägten. Motorradfahrer, die mangels Knautschzone Verletzungen fürchten müssten, wollten verständlicherweise Kollisionen unter allen Umständen vermeiden — M sei zudem noch für seinen Sohn verantwortlich gewesen.

Risikoausschluss in der privaten Unfallversicherung

Wird ein Sturz von einem Ohnmachtsanfall ausgelöst, besteht kein Versicherungsschutz

Der 60-jährige Zahnarzt H wurde mit entzündeten Schnittverletzungen am Knie ins Krankenhaus eingeliefert und operiert. Im Arztbericht hieß es, der Patient sei zu Hause ohnmächtig geworden und bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt. Er sei nicht das erste Mal nach einer Ohnmacht gestürzt, habe Herr H angegeben. Fast 48 Stunden sei er diesmal am Boden gelegen und habe keine Hilfe holen können.

Nach drei Wochen in einer Reha-Klinik wurde der Patient entlassen. Ein Jahr später meldete er den Unfall seiner privaten Unfallversicherung und legte ein Attest seines Hausarztes vor. Demnach hatte sich der Unfall anders zugetragen: Herr H sei gestolpert und in ein Wasserglas gefallen, habe sich dabei am Knie verletzt. Da das Bein nicht mehr belastbar sei, könne er nicht mehr lange gehen oder stehen, seinen Beruf also nicht mehr ausüben.

Die Unfallversicherung teilte nach Prüfung der ärztlichen Unterlagen mit, Herr H habe nach den Versicherungsbedingungen keinen Anspruch auf Leistungen: Denn er sei infolge einer "Bewusstseinsstörung" gestürzt, solche Unfälle seien vom Versicherungsschutz ausgenommen. Die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers blieb beim Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken erfolglos (5 U 107/21).

Dass H nun behaupte, er sei erst über einen Teppich gestolpert und habe dabei ein Wasserglas fallen lassen, auf das er anschließend stürzte … sei wenig glaubwürdig, fand das OLG. Nach Ansicht des Gerichts sei bewiesen, dass dem Sturz ein Ohnmachtsanfall vorausgegangen sei. Dafür sprächen die Art der Verletzungen und die Arztberichte mit den dokumentierten ersten Angaben des Patienten.

H habe beim Rettungsdienst, bei den Ärzten im Klinikum Saarbrücken und bei den Ärzten in der Reha-Klinik angegeben, aufgrund einer Ohnmacht bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt zu sein. Warum diese vollkommen gleichlautenden Arztberichte, die seinen Sturz schlüssig erklärten, unrichtig gewesen sein könnten, habe H vor Gericht nicht überzeugend darlegen können.

"Bewusstseinsstörung" bedeute, dass der Versicherte auf eine gefährliche Situation schon nicht mehr angemessen reagieren könne, was das Unfallrisiko erhöhe. Der Risikoausschluss betreffe also Unfälle, denen eine geminderte Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten vorausgehe. Unter Umständen könnten sogar kurzfristige Kreislaufprobleme wie Schwindel den Versicherungsschutz ausschließen — für eine Ohnmacht, die einen Sturz nach sich ziehe, gelte dies allemal.

Teilnahmegebühr für eine Schulprojektwoche

Das Jobcenter muss einer Schülerin mit einkommensschwachen Eltern die Gebühr erstatten

Eine Schule im Süden des Bundeslandes Brandenburg hatte 2018 für alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 1 bis 6 eine Projektwoche durchgeführt: In einem auf dem Schulgelände aufgestellten Zirkuszelt sollten sie sich mit dem Thema Zirkus beschäftigen. Die Teilnahme kostete zehn Euro. Eine Schülerin, deren Eltern Grundsicherung beziehen, bezahlte die Gebühr und verlangte anschließend vom Jobcenter, den Betrag zu erstatten.

Das Jobcenter lehnte die Kostenübernahme ab: Derlei sei laut Sozialgesetzbuch nur vorgesehen, wenn es um Ausgaben für einen Schulausflug oder eine Klassenfahrt gehe. Die Projektwoche habe aber auf dem Schulgelände stattgefunden.

Gegen den negativen Bescheid klagte die Schülerin, kämpfte sich bis zum Bundessozialgericht durch und bekam Recht (B 7 AS 9/22 R).

Die Kostenübernahme auf Schulausflüge zu begrenzen — also auf schulische Veranstaltungen, bei denen eine Klasse das Schulgelände verlässt —, verkürze planwidrig den Anspruch von Schülern aus einkommensschwachen Familien, so die Bundesrichter. Gerade in der Schule müssten alle Kinder gleichberechtigt an Bildungsangeboten teilhaben. Dies sei das zentrale Anliegen der einschlägigen Regelung im Sozialgesetzbuch.

Dabei mache es keinen Unterschied, wo die Veranstaltung stattfinde: ob auf dem Schulgelände oder außerhalb. Es komme nur darauf an, dass es sich um eine von der Schule organisierte Veranstaltung handle, die der sozialen Teilhabe der Schulkinder diene. Die Zirkusprojektwoche werde diesem Maßstab gerecht und könnte ebenso gut außerhalb des Schulgeländes stattfinden ("Lernen an einem anderen Ort"). Daher müsse das Jobcenter die Kosten tragen.

Unterschiedlich hohe Nachtzuschläge

Ist es sachlich begründet, dass bei unregelmäßiger Nachtarbeit der Zuschlag höher ausfällt?

Eine Arbeitnehmerin, die für einen Getränkehersteller im Wechselschichtmodell nachts arbeitet, klagte gegen die unterschiedlich hohen Nachtzuschläge, die in der Branche gelten. Geregelt ist das im Manteltarifvertrag, den die Getränkeindustrie mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten vereinbart hat: Für regelmäßige Nachtarbeit erhalten Arbeitnehmer zusätzlich zum Stundenlohn einen Zuschlag von 20 Prozent, für unregelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 Prozent.

Diese Ungleichbehandlung sei sachlich nicht begründet und verstoße daher gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, meinte die Arbeitnehmerin. Da es in beiden Fällen um einen Ausgleich für die spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit gehe, müsste sie ebenfalls einen Zuschlag von 50 Prozent erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab und erklärte die Regelung im Tarifvertrag für rechtmäßig (10 AZR 332/20). Für die Ungleichbehandlung gebe es durchaus einen sachlichen Grund, so die Bundesrichter, und dieser Grund sei auch dem Tarifvertrag zu entnehmen. Die Nachtzuschläge sollten einerseits die gesundheitlichen Belastungen durch Nachtarbeit im Allgemeinen ausgleichen.

Andererseits verfolgten die Tarifpartner damit aber noch ein weiteres Ziel: Der höhere Zuschlag für Beschäftigte, die unregelmäßige Nachtarbeit leisteten, solle den Nachteil ausgleichen, dass diese Arbeitseinsätze schlechter planbar seien. Das belaste die betroffenen Arbeitnehmer zusätzlich. Wie die Tarifpartner — die Arbeitgeber und die Gewerkschaften —, diesen Aspekt finanziell bewerteten, dass unregelmäßige Nachtarbeit noch schlechter planbar sei, liege in ihrem Ermessen.

Pflichtangaben auf der Bonbon-Verpackung

Kurzartikel

Süßwarenhersteller müssen auf einer Verpackung, in der sich nochmals verpackte Süßwaren wie z.B. einzeln umwickelte Bonbons befinden, das Gesamtgewicht und die Zahl der enthaltenen Einzelpackungen angeben. Diese Pflicht belaste die Unternehmen nicht unangemessen, so das Gericht, Verbraucher aber könnten durch die zusätzliche Information beim Einkauf leichter das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel finden.

Elektroroller-Batterie explodiert in der Werkstatt

Keine Haftung des Kfz-Halters, wenn der Brand nicht beim Betrieb des Rollers entstand

Der Besitzer eines Elektrorollers hatte sein "Kleinkraftrad" (Freeliner Lyric A720) zur Inspektion in die Werkstatt gebracht. Ein Mitarbeiter der Werkstatt nahm die Batterie aus dem Roller, um sie aufzuladen. Dabei erhitzte sie sich sehr stark. Vorsichtshalber trennte deshalb der Mechaniker den Akku vom Stromnetz und legte ihn auf den Boden. Er dachte, die Batterie würde sich dort abkühlen — doch nach wenigen Minuten explodierte sie und setzte die Werkstatt in Brand.

Die Gebäudeversicherung des Werkstattinhabers regulierte den Brandschaden und forderte den Betrag anschließend von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Rollerfahrers ersetzt. Ihre Zahlungsklage scheiterte jedoch in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (VI ZR 1234/20). Die Haftpflichtversicherung müsse für Schäden haften, die "beim Betrieb" eines Kraftfahrzeugs eintreten, so die Bundesrichter — nicht aber, wenn ein Schaden unabhängig davon bei Wartungsarbeiten entstehe.

In der Werkstatt werde der Roller nicht als Verkehrsmittel benutzt. Dass der Akku aus dem E-Roller ausgebaut wurde, mache es geradezu anschaulich: Damit setze der Mitarbeiter das Kleinkraftrad außer Betrieb. Es habe keine Verbindung mehr zum Kfz bestanden. Also könne die Explosion der Batterie nicht beim Betrieb des E-Rollers verursacht worden sein.

Allein die Tatsache, dass der E-Roller vor dem Werkstattbesuch mit dem Akku gefahren sei, sich der Akku beim Kfz-Betrieb entladen habe, begründe jedenfalls keinen ursächlichen Zusammenhang zur Explosion. Die Situation sei dann genauso, als sollte eine neue Batterie ins Kfz eingebaut und deswegen vorher aufgeladen werden. Unter diesen Umständen sei sie noch kein Bestandteil der Betriebseinrichtung.

"Bitte keine Werbung einwerfen"

Diese Aufforderung gilt nicht nur für Briefkästen, sondern auch für den Hauseingang!

Viele Menschen versuchen, die lästige Flut von Reklameblättchen einzudämmen, indem sie an ihren Briefkasten den Hinweis anbringen: "Bitte keine Werbung einwerfen". In einem Münchner Mietshaus trugen alle Briefkästen einen Aufkleber mit dieser Bitte. Ein Hausbewohner ärgerte sich umso mehr, als er zwei Werbeflyer einer Umzugsfirma vorfand, die in einem Spalt der Briefkastenanlage eingeklemmt waren.

Der Mann verklagte die Firma auf Unterlassung: Offenkundig wollten die Bewohner dieses Gebäudes keine Werbung bekommen, also erst recht keine wild abgelegten oder befestigten Reklameblättchen. Das erhöhe den "Lästigkeitsfaktor" nochmals und sei rücksichtslos, erklärte der Mieter.

Gegen diesen Vorwurf ging die Firma in die Offensive: Sie habe ihre Verteiler angewiesen, den Werbeflyer nur in Briefkästen ohne den Hinweis "Werbung unerwünscht" einzuwerfen. Die Briefkästen der Wohnanlage seien jedoch für Passanten zugänglich. Also könnten auch unbekannte Dritte das Werbematerial dort abgelegt haben. Sie, die Umzugsfirma, habe damit jedenfalls nichts zu tun.

Wenig glaubwürdig fand das Amtsgericht München diese Behauptung: Es bejahte den Unterlassungsanspruch des Hausbewohners und drohte der Firma "im Falle der Zuwiderhandlung" Ordnungsgeld an (142 C 12408/21). Die Formulierung "Bitte keine Werbung einwerfen" stelle unmissverständlich klar, dass der Einwurf von Werbeflyern in Hausbriefkästen unerwünscht sei. Und diese Aufforderung gelte auch für das Ablegen von Werbematerial auf der Briefkastenanlage oder im Bereich des Hauseingangs.

Die Umzugsfirma habe im fraglichen Zeitraum diese Flyer in München verteilen lassen. Also könne man getrost davon ausgehen, dass die Handzettel im Zuge dieser Werbeaktion von Werbeverteilern der Firma eingeworfen worden seien und nicht von "unbekannten Dritten", die überhaupt keinen Grund hätten, die Flyer ins Hausinnere zu legen. Die Firma müsse ihre Verteiler eindringlich über die Notwendigkeit informieren, sich an die Regeln zu halten. Sie müsse zudem die Werbeaktionen kontrollieren und Beanstandungen nachgehen, notfalls den Verteilern Sanktionen androhen.

Datenschutzbeauftragter soll als EDV-Fachkraft arbeiten

Hat der Betriebsrat bei der Versetzung eines Datenschutzbeauftragten ein Mitbestimmungsrecht?

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass dem Betriebsrat bei der Einstellung und Versetzung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Mitbestimmungsrecht zustehen kann (1 ABR 51/93).

Im konkreten Fall beabsichtigte der Arbeitgeber, den betrieblichen Datenschutzbeauftragen zusätzlich als EDV-Fachkraft (statt wie bisher als Bearbeiter im Bereich Wirtschaftswesen) einzusetzen. Nach Ansicht der Bundesrichter kann dies den Arbeitnehmer in Interessenkonflikte verwickeln und so die vom Datenschutzgesetz verlangte Zuverlässigkeit des Datenschutzbeauftragten in Frage stellen.

Der Datenschutzbeauftragte habe die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Rechte der Arbeitnehmer nicht durch Datenverarbeitung beeinträchtigt werden. Mit dieser Kontrollfunktion wäre es unvereinbar, wenn er als EDV-Fachkraft in erster Linie seine eigene Tätigkeit kontrollieren müsste. Da sich mit der Versetzung des Datenschutzbeauftragten das Gesamtbild seiner Tätigkeit ändern würde, begründe dies das Recht des Betriebsrats, dabei mitzubestimmen.

Verbraucherinformation mit kleinem Fehler

Wer darauf gestützt einen Versicherungsvertrag kündigt, missbraucht sein Widerspruchsrecht

Mehrere Versicherungsnehmer kündigten 2016 und 2017 Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die sie 2002 abgeschlossen hatten. Sie widerriefen den Vertragsschluss und begründeten das damit, dass sie seinerzeit über ihr Widerspruchsrecht falsch informiert worden seien. Die "Widerspruchsbelehrung" (jetzt: Widerrufsbelehrung) ist Bestandteil des Versicherungsvertrags. Da sich die betroffenen Versicherungsunternehmen weigerten, die Versicherungssummen auszuzahlen, klagten die Versicherungsnehmer.

Vor Gericht ging es um folgenden Punkt: Laut Gesetz können Versicherungsnehmer, wenn sie die Versicherungsunterlagen erhalten haben, dem Vertrag innerhalb von 14 Tagen "in Textform" widersprechen. In der "Widerspruchsbelehrung" der strittigen Versicherungsverträge stand dagegen, die Versicherungsnehmer müssten die Schriftform einhalten.

"Textform" bedeutet: Der Widerspruch kann auch per E-Mail oder Fax erfolgen. Wird Schriftform gefordert, muss diese Erklärung mit einem unterschriebenen Brief abgegeben werden.

Das Kammergericht Berlin wies die Klage der Versicherungsnehmer auf Auszahlung der Versicherungssummen ab, der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil (IV ZR 353/21). Im konkreten Fall widerspreche es dem Grundsatz von Treu und Glauben, die Verträge mit dieser Begründung zu widerrufen. Die Widerspruchsbelehrung enthalte nur einen kleinen, fast belanglosen Fehler. Dass "Schriftform" verlangt wurde, habe es niemanden unmöglich gemacht, sich vom Vertrag zu lösen.

Im Ergebnis sei es folgenlos, dass der Versicherer seine Informationspflicht geringfügig verletzt habe. Die Information, beim Widerspruch des Vertrags sei Schriftform einzuhalten, obwohl ein Widerspruch in Textform genügt hätte, könne niemand ernsthaft davon abgehalten haben, sein Widerspruchsrecht wahrzunehmen.

Im konkreten Fall wiege daher das Interesse des Versicherers am Fortbestand des Vertrags schwerer als das Interesse der Versicherungsnehmer, sich davon zu lösen. Es sei widersprüchlich, wenn Versicherungsnehmer — die im Wesentlichen über ihre Rechte ordnungsgemäß informiert wurden — nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit pochten und daraus finanzielle Ansprüche ableiteten.

Unterhaltsschulden beim Sohn

Wie wird der Unterhalt des Vaters für ein jüngeres Kind bei der Zwangsvollstreckung berücksichtigt?

Ein Vater zahlte den Unterhalt für seinen Sohn nur sehr zögerlich und blieb immer wieder etwas schuldig. Die Mutter erwirkte im Namen des Sohnes den gerichtlichen Beschluss, das Geld per Zwangsvollstreckung einzutreiben. Nur 960 Euro monatlich sollten dem Vater für seinen Lebensunterhalt verbleiben. Gegen den Beschluss wehrte sich der Mann und verwies darauf, dass er auch für sein jüngeres Kind E Unterhalt zahlen müsse.

Laut Gesetz wäre das ein Betrag von 322 Euro monatlich gewesen. Tatsächlich zahlte der Vater aber wegen seines geringen Gehalts für E nur 248 Euro. Das Landgericht Mainz erhöhte den pfändungsfreien Betrag — d.h. den Betrag, den der Vater behalten darf — um 248 Euro. Vergeblich beantragte der Vater, den pfändungsfreien Betrag um 322 Euro zu erhöhen, also um den gesetzlich geschuldeten Unterhalt.

Der Bundesgerichtshof lehnte dies ab (VII ZB 35/20). Hier gehe es um die Frage, wie der pfändungsfreie Betrag zu bestimmen sei, wenn der Vater auch weiteren Unterhaltsberechtigten Unterhalt schulde. Konkret: Das jüngere Kind dürfe durch die Zwangsvollstreckung — die der ältere Sohn betreibe, um den Vater zur Zahlung des Unterhalts zu zwingen — nicht benachteiligt werden.

Dieses Ziel erfordere es jedoch nicht, den pfändungsfreien Betrag um die Summe zu erhöhen, die nötig wäre, um die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem jüngeren Kind ganz zu erfüllen — wenn der Vater diese tatsächlich nur teilweise erfülle. Im Gegenteil: Würde man dem Vater (= Unterhaltsschuldner) zugestehen, den gesetzlich geschuldeten Betrag von 322 Euro zu behalten, wäre gerade nicht sichergestellt, dass das jüngere Kind diesen Betrag wirklich bekomme.

Zahle ein Unterhaltspflichtiger nur unregelmäßig, sei es vielmehr praxisgerecht, beim pfändungsfreien Betrag nur den Durchschnitt des wirklich geleisteten Unterhalts zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, dass der Vater künftig an das Kind E mehr zahlen wolle bzw. könne, sei damit ja nicht ausgeschlossen. Auf Antrag könne das Gericht dafür den pfändungsfreien Betrag befristet erhöhen.

Solarstromanlage ohne Notstromfunktion

Muss der Verkäufer darüber aufklären, dass ihr Funktionieren vom öffentlichen Stromnetz abhängt?

Das Ehepaar X ließ auf dem Dach seines Wohnhauses von einem Solarunternehmen eine Photovoltaikanlage installieren. Die Hauseigentümer wollten vom öffentlichen Stromnetz unabhängig werden. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Wenn das öffentliche Netz keinen Strom liefert, funktioniert auch die Solarstromanlage nicht. Sie schaltet sich nämlich bei Stromausfall automatisch ab.

Zwar gibt es auch Anlagen, bei denen das nicht passiert, weil sie über eine so genannte Inselfunktion oder Notstromfunktion verfügen. Doch die sind erheblich teurer als das vom Ehepaar X bestellte System.

Die erbosten Käufer warfen dem Unternehmer vor, er hätte sie über diesen Umstand aufklären müssen. Dann hätten sie nämlich für 5.000 Euro Aufpreis ein notstromfähiges System montieren lassen. Stattdessen müssten sie nun die gelieferte Anlage umrüsten und das koste dreimal so viel. Für die Mehrkosten müsse der Verkäufer und Installateur einstehen. Den Betrag zogen die Hauseigentümer kurzerhand von der Rechnung des Solarunternehmens ab.

Zu Unrecht, entschied das Landgericht Frankenthal: Die Käufer müssten die Solarstromanlage und ihre Montage komplett bezahlen (6 O 79/22). Die meisten Kunden sparten sich eine Notstromfunktion — das sei eine teure Sonderausstattung. Verkäufer müssten Kunden nicht ungefragt darüber informieren, wenn eine Sonderausstattung fehle. Damit würde man deren Beratungspflicht übertrieben hoch ansetzen.

Möglicherweise führten ja die aktuelle Energiekrise und eventuelle Engpässe bei der Stromversorgung künftig zu einer anderen Sichtweise, weil diese Extra-Funktion an Bedeutung gewinne. Als das Ehepaar X die Photovoltaikanlage kaufte, sei das aber noch kein Thema gewesen.

Anders läge der Fall daher nur, wenn die Eheleute bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich klargestellt hätten, dass es ihnen auf die Notstromfunktion ankomme. Das hätten die Kunden aber nicht belegen können.

Rollstuhlfahrerin ließ Hochbeete anlegen

Die Kosten des behindertengerechten Gartenumbaus kann sie nicht von der Steuer absetzen

Frau X ist wegen eines Post-Polio-Syndroms — chronische Müdigkeit und Muskelschwäche als Spätfolge der Kinderlähmung — seit einiger Zeit auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie hatte sich immer schon gerne um den Garten des Einfamilienhauses gekümmert, was vom Rollstuhl aus nicht mehr möglich war.

Aus diesem Grund ließen Herr und Frau X den Garten umgestalten: Der Weg zum Haus wurde für den Rollstuhl gepflastert, die Pflanzenbeete in Hochbeete umgewandelt. Die Ausgaben für den Gartenumbau machte das Ehepaar bei der Einkommensteuererklärung als krankheitsbedingte, außergewöhnliche Belastung geltend. Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Kosten steuermindernd zu berücksichtigen.

Die Klage der Steuerzahler gegen den Bescheid des Finanzamts scheiterte beim Bundesfinanzhof (VI R 25/20). Krankheitskosten und/oder Ausgaben für "existenznotwendigen Wohnbedarf" würden als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, wenn sie unvermeidlich seien, d.h. wenn der Steuerzahler sie zwangsläufig auf sich nehmen müsse. Das treffe im konkreten Fall nicht zu.

Zwar hätten die Steuerzahler den Garten umgestaltet, weil sich der Gesundheitszustand der Ehefrau verschlechtert habe, räumte der Bundesfinanzhof ein. Die Ausgaben seien trotzdem keine direkte Folge der Krankheit, die die Hauseigentümer nicht vermeiden konnten. In erster Linie hätten die Steuerzahler das Geld ausgegeben, damit die Ehefrau ein "frei gewähltes Freizeitverhalten" fortsetzen konnte.

Immerhin bekam das Ehepaar für den Arbeitslohn, der in den Umbaukosten enthalten war, den Steuerbonus für haushaltsnahe Dienstleistungen.