Geld & Arbeit

Linksabbieger-Ampel zeigte "grün"

Anschließend fiel die Ampelanlage aus: Zusammenstoß auf der Kreuzung

An einer großen Kreuzung ist für Linksabbieger eine eigene Spur mit "Linksabbieger-Ampel" eingerichtet: Zeigt sie einen grünen Pfeil nach links, dürfen die Linksabbieger fahren. Autofahrerin A hatte sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und fuhr los, als die Ampel den grünen Pfeil anzeigte. Doch auf der Kreuzung kam ihr ein städtischer Omnibus entgegen. Der Bus erfasste ihren gerade abbiegenden Wagen hinten rechts und beschädigte ihn erheblich.

Des Rätsels Lösung: Kaum hatte die Autofahrerin die Ampel bei Grünlicht passiert, fiel plötzlich die Ampelanlage aus — und der Omnibus startete ebenfalls. Die kommunale Verkehrsgesellschaft, Kfz-Halterin des Omnibusses, wollte für die Reparaturkosten von Frau A nicht aufkommen (rund 7.000 Euro). Daraufhin zog die Unfallgeschädigte vor Gericht und bekam vom Landgericht Lübeck zunächst uneingeschränkt Recht.

Der Omnibusfahrer trage allein die Schuld an dem Zusammenstoß, so das Landgericht. Bei unklarer Verkehrslage müsse man besonders vorsichtig fahren. Zwar habe er nach dem Ausfall der Ampel Vorfahrt gehabt. Aber er habe den Ausfall bemerkt und darauf falsch reagiert. Für Frau A sei der Unfall dagegen unabwendbar gewesen, weil sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und den Ausfall der Anlage nicht mehr registrieren konnte.

Gegen das Urteil legte die Stadt Berufung ein. Sie erreichte beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig jedoch nur einen Teilerfolg (7 U 201/21). Das OLG setzte eine Haftungsquote vom 80% zu 20% zu Gunsten der Autofahrerin fest und korrigierte das Landgericht in diesem Punkt. Unabwendbar sei die Kollision für Frau A nicht gewesen, so das OLG.

Ein "unabwendbarer Unfall" sei zu verneinen, wenn ein ganz besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch hätte abwenden können. So ein "Idealfahrer" hätte hier bemerkt, dass die Fußgängerampel ausfiel, hätte daraus auf eine Fehlfunktion der gesamten Anlage geschlossen und den Gegenverkehr abgewartet, anstatt mit dem Abbiegen zu beginnen.

Ein Verkehrsverstoß sei Frau A aber nicht vorzuwerfen. Sobald der grüne Pfeil das Linksabbiegen erlaube, dürften die Linksabbieger darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt sei und entgegenkommende Fahrzeuge das Haltegebot beachteten. Dieser Grundsatz werde nicht dadurch aufgehoben, dass die Ampelanlage ausfalle. Frau A könne daher von der Kfz-Versicherung der Kommune Ersatz für 80 Prozent der Reparaturkosten verlangen.

Alkoholbedingter Autounfall?

War die Fahrerin "relativ fahruntüchtig", muss der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler beweisen

Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer Diskothek kam Autofahrerin S um vier Uhr früh in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Das Auto erlitt Totalschaden. Die Polizei entnahm um ca. 7.30 Uhr eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,85 Promille ergab. Aus diesem Grund lehnte es die Vollkaskoversicherung von Frau S ab, den Schaden zu regulieren.

Ohne Erfolg klagte die Versicherungsnehmerin auf Zahlung. Sie habe den alkoholbedingten Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, urteilte das Oberlandesgericht Saarbrücken: Anspruch auf Schadenersatz habe sie daher nicht (5 U 22/22). Zum Unfallzeitpunkt habe Frau S mindestens eine BAK von 0,85 Promille, maximal eine BAK von 0,99 Promille gehabt. Bis zur Grenze von 1,1 Promille gehe man von relativer Fahruntüchtigkeit des Verkehrsteilnehmers aus.

Ein Unfall mit einer BAK von über 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) werde von vornherein als alkoholbedingt und damit als grob fahrlässig angesehen. Für so verursachte Unfallschäden müsse der Kfz-Versicherer prinzipiell nicht einstehen.

In Fällen relativer Fahruntüchtigkeit dagegen müsse der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen des Versicherungsnehmers nachweisen, die auf einen alkoholbedingten Unfall schließen lassen. Im konkreten Fall sei der Unfall ohne erheblichen Alkoholkonsum kaum plausibel zu erklären.

Angeblich sei Frau S nur 70 km/h gefahren — und habe trotzdem einen Auffahrunfall nur knapp vermeiden können, als der vor ihr fahrende Wagen bremste. Dadurch sei sie auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern geraten. Die Autofahrerin habe also zu wenig Abstand eingehalten oder sei unaufmerksam gewesen. Wenn ein Autofahrer in einer einfachen Verkehrssituation ohne ersichtlichen Grund am Baum lande, spreche dies für einen alkoholbedingten Unfall (Bremsen des Vordermanns zu spät erkannt, Fehleinschätzung der Straßenverhältnisse).

Nüchtern wäre Frau S vorsichtiger gefahren und hätte so einen Unfall ganz einfach vermeiden können. Dem Polizeibericht sei obendrein zu entnehmen, sie habe glasige Augen und eine leicht verwaschene Aussprache gehabt. Frau S selbst habe angegeben, sie habe sich "fast nüchtern" und in der Lage gefühlt, sicher zu fahren. Das zeuge von Unterschätzung der Folgen von Cocktails und von Überschätzung der eigenen (Fahr-)Fähigkeiten, ebenfalls eine typische Folge des Alkoholkonsums.

Verkehrsunfall vor dem Baumarkt

Auf öffentlichen Parkplätzen gilt der Grundsatz "rechts vor links" nicht!

Auf dem großen Parkplatz eines Baumarkts waren zwei Autos an einer Kreuzung zusammengestoßen. Die Sicht war durch parkende Fahrzeuge, vor allem durch einen Laster eingeschränkt, die Vorfahrt nicht durch Schilder oder Markierungen geregelt. Autofahrer A war von rechts, der Wagen von Autofahrer B von links gekommen. Die Kfz-Versicherung von B übernahm die Hälfte der Reparaturkosten von A.

Ohne Erfolg klagte Autofahrer A auf Schadenersatz in voller Höhe. Das Amtsgericht Lübeck legte eine Haftungsquote von 70:30 zu seinen Gunsten fest. Und bei dieser Haftungsverteilung blieb es, auch der Bundesgerichtshof hielt sie für richtig (VI ZR 344/21).

Den von links kommenden Autofahrer B sei kein alleiniges Verschulden vorzuwerfen, so die Bundesrichter. Denn die Vorfahrtsregel "rechts vor links" (§ 8 Straßenverkehrsordnung) gelte auf öffentlichen Parkplätzen nicht. Diese allgemeine Regel lasse sich auf die Situation dort nicht übertragen, auf Parkplätzen herrsche eine besondere Verkehrslage.

Hier stehe nicht im Vordergrund, den fließenden Verkehr zügig abzuwickeln. Vielmehr gelte auf Parkplätzen grundsätzlich das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Denn alle Autofahrer suchten hier einen Parkplatz, rangierten, parkten ein oder aus. Auf öffentlichen Parkplätzen gelte der Grundsatz "rechts vor links" nur dann, wenn die Fahrbahnen eindeutig Straßencharakter hätten oder erkennbar der Zu- und Abfahrt dienten.

Pflegende Mutter überschuldet

An pflegende Personen weitergeleitetes Pflegegeld ist nicht als Arbeitseinkommen pfändbar

Die Mutter eines autistischen Sohnes pflegt ihn alleine und erhält dafür sein Pflegegeld. Die verschuldete Frau musste sich einem Privatinsolvenzverfahren unterziehen. Bei der Berechnung ihres pfändbaren Einkommens wollte der Insolvenzverwalter auch das Pflegegeld berücksichtigen, das der Sohn an sie weiterleitete: Auch das Pflegegeld sei als Arbeitseinkommen anzusehen, fand der Insolvenzverwalter.

Dagegen wehrte sich die Schuldnerin und bekam vom Amtsgericht Recht. Auch der Bundesgerichtshof urteilte, das Pflegegeld sei bei der/bei dem Pflegenden unpfändbar (IX ZB 12/22). Dafür spreche in erster Linie der Sinn dieser Leistung, so die Bundesrichter. Der autistische Sohn, der das Geld an seine Mutter weiterleite, bekomme durch ihre Pflege die Möglichkeit, sein Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen.

Das Pflegegeld sei sozusagen die Belohnung dafür, dass die Pflegeperson Opfer bringe und ein Anreiz, um die Pflegebereitschaft zu erhöhen. Diesen Sinn würde die Geldleistung verlieren, wenn sie wie Arbeitseinkommen pfändbar wäre. Würde es einem Gläubiger der Mutter zugesprochen, widerspräche das dem Interesse des Pflegebedürftigen, die Mutter für ihre Opferbereitschaft zu belohnen.

Wegen "Corona" selbständige Tätigkeit aufgegeben

Das Jobcenter muss Folgen der Pandemie berücksichtigen, wenn es Sperrzeiten verhängt

Von 2000 bis 2020 führte Herr X erfolgreich eine Eventagentur. Seine selbständige Tätigkeit musste er 2020 wegen der Corona-Pandemie aufgeben: Bekanntlich legten die Kontaktbeschränkungen, die zum Infektionsschutz angeordnet wurden, den gesamten Veranstaltungsbereich lahm. X suchte sich vorübergehend einen Job als Berufskraftfahrer. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte er am 31.1.2022 zum 28.2.2022, weil er danach seine Agentur wieder in Gang bringen wollte.

Gleichzeitig meldete sich Herr X arbeitslos. Das Jobcenter verhängte gegen ihn eine Sperrzeit von zwölf Wochen, weil er seinen Arbeitsplatz gekündigt und damit die Arbeitslosigkeit "mutwillig" herbeigeführt habe. Während der Sperrzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gegen den Behördenbescheid klagte der Mann. Da klar war, dass die angestrebte Entscheidung erst nach vielen Wochen fallen würde, beantragte er zugleich einstweiligen Rechtsschutz — um nicht völlig ohne Einkommen dazustehen.

Beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erreichte Herr X zumindest einen Teilerfolg (L 9 AL 106/22 B ER). Hier sei von einem Härtefall auszugehen, erklärte das Gericht, deshalb sei die Sperrzeit auf sechs Wochen zu verkürzen. Herr X habe zwar sein Arbeitsverhältnis selbst beendet — dies aber aufgrund der berechtigten Annahme, die selbständige Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Das könne man wohl kaum als grob fahrlässig einstufen.

Auch wenn Anfang 2022 die weitere Entwicklung der Pandemie noch unsicher gewesen sei, wäre es unverhältnismäßig hart, Herrn X für die Kündigung mit zwölf Wochen Sperrzeit zu bestrafen. Immerhin sei der Mann vor der coronabedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbständig tätig gewesen. Und es bestehe durchaus begründete Hoffnung, dass er mit der Eventagentur erfolgreich einen Neuanfang schaffen könne. Das Jobcenter müsse bei der Verhängung von Sanktionen auch Folgen der Pandemie berücksichtigen.

Arbeitnehmerin "feierte krank"

Statt Spätdienst zu schieben an einer "Ibiza Party" teilgenommen: fristlose Kündigung

Eine Pflegeassistentin war am ersten Wochenende im Juli 2022 für Samstag und Sonntag zum Spätdienst in der Klinik eingeteilt. Kurz vorher meldete sie der Arbeitgeberin, sie sei krank und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihres Hausarztes vor. Am Samstagabend fand jedoch eine "White Night Ibiza Party" statt, an der die Arbeitnehmerin teilnahm.

Auf der Party wurde eifrig fotografiert. Einige Bilder von der Pflegeassistentin standen nach dem Wochenende auf der Homepage des Partyveranstalters. Sie selbst hatte auf ihrem WhatsApp-Status ebenfalls ein Foto eingestellt. Als die Arbeitgeberin davon erfuhr, kündigte sie der Arbeitnehmerin fristlos. Deren Kündigungsschutzklage scheiterte beim Arbeitsgericht Siegburg (5 Ca 1200/22).

Das Fehlverhalten der Pflegeassistentin rechtfertige eine fristlose Kündigung, so das Arbeitsgericht. Sie habe eine Erkrankung vorgetäuscht und damit das Vertrauen der Arbeitgeberin in ihre Redlichkeit zerstört. Dass die Arbeitnehmerin krank gewesen sein könnte, sei eindeutig widerlegt — habe sie doch offenkundig in bester Laune und bei bester Gesundheit auf der "White Night Ibiza Party" gefeiert.

Zunächst habe die Frau gegenüber der Klinikleitung von schlimmen Grippesymptomen gesprochen. Vor Gericht habe sie dann vorgetragen, sie sei zwei Tage lang psychisch erkrankt gewesen. Dass die "psychische Erkrankung" ohne therapeutische Maßnahmen nach dem Feier-Wochenende plötzlich ausgeheilt war, sei aber total unglaubwürdig. Die Arbeitnehmerin neige anscheinend dazu, die Unwahrheit zu sagen.

"Küchentage" eines Möbelhändlers

Reklame für eine Rabattaktion ist irreführend, wenn die Dauer der Aktion unklar bleibt

Im August 2021 startete ein Münchner Möbelhaus so genannte "Küchentage", eine groß angekündigte Rabattaktion. In der Werbeanzeige wurde blickfangmäßig herausgestellt, die Aktion laufe bis zum 21.8. Im Kleingedruckten dagegen stand, die Rabattaktion ende am 31.8. Ein Verein, der sich den Kampf gegen unlauteren Wettbewerb auf die Fahnen geschrieben hat, beanstandete deshalb die Werbung als irreführend und forderte Unterlassung.

Das Landgericht München I gab den Wettbewerbshütern Recht (17 HKO 17393/21). Für Leser der Anzeige bleibe unklar, wie lange die beworbene Rabattaktion laufe. Im Blickfang werde eine kürzere Frist genannt, um gegenüber interessierten Verbrauchern Entscheidungsdruck aufzubauen: Wer Küchen oder Küchenmöbel brauche, müsse schnell das Möbelhaus aufsuchen, um vom Rabatt profitieren zu können. Der Hinweis im Kleingedruckten nenne im Widerspruch dazu ein späteres Aktionsende.

Die Werbung informiere die Verbraucher nicht seriös über die Teilnahmebedingungen der Rabattaktion. Unklar sei auch, für welche Produkte welcher Rabatt gelte, Zwei Mal werde die Zahl 20% groß herausgestrichen. Der Leser könne dann rätseln, ob die Anzeige zwei Mal 20%, also insgesamt 40% Rabatt verspreche oder nur jeweils 20% auf verschiedene Produkte. So uneindeutige Aussagen seien geeignet, Verbraucher zu verwirren. Mögliche Missverständnisse müssten klar korrigiert werden und nicht durch im Kleingedruckten gut versteckte, winzige Hinweise im unteren Teil der Anzeige.

Wenn Chemotherapie nicht mehr hilft

Private Krankenversicherung muss dann u.U. eine alternative Therapie finanzieren

Bei einem Krebspatienten war die Krankheit so weit fortgeschritten, dass die Chemotherapie nichts mehr brachte: Es bildeten sich immer weitere Metastasen, die nicht operiert werden konnten. Deshalb entschied sich der Mann für eine alternative Behandlungsmethode: eine dentritische Zelltherapie.

Bei dieser Behandlung wird eine Immunreaktion gegen die entarteten Tumorzellen angestrebt. Um diese Reaktion zu erzielen, werden dem Krebspatienten dentritische Zellen entnommen, im Labor auf seinen Tumor ausgerichtet und ihm dann wieder eingesetzt, um gegen die Krebszellen anzukämpfen.

Im konkreten Fall übernahm die private Krankenversicherung nur die Hälfte der hohen Behandlungskosten. Nach dem Tod des Krebspatienten verklagte die Witwe das Versicherungsunternehmen auf Zahlung des vollständigen Betrags.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab ihr Recht (7 U 140/20). Die dentritische Zelltherapie sei eine alternative Behandlungsmethode, die auf einem wissenschaftlich fundierten Ansatz beruhe, so das OLG.

Daher verspreche diese Therapie einen gewissen Erfolg, auch wenn sie noch nicht lange erprobt und allgemein anerkannt sei. Heilung sei bei Krebs im fortgeschrittenen Stadium zwar ausgeschlossen. Aber mit der Zelltherapie habe wenigstens die Aussicht bestanden, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und den Patienten zu stabilisieren. Daher müsse die Krankenversicherung die Behandlungskosten vollständig übernehmen.

Vom Recht, nicht erreichbar zu sein

In der Freizeit müssen Arbeitnehmer keine Dienst-SMS lesen

Notfallsanitäter müssen mit Änderungen des Dienstplans rechnen, das ist sogar im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst so festgehalten. Umstritten im konkreten Fall: Wie kurzfristig dürfen diese Änderungen sein? Und: Muss ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit auf eine einschlägige Nachricht (SMS) des Arbeitgebers reagieren?

Ein Notfallsanitäter war zwei Mal telefonisch und per SMS nicht erreichbar. Am nächsten Tag meldete er sich zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt zum Dienst. Deshalb mahnte ihn der kommunale Arbeitgeber wegen "unentschuldigten Fehlens" ab und strich Stunden von seinem Arbeitszeitkonto. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer: Er habe seine Arbeitspflichten nicht verletzt, denn in der Freizeit müsse er sich nicht darüber informieren, wann er arbeiten müsse.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gab ihm Recht (1 Sa 39 öD/22). Anders als der Arbeitgeber meine, gehöre es nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Sanitäters, sich ständig über dienstliche Änderungen zu informieren und damit seine Freizeit zu unterbrechen. Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen, sei eine Arbeitsleistung.

Dass der Zeitaufwand dafür gering sei, ändere daran nichts. Arbeit verwandle sich nicht in Freizeit, wenn sie nur in geringem Umfang anfalle. Arbeitnehmer hätten das Recht, in ihrer Freizeit unerreichbar zu sein. Das sei notwendig, um ihre Gesundheit zu schützen und in den Ruhezeiten ausreichende Erholung zu gewährleisten.

Freizeit bedeute: Arbeitnehmer müssten in diesem Zeitraum dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen und könnten selbstbestimmt entscheiden, wie sie diese verbringen. Es sei wesentlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, "dass ein Mensch selbst entscheide, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht".

Der Arbeitgeber habe erst mit Beginn des Dienstes um 7.30 Uhr darauf vertrauen können, dass der Notfallsanitäter die (am Vortag geschickte) SMS zur Kenntnis nahm. Ab Dienstbeginn sei der Arbeitnehmer verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre es, die in der Freizeit auf dem Handy eingegangenen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. (Der Arbeitgeber wird gegen das Urteil Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegen.)

Bankgebühr für eine Rechenaktion?

Rechnet die Bank für einen Kunden die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung aus, darf das nichts kosten

Wenn Kreditnehmer ihren Kredit vorzeitig ablösen — d.h. dem Kreditinstitut das geliehene Geld vor dem Ende der Vertragslaufzeit zurückzahlen —, erhalten sie vom Kreditinstitut eine so genannte Vorfälligkeitsentschädigung. Um festzustellen, ob es sich lohnt, können Kreditnehmer von der Bank ausrechnen lassen, wie hoch die Entschädigung ausfallen würde.

Im konkreten Rechtsstreit ging es darum, ob eine Bank dafür Gebühren kassieren darf. Nach dem Preisverzeichnis einer Bank waren private Kreditnehmer verpflichtet, eine Pauschale von 100 Euro für das Ausrechnen des Entschädigungsbetrags zu zahlen. Diese Pauschale kassierte die Bank für die Rechenaktion immer, auch dann, wenn die Kunden den Kredit nicht vorzeitig ablösten.

Die einschlägige Gebührenklausel im Preisverzeichnis benachteilige die Bankkunden unangemessen, kritisierten Verbraucherschützer: Sie sei deshalb unwirksam. So entschied auch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (17 U 132/21). Die Bank dürfe diese Klausel nicht länger anwenden.

Eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen, sei komplex und beinhalte Rechenoperationen, die Verbraucher schwer nachvollziehen könnten, betonte das OLG. Dagegen könne die Bank mithilfe eines Computerprogramms die Höhe der Entschädigung ohne großen Aufwand ausrechnen. Zudem sei die Rechenaktion keine Sonderleistung der Bank für die Kunden, für die sie Vergütung verlangen könnte.

Kreditinstitute müssten Kreditnehmer bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung informieren. Für eine Dienstleistung, zu der die Bank vertraglich verpflichtet sei, von den Kunden Extra-Entgelt zu kassieren, sei unzulässig. Dass diese Dienstleistung mit ein wenig Verwaltungsaufwand verbunden sei, müssten Banken daher hinnehmen.

Unentgeltliche Kunden-Akquise oder Architektenvertrag?

Bei längeren, intensiven Planungsleistungen ist von einem Vertrag auszugehen

Ein Bauherr meldete sich bei einem Architekturbüro. Er besprach mit einigen Mitarbeitern sein Bauvorhaben und nannte einen Kostenrahmen. Dann legten die Architekten los: Sie beauftragten eine Baugrunduntersuchung, einen Statiker, führten Aufmaßtermine durch, erarbeiteten ein Brandschutzkonzept und erbrachten weitere Planungsleistungen. Als das Architekturbüro jedoch nach ca. einem Jahr Arbeit dem Bauherrn eine Rechnung übergab, beendete er abrupt die Zusammenarbeit.

Die Rechnung müsse er nicht begleichen, so der Bauherr, denn bei den Arbeiten habe es sich um "honorarfreie Akquise-Tätigkeit" gehandelt (d.h.: um Maßnahmen, die das Architektenbüro durchgeführt habe, um ihn als Kunden zu gewinnen).

Die Zahlungsklage der Architekten hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Celle Erfolg (14 U 116/21). Ihnen stehe das verlangte Honorar zu, entschied das OLG: Hier sei davon auszugehen, dass ein Architektenvertrag geschlossen worden sei.

Im Einzelfall sei es oft schwierig, unentgeltliche Kunden-Akquise und zu vergütende Tätigkeit voneinander abzugrenzen. Die Übergänge seien fließend: Allein daraus, dass ein Architekt tätig werde, könne man nicht auf einen Vertrag schließen. Oft versuchten mehrere Bewerber, einen Auftrag zu bekommen — dann könne die Akquise-Tätigkeit schon mal umfangreicher ausfallen.

Im konkreten Fall habe aber das Architekturbüros so intensiv gearbeitet, dass von Akquise keine Rede mehr sein könne. Schon die Dauer der Tätigkeit schließe die Annahme aus, die Architekten hätten die Planung des Bauvorhabens unentgeltlich ausführen wollen. Der Bauherr habe Leistungen in einem Umfang in Anspruch genommen, der nicht "honorarfrei" zu erwarten sei. Darüber hinaus habe der Bauherr mehrmals nach den Kosten gefragt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er selbst auch nicht von einer "honorarfreien Akquise" ausgegangen sei.

Dach ungenügend gedämmt

Hat der Dachdecker die Architekten auf Planungsfehler hingewiesen, muss er für den Werkmangel nicht (mit)haften

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beauftragte ein Architekturbüro, die Sanierung ihres Flachdachs zu planen. Die Arbeiten an der Dachkonstruktion erledigte der Handwerksbetrieb von Dachdecker D. Doch auch nach der Sanierung entsprach die Wärmedämmung des Dachs nicht den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV). Deshalb verlangte die WEG vom Architekturbüro Schadenersatz.

Das Landgericht Flensburg ging von Planungsfehlern der Architekten aus und verurteilte sie dazu, der WEG für die Mängelbeseitigung 93.000 Euro zu zahlen. Die Haftpflichtversicherung der Architekten kam für den Betrag auf und forderte anschließend vom Dachdecker die Hälfte der Schadenssumme: Der Handwerker habe schließlich das mangelhafte Werk ausgeführt. Das Landgericht Flensburg wies die Klage ab (2 O 278/20).

Grundsätzlich müssten Architekten und ausführende Unternehmen für einen Werkmangel zu gleichen Teilen haften, räumte das Landgericht ein. Im konkreten Fall gelte das aber nicht. Denn der Handwerker habe die Architekten nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die ausgeschriebene Dämmung die Anforderungen der EnEV nicht erfülle. Wie das Protokoll einer Baustellenbesprechung mit dem Architekturbüro belege, habe der Dachdecker aus diesem Grund eine Vakuumdämmung empfohlen. Dies sei abgelehnt worden.

Zudem habe der Handwerksbetrieb auch ein Nachtragsangebot vorgelegt, das den Einbau einer stärkeren, besseren Dämmung vorsah. Doch die WEG sei nicht bereit gewesen, die Mehrkosten zu tragen. Um deren Mitverschulden gehe es in diesem Verfahren aber nicht, sondern nur um die Haftungsaufteilung zwischen Architekten und Handwerksbetrieb. Der Dachdecker habe letztlich so gearbeitet, wie von den Architekten vorgegeben.

Das Architekturbüro hätte die Bauherrin über die fachgerechte Ausführung der Dämmmaßnahmen beraten und über die Nachteile der gewählten Lösung aufklären müssen. Da der Handwerker vor dieser gewarnt habe ("nicht fachgerecht"), reiche dies jedenfalls aus, um die Haftung für den Werkmangel vollständig auf das Architekturbüro zu "verlagern".

Krankentransport verzögert?

Die Reisekrankenversicherung schuldet einen Transport erst, wenn die versicherte Person objektiv transportfähig ist

Frau S verreiste gerne und hatte deshalb eine so genannte Personenassistanceversicherung abgeschlossen. Das ist eine Auslandsreisekrankenversicherung, die u.a. Leistungen umfasst wie "medizinische Notrufhotline", "weltweit professionelles Notfallmanagement" und im Notfall auch die Organisation eines medizinisch sinnvollen Krankentransports während einer Reise.

Bei einer Gruppenreise erkrankte Frau S: Wegen Bauchschmerzen und anhaltender Übelkeit brachte sie der Reiseleiter in die nächstgelegene Klinik. Dort erfolgten einige Untersuchungen, allerdings ohne klare Diagnose. Dr. Z, der Reiseleiter, rief ihre Reisekrankenversicherung an und teilte mit, die Gruppe reise nun in die Stadt H weiter. Frau S wolle mit einem privat organisierten Bus ins dortige Krankenhaus fahren.

Vorher müsse die Versicherung Kontakt zu den behandelnden Ärzten der Klinik aufnehmen, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, antwortete die zuständige Mitarbeiterin. Erst nach einigen Verhandlungen wurde Versicherungsnehmerin S ins Krankenhaus H verlegt. Dort wurde ein Blinddarmdurchbruch festgestellt und operiert. Später verlangte Frau S von der Versicherung Schmerzensgeld für gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schadenersatz für Folgekosten.

Für ihren Vorwurf, die Versicherung habe den Krankentransport zu spät veranlasst und damit den Versicherungsvertrag verletzt, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen keine Anhaltspunkte (3 U 16/21). Unbestritten habe es sich um einen medizinischen Notfall gehandelt, stellte das OLG fest. Schon vor der Kontaktaufnahme mit der Versicherung war Frau S mit massiven Krämpfen in der Klinik. Einen Krankentransport im Ausland könne die Versicherung aber erst organisieren, wenn die versicherte Person objektiv transportfähig sei.

Andernfalls wäre ein Transport nicht zu rechtfertigen. Hilfe bei dessen Organisation könne die Versicherung nur auf Basis einer Abstimmung mit den ausländischen Ärzten leisten. Das Unternehmen sei nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, mit ihnen diese Frage zu klären. Aus der Ferne könne niemand beurteilen, ob ein Transport medizinisch sinnvoll und vertretbar sei. Mit den Ärzten habe die Versicherung sofort Kontakt aufgenommen, die Prüfung der Lage also keineswegs verzögert.

Versicherungsnehmer könnten nicht erwarten, dass das Versicherungsunternehmen ohne verlässliche Informationen zur Transportfähigkeit über einen Krankentransport entscheide. Bei einem privat organisierten Transport wäre das Risiko erst recht unkalkulierbar gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass es gerade wegen der Fahrt nach H zum Blinddarmdurchbruch gekommen sein könnte. Sollten vorher die Klinikärzte eine Blinddarmentzündung übersehen haben, wäre das ohnehin nicht von der Versicherung zu vertreten.

Erbschaft des Bruders angenommen

Die Annahme kann der Erbe nicht wegen eines Irrtums über die Erbschaftssteuer anfechten

In seinem Testament hatte ein (lediger, kinderloser) Mann die Mutter und seinen Bruder jeweils zur Hälfte als Erben eingesetzt. Die Erben beantragten und erhielten nach seinem Tod einen entsprechenden Erbschein. Kurz darauf wollte jedoch der Bruder die Annahme der Erbschaft rückgängig machen.

Als er den Erbschein beantragte, habe er über die Höhe der Erbschaftssteuer nicht Bescheid gewusst, teilte er dem Nachlassgericht mit: Er sei von wesentlich höheren Steuerfreibeträgen ausgegangen. Inzwischen habe er herausgefunden, dass es viel günstiger gewesen wäre, die Erbschaft auszuschlagen. Dann wäre sein Erbteil zunächst der Mutter und nach deren Tod ihm zugefallen — mit einem viel höheren Freibetrag.

Es bleibe bei dem ausgestellten Erbschein, entschied das Nachlassgericht. Erfolglos legte der Erbe dagegen Beschwerde ein: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (10 W 125/21). Möglicherweise wäre es für ihn tatsächlich steuerlich günstiger gewesen, die Erbschaft erst einmal auszuschlagen, um später Alleinerbe der Mutter zu werden, räumte das OLG ein.

Mit der Begründung, die Erbschaftssteuer unterschätzt zu haben, könne er jedoch seine Willenserklärung - die Annahme der Erbschaft - nicht zurücknehmen. Grundsätzlich könne eine Willenserklärung nur angefochten werden, wenn sich der Erklärende über deren Inhalt geirrt habe und diese zu wesentlich anderen Rechtsfolgen führe. Ein Irrtum über die Höhe der Erbschaftssteuer, die sich aus einer Erbschaft ergebe, gehöre jedoch nicht zu den zulässigen Gründen einer Anfechtung.

Sind die finanziellen Folgen einer Erbschaft zweifelhaft, sollten sich potenzielle Erben also besser beraten lassen, bevor sie sie annehmen.

Ehemann will sein Einkommen nicht offenlegen

Von der Auskunftspflicht im Scheidungsverfahren kann man sich nicht mit hoher Zahlung freikaufen

In einem Scheidungsverfahren ging es unter anderem um die Höhe des nachehelichen Unterhalts für die Ehefrau. Sie verlangte vom Ehemann Auskunft über sein Einkommen, doch das wollte er auf keinen Fall offenlegen. Um die Frau milde zu stimmen, überwies ihr der vermögende Gatte eine Million Euro.

Gleichzeitig teilte er mit, die Summe sei mit "etwaigen Ansprüchen auf Trennungs- und gegebenenfalls nachehelichen Unterhalt zu verrechnen" und als Vorauszahlung auf den Zugewinnausgleich anzusehen. Mit diesem Betrag sei ihr Unterhaltsbedarf ja wohl für längere Zeit gedeckt.

Mit der Verrechnung sei sie einverstanden, erklärte die Frau, dennoch bestehe sie auf der Auskunft. Ein Unterhaltsanspruch sei trotz dieser Zahlung nicht ausgeschlossen. Ohne Auskunft könne sie ihre Ansprüche nicht einschätzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab der Ehefrau Recht (5 UF 197/21).

Schließlich habe der Gatte sie dazu aufgefordert, die hohe Einmalzahlung mit Unterhalt und Zugewinnausgleich zu verrechnen. Dazu müsse die Ehefrau aber erst einmal ihren Unterhaltsanspruch kennen. Wenn es darum gehe, den Unterhaltsbedarf der Partnerin zu ermitteln, sei die Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Von dessen Einkommen hänge es auch ab, ob und wie lange der Unterhalt zeitlich befristet werde.

Im Scheidungsverfahren entfalle die Auskunftspflicht des/der Unterhaltspflichtigen nur, wenn von vornherein zweifelsfrei feststehe, dass kein Unterhaltsanspruch des Partners/der Partnerin bestehe.

Verkehrt herum durch die Einbahnstraße

Kann sich die Autofahrerin trotzdem auf den Grundsatz "rechts-vor-links" berufen?

Autofahrerin A bog langsam nach links in eine Einbahnstraße ein. Da kam ihr der Wagen von Autofahrerin B entgegen, der die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr. Die beiden Autos stießen zusammen. Autobesitzer A verlangte von Autofahrerin B, d.h. von deren Kfz-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz für die Reparatur seines beschädigten Autos.

Die Gegenpartei müsse nur die Hälfte der Kosten ersetzen, entschied das Landgericht Wuppertal. Mehr stehe Autobesitzer A nicht zu, denn seine Ehefrau habe zu dem Unfall in gleichem Maß beigetragen wie Frau B (9 S 48/22). Frau A habe nämlich gegen das Gebot "rechts-vor-links" verstoßen. Laut Unfallgutachten hätte sie den Zusammenstoß vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut hätte.

Das Vorfahrtsrecht der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmerin werde nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahre. Das gelte schon deshalb, weil Fahrradfahrer diese Einbahnstraße in beiden Richtungen nutzen dürften. Ein Radfahrer, der die Einbahnstraße zulässigerweise in der Gegenrichtung befahre, habe also ebenfalls Vorfahrt.

Wer nach links in die Einbahnstraße einbiege, müsse daher mit von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Radfahrern rechnen und dürfe nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug komme. So eine Annahme sei allenfalls bei völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straßen gerechtfertigt.

Kostenklausel im Behandlungsvertrag

Patientin sollte Honorarforderungen nicht an ihre private Krankenversicherung abtreten

Eine Patientin wurde zwei Mal an der Wirbelsäule operiert. Ihre Behandlungsverträge enthielten folgende Klausel: "Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung bzw. Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet."

Der Chirurg stellte der Patientin einmal 13.742 Euro, einmal 13.200 Euro in Rechnung. Die Frau bezahlte beide Rechnungen und reichte sie bei ihrer privaten Krankenversicherung ein. Die Versicherung beanstandete zahlreiche Kostenpositionen, erstattete der Versicherungsnehmerin jedoch die bezahlten Beträge im von der Versicherungspolice gedeckten Umfang. Anschließend forderte sie vom Mediziner Teilbeträge zurück.

4.719,92 Euro müsse er zurückzahlen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 143/21). Prinzipiell sei es so: Könne der Versicherungsnehmer gegen einen behandelnden Arzt Ersatzansprüche geltend machen, gingen die Ansprüche auf die Krankenversicherung über, soweit sie die Kosten erstattet habe. Ärzte dürften Patienten nicht generell verbieten, der Krankenversicherung solche Ansprüche abzutreten: Die einschlägige Vertragsklausel benachteilige Patienten unangemessen und sei unwirksam.

Zwar sei die Patientin im Behandlungsvertrag auf das mögliche Risiko hingewiesen worden, dass sie eventuell die Kosten selbst tragen müsse. Es werde auch empfohlen, vor der Behandlung die Kostenfragen mit der Versicherung abzuklären. Dennoch müssten Patienten mit so einem umfassenden Verbot nicht rechnen. Es sei überraschend, weil es sich nicht nur auf die ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen beziehe, sondern auf alle "Forderungen aus der Behandlungsrechnung".

Bei Operationen könnten aber Komplikationen auftreten und kurzfristig weitere Leistungen notwendig machen. Die Tragweite des Verbots sei für durchschnittlich informierte Patienten nicht zu durchschauen. Im Unterschied zum Arzt und zur Krankenversicherung verfügten sie nicht über die notwendige Sachkunde, um zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet worden sei oder nicht.

Würde man die Vertragsklausel akzeptieren, müssten Patienten eventuell unberechtigte Forderungen zumindest vorläufig selbst begleichen oder sich dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arzt aussetzen. Das sei unzumutbar — erst recht in Bezug auf Leistungen, die im Behandlungsvertrag nicht erfasst seien und deren Art und Umfang Patienten nicht annähernd absehen könnten.

Gesundheitsbedingt einmal pro Woche im Homeoffice

Kosten des häuslichen Arbeitszimmers sind dann begrenzt steuerlich abziehbar

Ein Ehepaar machte bei der Einkommensteuererklärung Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Begründung: Die Ehefrau müsse aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen mindestens an einem Arbeitstag pro Woche im Homeoffice arbeiten. Ansonsten würde sich ihr Gesundheitszustand verschlechtern.

Das Finanzamt lehnte es jedoch ab, die Kosten des Arbeitszimmers vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Voraussetzung dafür sei, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Berufstätigkeit darstelle und dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. In dem Unternehmen, für das die Ehefrau tätig sei, gebe es jedoch für sie einen Arbeitsplatz. Sie nutze ihn nur nicht jeden Tag, aus subjektiven Gründen.

Mit diesem Argument war das Finanzgericht Berlin-Brandenburg nicht einverstanden (5 K 5138/21). Entscheidend sei doch, ob man es der Steuerzahlerin zumuten könne, den Arbeitsplatz im Betrieb an jedem Arbeitstag zu nutzen. Laut ärztlichem Attest solle die Frau, um langfristig ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten, an einzelnen Tagen ihrem Beruf zu Hause nachgehen.

Deshalb könne man der Steuerzahlerin den Abzug der Werbungskosten nicht verweigern. Sie könne die Ausgaben für das häusliche Arbeitszimmer steuerlich geltend machen, allerdings begrenzt auf 1.250 Euro pro Jahr. Denn das häusliche Arbeitszimmer bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Arbeitnehmerin.

Unbrauchbares Kfz-Schadensgutachten

Muss die Versicherung des Unfallverursachers das Gutachten trotzdem bezahlen?

Das alte Auto von Herrn X wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt, den eindeutig der Unfallgegner verschuldet hatte. Trotzdem kam es zum Streit über die Höhe des zu regulierenden Schadens. Denn der Privatgutachter des Unfallgeschädigten schätzte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 7.000 Euro viel zu hoch ein. Zudem hatte X den Kfz-Sachverständigen nicht über Vorschäden am Auto informiert, die er in Eigenregie repariert hatte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war der Ansicht, dass sie für das missratene Gutachten gar nichts zahlen musste. Doch das Landgericht Essen sprach Autobesitzer X Schadenersatz für die Gutachtenkosten zu (696 Euro) sowie 4.471 Euro für den Fahrzeugschaden. Dabei ging das Gericht von einem Wiederbeschaffungswert von nur 2.200 Euro aus.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (I-7 U 33/21). Die Fehleinschätzungen des Privatgutachters seien nicht dem Unfallgeschädigten anzulasten, so das OLG. Träfe das zu, wäre sein Anspruch auf Ersatz der Gutachtenkosten ausgeschlossen. Dass Herr X seinem Sachverständigen die Vorschäden an der Front und am vorderen rechten Kotflügel verschwieg, habe aber dessen Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes überhaupt nicht beeinflusst.

Der gerichtliche Kfz-Experte habe erläutert, dass ein durchschnittliches Fahrzeug mit diesem Alter und dieser Laufleistung bereits an einem Punkt angekommen sei, an dem kein großer Wertverlust mehr eintreten könne. Daher spielten kleinere Vorschäden bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts kaum noch eine Rolle. Z.B. habe der gerichtliche Kfz-Experte selbst, als er den Wiederbeschaffungswert auf 2.200 Euro taxierte, für einen Streifschaden einen Abschlag bei den Lackierkosten vorgenommen, der sich auf 21,25 Euro belief.

Viele Urlaubstage nicht genommen

Der Anspruch auf bezahlten Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren

Von 1996 bis Juli 2017 arbeitete eine Steuerfachangestellte für ihre Arbeitgeberin, eine Steuerkanzlei. Pro Jahr standen ihr 24 Arbeitstage Erholungsurlaub zu. Doch die 24 Tage konnte sie wegen des "hohen Arbeitsaufwands in der Kanzlei" fast nie voll nutzen: Von 2012 bis 2017 bekam die Angestellte nur 95 Tage Urlaub. Als das Arbeitsverhältnis endete, zahlte ihr die Kanzlei eine Abgeltung für 14 nicht genommene Urlaubstage im Jahr 2017: 3.201 Euro brutto.

Damit begnügte sich die Frau jedoch nicht: Sie verlangte von der Arbeitgeberin Geld für rund 100 nicht genommene Urlaubstage in den letzten sechs Jahren. Als die Kanzlei erklärte, ihre Urlaubsansprüche seien verjährt, erhob die Ex-Angestellte Klage. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Arbeitgeberin dazu, weitere 90 nicht genommene Urlaubstage finanziell auszugleichen. Gegen das Urteil ging die Steuerkanzlei erfolglos in Revision.

Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte sich auf die Seite der Arbeitnehmerin und setzte damit Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs um (9 AZR 266/20). Zwar verjähre der Anspruch von Arbeitnehmern auf bezahlten Jahresurlaub im Prinzip nach drei Jahren, so das BAG. Doch die Drei-Jahres-Frist beginne nicht zwangsläufig mit dem Ende des Jahres, in dem Arbeitnehmer eigentlich Urlaub hätten nehmen müssen.

Vielmehr laufe die Frist erst ab dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und dessen Verfallfristen informiert habe. Zu diesen Hinweisen seien Arbeitgeber gemäß EU-Recht verpflichtet. Erst wenn Arbeitnehmer trotz korrekter Information über ihre Rechte freiwillig auf den Jahresurlaub verzichteten, beginne die Verjährungsfrist.

Im konkreten Fall habe es die Steuerkanzlei versäumt, die Arbeitnehmerin zu informieren und so dafür zu sorgen, dass diese ihren Urlaubsanspruch rechtzeitig wahrnehmen konnte. Daher treffe der Einwand der Arbeitgeberin nicht zu, dass der Anspruch der Angestellten auf Urlaubsabgeltung schon während des laufenden Arbeitsverhältnisses verjährt gewesen sei.