Haus und Grund

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Landwirt verpachtet Grundstück für eine Reithalle

Baubehörde untersagt deren Nutzung für eine Poloschule und Poloturniere

Ein Landwirt verpachtete 2020 ein Grundstück an die X-GmbH, die hier eine Reithalle und einen Pferdestall mit Boxen errichtete. Die Baubehörde hatte den Bau und den Betrieb eines Reitstalles mit Pferdezucht und Ausbildung für Pferde genehmigt. Doch 2022 beschwerten sich Nachbarn über "Events" mit großem Rummel auf dem Grundstück: Hier wurden im Rahmen der "European Arena Polo Tour" Poloturniere ausgetragen.

Die Baubehörde untersagte dies: Genehmigt sei die Ausbildung eigener Pferde in der Reithalle — Turniere seien davon nicht erfasst. Es liege auf der Hand, dass durch die An- und Abfahrt von Teams, Trainern und Tierpflegern, Rettungsdienst und Publikum eine hohe Verkehrsbelastung und weitaus mehr Lärm entstehe als durch Reitunterricht. Der Landwirt müsse dem illegalen Treiben ein Ende setzen. Für den Wiederholungsfall drohte die Behörde Zwangsgeld an.

Ohne Erfolg focht der Verpächter das Nutzungsverbot an. Das Verbot, die Reithalle gewerblich für eine Poloschule und für Poloturniere zu nutzen, sei rechtmäßig und das angedrohte Zwangsgeld von 3.000 Euro als Sanktion angemessen, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf (28 L 533/23). Laut Baugenehmigung seien in der Halle keine Sportveranstaltungen mit Publikum vorgesehen, entsprechend sei auch der Brandschutz dafür nicht ausgelegt.

Der Landwirt könne sich auch nicht darauf berufen, dass Reithalle und Pferdepension seinem Betrieb dienten, so das VG. Eine Pferdepension könne zwar landwirtschaftliche Tierhaltung darstellen, soweit das Pferdefutter auf eigenen Flächen erzeugt werde. Aber Polosport in einer Reithalle sei nicht für den landwirtschaftlichen Betrieb da. Polounterricht mit "Stick & Ball", Turniere mit Siegerehrung, bei denen Teams in Sponsoren-Shirts auftreten und pro Team ein Nenngeld von 1.200 Euro für die Teilnahme fällig werde — das seien offenkundig gewerblich organisierte Events.

Für die Turnierveranstalterin X-GmbH bilde die Reithalle den Schwerpunkt unternehmerischer Tätigkeit im gewerblichen Sinn — wodurch auch der Verpächter gewerbliche Einnahmen erziele. Diese Nutzung der Halle sei illegal und auch nicht nachträglich genehmigungsfähig: Denn sie nehme keinerlei Rücksicht auf die Nachbarn oder auf Belange des Naturschutzes.

Maklervertrag abgeschlossen?

Der Hauskäufer hatte auf der Makler-Webseite einen mit "Senden" beschrifteten Button angeklickt

Auf der Suche nach einem Einfamilienhaus fand Herr B die Makleranzeige einer Sparkasse auf einem Internetportal: Das Objekt interessierte ihn. Er vereinbarte mit einem Sparkassenmitarbeiter und der Hauseigentümerin einen Besichtigungstermin, bekam vom Mitarbeiter Unterlagen zum Haus. Ein Kaufangebot von B über 900.000 Euro lehnte die Sparkasse ab. B gab ein Wertgutachten in Auftrag und bot nach einer zweiten Besichtigung direkt der Verkäuferin einen Kaufpreis von 985.000 Euro an.

Als der Kaufvertrag zustande gekommen war, forderte die Sparkasse von B 29.303 Euro Provision (3,57% des Kaufpreises). Doch der Immobilienkäufer zahlte nicht und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen: Er habe mit der "Maklerin" keine Provisionszahlung vereinbart. Dagegen pochte die Sparkasse auf einen Maklervertrag: Nach dem Besichtigungstermin habe ihr Mitarbeiter dem Kaufinteressenten eine E-Mail mit Link zu ihrer Maklerwebseite mit folgenden Vertragsformular geschickt:

"Ich bestätige, den Maklervertrag, die Informationen für Verbraucher und die Widerrufsbelehrung vollständig gelesen und verstanden zu haben. Ich nehme das Angebot auf Abschluss eines Maklervertrags … an". Diese Willenserklärung habe B durch das Anklicken der Schaltfläche "Senden" an den Mitarbeiter zurückgeschickt und damit einen Maklervertrag geschlossen.

Dem widersprach das Landgericht Stuttgart (30 O 28/22). Die Online-Willenserklärung binde den Käufer nicht, da sich die Sparkassen-Maklerin nicht an die gesetzlichen Vorschriften zum elektronischen Geschäftsverkehr gehalten habe, die Verbraucher vor Kostenfallen im Internet schützen sollten. Demnach müssten Unternehmer — also auch Makler — Schaltflächen so beschriften, dass es für den Verbraucher eindeutig klar sei, wenn er mit einem "Klick" einen Vertrag schließe bzw. sich zu einer Zahlung verpflichte.

Diesen Anforderungen entspreche das Wort "Senden" nicht, daher könne die Sparkasse keine Maklerprovision verlangen. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn ein Maklervertrag durch individuelle Kommunikation per Mail ausgehandelt worden wäre. Hier habe es sich aber um einen Link zur Internetseite der Sparkasse mit einer vorformulierten Willenserklärung gehandelt. Wenn der Kunde nur die Möglichkeit habe, eine von der Maklerin vorgegebene Willenserklärung auszuwählen, handle es sich nicht um individuelle Kommunikation.

Imprägnierte Eisenbahnschwellen als "Gartenzaun"

Unangenehmer Geruch und Krebsgefahr: Der Bauträger muss die Schwellen entfernen

Eine Familie hatte sich von einem Bauträger ein Haus mit Garten bauen lassen. Nach dem Einzug beanstandete sie die mit Teeröl getränkten Eisenbahnschwellen, die das Bauunternehmen an der Grenze des Grundstücks sozusagen als Gartenzaun aufgestellt hatte: Sie verbreiteten einen überaus lästigen Geruch. Zudem gehe vom Holzschutzmittel Krebsgefahr aus, meinten die Hauskäufer.

Das Oberlandesgericht Hamburg bürdete dem Bauträger die Kosten für das Beseitigen der Holzschwellen auf (7 U 40/93). Seine Pflicht dazu ergebe sich aus der vertraglich übernommenen Gewährleistung. Das verwendete gefährliche Holzschutzmittel sei zwar erst verboten worden, kurz nachdem das Haus fertiggestellt war. Dass der "Gartenzaun" aus Eisenbahnschwellen mangelhaft sei, stehe aber unabhängig davon schon wegen der intensiven Geruchsbelästigung fest.

Die Familie müsse sich nicht damit trösten lassen, dass der Gestank spätestens nach 15 Jahren verflogen sein könnte ... Obendrein sei auch der Verdacht auf erhöhtes Krebsrisiko nicht von der Hand zu weisen: Ein Sachverständiger habe festgestellt, dass der Boden in der Nähe der Eisenbahnschwellen mit krebserzeugenden Stoffen belastet sei. Zu Recht hätten deshalb die Hauseigentümer eine Firma damit beauftragt, auf Kosten des Bauträgers die Gartenbegrenzung zu entfernen.

Treppenhaus mit zu niedriger Durchgangshöhe

Der Architekt muss dafür sorgen, dass von ihm geplante Bauwerk öffentlich-rechtliche Vorschriften erfüllt

Ein Architekt übernahm die Ausführungsplanung für mehrere Stadthäuser. Diese waren noch im Rohbau, als dem Auftraggeber auffiel, dass die Durchgangshöhe in den Treppenhäusern zu niedrig geplant war. Nach der einschlägigen DIN-Vorschrift (18065 Ziff. 6.4) muss die lichte Treppendurchgangshöhe im mittleren Treppenbereich mindestens zwei Meter betragen. In den Rohbauten war sie niedriger.

Der Auftraggeber ließ den Mangel beheben und verlangte dafür vom Architekten Schadenersatz. Der wollte den "schwarzen Peter" weiterschieben und erklärte, das ausführende Bauunternehmen hätte die Mindesthöhe auch unabhängig von seinen Vorgaben einhalten müssen. Dem widersprach das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden: Der Architekt verkenne da seine Pflichten (22 U 67/21).

Architekten müssten durch genaue Planung dafür sorgen, dass nach ihren Plänen errichtete Gebäude öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprächen. Der Architekt müsse detaillierte Vorgaben liefern und dürfe sich dabei nicht auf andere Baubeteiligte verlassen. In einzelnen Fällen sei ein erfahrener Bauunternehmer wohl in der Lage, Planungsfehler zu erkennen. Das schränke aber keinesfalls die Verantwortung des Architekten ein.

Im Rahmen der Leistungsphase 5 müssten Architekten Ausführungspläne für alle Gewerke erstellen und mit allen Details zeichnerisch darstellen. Nur bauliche Selbstverständlichkeiten — wie etwa technische Regeln, die zum handwerklichen Grundwissen gehörten — müssten in der Ausführungsplanung nicht ausführlich beschrieben werden.

Widerruf eines Handwerkervertrags

Kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei telefonischer Auftragsvergabe am Tag nach dem Angebot

Ein Hauseigentümer ließ von einem Dachdeckerbetrieb die Dachrinnen erneuern. Bei dieser Arbeit fiel einem der Handwerker auf, dass der Wandanschluss des Daches undicht war. Darauf wies er den Auftraggeber hin. Vor Ort erläuterte der Dachdeckermeister dem Hauseigentümer, was zu tun wäre und schätzte die Kosten auf ca. 1.200 Euro. Am nächsten Tag meldete sich der Auftraggeber per Telefon und erteilte den zusätzlichen Auftrag.

Nachdem der Handwerksbetrieb alles einwandfrei erledigt hatte, widerrief der Hauseigentümer beide Aufträge schriftlich und verlangte den Werklohn zurück. Diese Möglichkeit, Geld zu sparen, hatte er in einem Flyer entdeckt, den er nun dem Handwerker überreichte. Titel des Flyers: "Der Handwerker-Widerruf — Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern". Der überaus seriöse Dachdecker ließ sich darauf allerdings nicht ein.

Von der Justiz wurde der Streit unterschiedlich beurteilt: Während das Amtsgericht den Widerruf der Handwerkerverträge für missbräuchlich hielt, gab das Landgericht Hannover dem Hauseigentümer in Bezug auf den Zusatzauftrag Recht.

Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil wieder auf. Begründung: Wenn das Angebot des Handwerkers und die Vertragsannahme durch den Verbraucher zeitlich und räumlich auseinanderfallen, besteht kein Widerrufsrecht (VII ZR 151/22).

Das Landgericht habe unzulässig den Einwand des Dachdeckers ignoriert, dass die Parteien den Zusatzauftrag nicht schon am Haus geschlossen haben, so der BGH. Beim Ortstermin habe der Handwerker dem Hauseigentümer erklärt, welche Arbeiten erforderlich seien, um den defekten Wandanschluss zu reparieren. Dieser habe das Angebot des Handwerkers aber erst am Folgetag telefonisch angenommen. Erst damit sei der Vertrag zustande gekommen.

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers setze nicht nur voraus, dass ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei. Darüber hinaus müssten auch beide Vertragsparteien beim Vertragsschluss persönlich anwesend sein, Angebot und Annahme müssten gleichzeitig erfolgen. Schließlich solle das Widerrufsrecht Verbraucher davor schützen, außerhalb von Geschäftsräumen — also in einer möglicherweise überraschenden Situation — vorschnell eine geschäftliche Entscheidung zu treffen.

Wenn ein Verbraucher jedoch — wie hier — "eine Nacht drüber schlafen" könne, habe er die Möglichkeit, sich die Entscheidung gründlich zu überlegen. Unter diesen Umständen benötige er kein Widerrufsrecht. Der Hauseigentümer habe weder unter Zeitdruck gestanden, noch habe die Gefahr bestanden, von einem überraschenden Angebot "überrumpelt" zu werden. Wer das Angebot eines Handwerkers vom Vortag telefonisch annehme, bekomme kein Geld zurück, wenn er nach getaner Arbeit den Vertrag widerrufe.

Falsch dimensionierte Heizungsanlage

Ist eine Anlage schon deshalb mangelhaft, weil ihr die bauaufsichtliche Zulassung fehlt?

Vom Bauträger hatten acht Ehepaare acht Doppelhaushälften erworben, die nach dessen Baubeschreibung im Energiestandard "KfW-Effizienzhaus 70" errichtet werden sollten. Nach dem Einzug beanstandeten alle Käufer ihre Heizung:

Die baugleichen Heizungsanlagen seien zu gering dimensioniert, weshalb sie nun zusätzlich elektrisch heizen müssten. Trotzdem werde es im Winter in den Bädern nicht richtig warm, von den hohen Zusatzkosten ganz zu schweigen. Der vertraglich vereinbarte KfW-70-Standard werde so nicht erreicht.

Da der Bauträger jeden Mangel bestritt, zogen die Käufer vor Gericht und verlangten von ihm einen Kostenvorschuss für die Nachbesserung von insgesamt 225.000 Euro. Zu Recht, entschieden das Landgericht und das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (4 U 113/18). Während das Landgericht ganz darauf abstellte, dass die Heizungsanlagen nicht so energieeffizient funktionierten wie vereinbart, ließ das OLG diese Frage sogar offen.

Im konkreten Fall seien die Heizungsanlagen schon deshalb mangelhaft, weil ihnen die erforderliche bauaufsichtliche Zulassungsbescheinigung fehle, so das OLG. Da sie das CE-Prüfzeichen tragen, könnten sie zwar grundsätzlich auch ohne bauaufsichtliche Genehmigung in der EU verkauft und eingebaut werden. Liege diese nicht vor, sei das daher nicht prinzipiell ein Mangel, hier aber schon.

Denn die Käufer wollten für ihre Häuser die öffentliche KfW-Förderung in Anspruch nehmen — was der Bauträger natürlich gewusst habe. Dafür sei zusätzlich die bauaufsichtliche Zulassung der Anlagen notwendig: Die KfW-Bank verlange diese Bescheinigung als Nachweis, dass ein Haus die Kennwerte der Energieeinsparverordnung für ein KfW-70-Effizienzhaus erreiche. Ohne bauaufsichtlich zugelassene Heizung gebe es keine Fördermittel, der Bauträger habe also den Bauvertrag nicht erfüllt. (Das Urteil wurde am 10.5.2023 vom Bundesgerichtshof bestätigt, AZ.: VII ZR 127/22)

Wenn nachts die Hähne krähen

Wird die nachts zulässige Lautstärke überschritten, können Nachbarn Schallschutzmaßnahmen verlangen

Einmal mehr musste sich die Justiz mit dem bayerischen Dorfleben befassen: In einer ländlich geprägten Gegend fühlte sich ein Hauseigentümer durch die drei Hähne des Nachbarn gestört: Sie krähten nämlich besonders gerne in der Nacht. Davon wachten der Hauseigentümer und seine Frau regelmäßig auf. Deshalb erhob er Unterlassungsklage und ließ den Geräuschpegel messen. Resultat: Die Hähne erreichten einen beachtlichen Höchstpegel von bis zu 65 dB (A).

Gemäß TA Lärm ("Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm") ist von 22 Uhr bis 6 Uhr nur eine Lautstärke von 60 dB (A) zulässig. Diesen Grenzwert überschritt also das Krähen, was auch das Amtsgericht einräumte. Es wies dennoch die Klage des Hauseigentümers ab, weil in einem ländlich geprägten Gebiet das Halten von Nutztieren zur Selbstversorgung ortsüblich sei. Der Nachbar müssten daher die Beeinträchtigung hinnehmen.

Der Nachbar legte gegen das Urteil Berufung ein und setzte sich beim Landgericht Mosbach durch (5 S 47/22). Anders als das Amtsgericht verneinte das Landgericht eine "Duldungspflicht": Man könne auch in ländlichen Gebieten nicht jeglichen Lärmschutz mit dem pauschalen Hinweis aushebeln, dass Tierhaltung ortsüblich sei und dass das auch für Tierhaltung aus Liebhaberei gelte.

Die Gesundheit der Anwohner, die unter ständigen Schlafstörungen leide, sei höher zu bewerten als der Wunsch der Nachbarn, ihr Hobby Hühnerzucht ungestört auszuüben. Die Nachbarn müssten dafür sorgen, dass nachts das Krähen unter dem zulässigen Höchstwert bleibe. Die vom Sachverständigen geschätzten Kosten für eine Schallisolierungsmaßnahme (ca. 4.000 Euro) seien für die Hühnerzüchter wirtschaftlich zumutbar.

Radfahrer rammt Bauschuttcontainer

Auf Gehwegen dürfen E-Biker jedoch gar nicht fahren: Wer haftet für die Unfallfolgen?

Ein E-Biker war gegen 21.30 Uhr auf einem Bürgersteig unterwegs. Weil der Untergrund holprig war, hatte er die Fahrradlampe auf "Nahbereich" eingestellt, um den Boden zu beleuchten. Als der Radfahrer an einem Baugrundstück vorbeikam, stieß er gegen einen Container voller Bauschutt, der in den Gehweg hineinragte. Der Mann stürzte und verletzte sich dabei erheblich. Sein E-Bike, Kleidungsstücke und die Armbanduhr wurden bei dem Radunfall beschädigt.

Vom Hauseigentümer und vom Bauunternehmer, der den Container im Auftrag des Bauherrn aufgestellt hatte, verlangte der Verletzte 20.000 Euro Schadenersatz und mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld. Er warf ihnen vor, ihre Verkehrssicherungspflicht gravierend verletzt zu haben: Sie hätten den Container so platziert, dass er ein einziges Verkehrshindernis darstellte. Im Prinzip sah es auch das Oberlandesgericht Brandenburg so (6 U 27/22).

Es gab dem E-Biker Recht, kürzte allerdings seinen Anspruch um zwei Drittel. Richtig sei: Bauunternehmer müssten Baustellen so einrichten, dass keine Gefahr für den Verkehr entstehe. Wenn nötig, müssten sie Warnzeichen und/oder Schutzvorrichtungen anbringen, Verkehrshindernisse beleuchten. Dafür sei auch der Bauherr mitverantwortlich. Er hafte daher gemeinsam mit dem Bauunternehmer für ein Drittel des Schadens.

Doch in erster Linie habe sich der Radfahrer den Unfall selbst zuzuschreiben. Radfahrer müssten grundsätzlich auf der Straße fahren, E-Biker erst recht. Sie dürften den Gehweg nicht benützen — schon deshalb, weil Fußgänger deutlich langsamer seien als Radfahrer. Außerdem würden auf Gehwegen häufig von Anwohnern Gegenstände abgestellt, z.B. Fahrräder. Schnelle E-Bike-Fahrer könnten auf Gehwegen also ständig auf Hindernisse treffen, damit müssten sie rechnen.

Darüber hinaus habe der Radfahrer offenkundig gegen das "Sichtfahrgebot" verstoßen: Er dürfe nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten könne. Da der E-Biker sein Fahrradlicht auf den Nahbereich eingestellt habe, sei die übersehbare Strecke offenbar ziemlich kurz gewesen. Den Container habe er entweder ganz übersehen oder er habe ihn bemerkt und nicht rechtzeitig bremsen können. Beides spreche dafür, dass der Radfahrer unkonzentriert und/oder viel zu schnell gefahren sei.

Über löchriges Malervlies im Treppenhaus gestürzt

Wer "sehenden Auges" ein gut erkennbares Risiko eingeht, erhält kein Schmerzensgeld

Auf der Treppe eines Mietshauses lag wegen Bauarbeiten schon seit mehreren Wochen ein Malervlies — ziemlich strapaziert und löchrig. Im Haus hat auch ein Fahrdienst Räume gemietet. Der bauleitende Architekt hatte der Firma mitgeteilt, ihre Fahrer sollten die Treppe möglichst nicht benutzen und das Gebäude über den Hintereingang betreten. Diese Anweisung gab die Firma an die Mitarbeiter weiter.

Doch Fahrer K ignorierte sie und lief immer über die Treppe. Eines Tages blieb er beim Hinuntergehen in einem Loch im Malervlies hängen, stolperte und stürzte die Treppe hinab. Der verletzte Fahrer forderte vom Hauseigentümer und vom bauleitenden Architekten 30.000 Euro Schmerzensgeld. Darauf habe K keinen Anspruch, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (3 U 3080/22).

Ausnahmsweise müsse hier der Verletzte den Schaden alleine tragen, so das OLG. Denn K sei "sehenden Auges ein für jedermann erkennbares Risiko eingegangen". Den Zustand des Malervlieses habe niemand übersehen können. Und K sei mehrmals täglich hier aus- und eingegangen. Dem offenkundigen Risiko, hier zu stolpern, hätte der Fahrer leicht ausweichen können, wenn er den anderen Gebäudeeingang genommen hätte.

Im Vergleich mit seinem Beitrag zum Treppensturz seien die minimalen Beiträge des Bauleiters und des Hauseigentümers zu vernachlässigen. Sie hätten natürlich das Malervlies erneuern sollen — das schon. Aber da es sich hier um eine offenkundige Gefahr handelte, vor der sich K durch Vorsicht ohne Weiteres selbst hätte schützen können, dürften er und andere Benutzer der "Baustelle Treppenhaus" hier keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen erwarten.

Vertragsfreiheit beim Grundstückskauf

Verhandlungen können jederzeit abgebrochen werden: kein Ersatz für Aufwendungen

Fast zweieinhalb Jahre verhandelten ein Grundstückseigentümer und ein potenzieller Käufer über ein Grundstück. Der Verkäufer hatte dem Interessenten ein "unverbindliches Kaufangebot" mit den wichtigsten Daten geschickt (Grundstücksgröße, Kaufpreis, Rahmenbedingungen). Außerdem sicherte er dem Interessenten zu, dass er über das Grundstück nicht mit anderen Bewerbern spreche. Daraufhin beauftragte der Kaufinteressent schon mal einen Steuerberater und einen Architekten.

Doch dann überlegte es sich der Grundstückseigentümer anders und verkaufte nicht. Nun forderte der düpierte Kaufinteressent Ersatz für die vergeblich aufgewendeten Kosten: Nach den detaillierten Vertragsverhandlungen habe er davon ausgehen dürfen, dass dem Abschluss des Kaufvertrags nichts mehr im Wege stehe. Nur weil er darauf vertraute, habe er kostenpflichtig einen Architekten und einen Steuerberater beauftragt, Bau und Kaufvertrag vorzubereiten.

Das Landgericht Wuppertal wies die Klage des verhinderten Käufers ab (6 O 101/22). Vertragsfreiheit bedeute: Bis zum endgültigen Vertragsschluss seien die Verhandlungsparteien grundsätzlich frei in ihren Entscheidungen. Das gelte auch dann, wenn eine Verhandlungspartei im Hinblick auf den erhofften Vertragsschluss bereits Geld ausgegeben habe. Anspruch auf Schadenersatz für vergeblich getätigte Aufwendungen bestehe nur in Ausnahmefällen.

Das treffe dann zu, wenn eine Partei ohne triftigen Grund die Verhandlungen abbreche — obwohl sie vorher eindeutig den Eindruck erweckt habe, der Vertrag werde zustande kommen. So sicher habe der Kaufinteressent im konkreten Fall aber nicht mit dem Abschluss des Kaufvertrags rechnen können. Wenn der Grundstückseigentümer sein Interesse am Verkauf absichtlich nur vorgespiegelt hätte, würde so ein Verstoß gegen die Treuepflicht Anspruch auf Schadenersatz begründen. So ein Fehlverhalten sei hier aber nicht ersichtlich.

Statik eines Neubaus falsch eingeschätzt

Prüfingenieur sollte im Auftrag des Bauherrn die Standsicherheit prüfen: Haftung nach Werkvertrags-Regeln

In der Regel sind Prüfingenieure für Bauaufsichtsbehörden tätig und prüfen — im hoheitlichen Auftrag und im öffentlichen Interesse — die Standsicherheit von Bestandsgebäuden oder geplanten Neubauten. Das hängt allerdings von der Landesbauordnung ab. Die Hessische Bauordnung verzichtet auf die präventive Baukontrolle und verpflichtet die Bauherren, selbst Sachverständige mit der Prüfung der Statik zu beauftragen.

Wird ein Prüfingenieur direkt vom Bauherrn beauftragt, vor dem Baubeginn die Pläne für den Neubau eines Einfamilienhauses zu prüfen und der Bauaufsichtsbehörde die bautechnischen Nachweise für die Standsicherheit vorzulegen, haftet er nach den Regeln des Werkvertrags gegenüber dem Bauherrn für das Prüfergebnis, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (14 U 202/12).

Im konkreten Fall war ein Neubau in Hanglage errichtet worden, dessen Kelleraußenwand der Belastung durch den Erddruck nicht standhielt. Schon bald zeigten die Mauern Risse, letztlich verschob das Erdreich das gesamte Bauwerk. Ein Bausachverständiger stellte fest, der Prüfingenieur hätte die Standsicherheit des geplanten Kellers niemals bescheinigen dürfen: Eine gemauerte Wand habe den Druck an diesem Hang nicht aushalten können. Hier hätte man eine Kellerkonstruktion aus starkem Stahlbeton gebraucht.

Daraufhin forderte der Bauherr vom Prüfingenieur Schadenersatz in Höhe der Sanierungskosten. Zu Recht, wie das OLG fand: Werde ein Prüfingenieur direkt vom Bauherrn beauftragt, arbeite er in dessen Interesse und schulde ihm eine korrekte Prüfung aller für die Statik wichtigen Pläne. Diese dürfe er nur freigeben, wenn ihre Umsetzung zu einem standsicheren Bau führe. Die Werkleistung des Prüfingenieurs sei mangelhaft gewesen.

Reihenhausbau schlecht geplant und überwacht

Architekturbüro haftet für unzulänglichen Wärme- und Schallschutz

Ein Ehepaar ließ ein Reihenmittelhaus bauen und beauftragte ein Architekturbüro mit der Planung und Bauüberwachung. Im Architektenvertrag stand zwar nicht, dass es ein Energiesparhaus gemäß "KfW-60-Standard" werden sollte. Doch bei Besprechungen mit den Bauherren betonte eine Architektin mehrmals, sie planten gemäß "KfW-60-Standard". Sie bestätigte dies auch im Kreditantrag der Bauherren, adressiert an die staatliche "Kreditanstalt für Wiederaufbau" (KfW).

Das fertige Reihenhaus erfüllte jedoch die Anforderungen eines Energiesparhauses nicht: weder die Vorgaben für den Schallschutz, noch die für den Wärmeschutz. Deshalb forderten die Auftraggeber vom Architekturbüro einen Vorschuss für den Anbau von Verschattungsanlagen und für den Austausch der Fenster. Sie wollten Fenster mit Drei-Scheiben-Isolierverglasung einbauen.

Die Architekten wiesen die Forderung als völlig überzogen zurück und behaupteten, der Standard eines Energiesparhauses sei nie vereinbart worden. Dem widersprach das Kammergericht Berlin (7 U 1101/20). Auch wenn sich im Vertrag kein Hinweis auf "KfW-60-Standard" finde, folge aus den Umständen des Vertragsschlusses, dass er vereinbart worden sei: Dieser Standard werde beim KfW-Kreditantrag vorausgesetzt.

Strebe ein Bauherr eine staatlich geförderte Finanzierung an, die nur für einen bestimmten Energie-Standard gewährt werde, und der Architekt wisse darüber Bescheid, müsse er auch dafür sorgen, dass dieser Standard erreicht werde. Das habe die bauüberwachende Architektin hier nicht getan. Trotz der Hinweise des Fensterbauers, zweifach verglaste Fenster seien unzureichend, habe sie die vertragswidrigen Fenster einbauen lassen und nicht auf die für den "KfW-60-Standard" notwendige Qualität geachtet.

Das Architekturbüro treffe also erhebliches Verschulden. Schon deshalb sei die Forderung der Bauherren nach Verschattungsanlagen und dem Austausch aller Fenster nicht unverhältnismäßig. Der durch Versäumnisse der Architekten entstandene Baumangel führe zu höheren Heizkosten im Winter und heißen Innenräumen im Sommer. Er mindere also Wohnwert und Wert des Gebäudes erheblich. Das Ehepaar habe ein berechtigtes Interesse an einer vertragsgemäßen Nachbesserung des Gebäudes.

Schallprognose für Windkraftanlage fehlerhaft?

Landwirt klagt vergeblich gegen die Genehmigung für die Anlage

Das Wohnhaus des Grundeigentümers befindet sich am Rand der Stadt W, einige Ackerflächen südlich davon gehören ihm. Auf einem angrenzenden Waldstück, ca. 800 Meter vom Wohnhaus entfernt, war der Bau einer weiteren Windenergieanlage geplant und vom Landkreis trotz eines nahen Naturschutzgebiets genehmigt worden: Es seien keine zusätzlichen Auswirkungen auf die Umwelt zu befürchten, so das Ergebnis der Umweltprüfung.

Dem widersprach der Landwirt, weil er die Schallprognose für das Bauvorhaben für fehlerhaft hielt: Der Standort sei bei zehn Grad Celsius schalltechnisch vermessen worden. Vor Ort herrschten aber im Winter nachts regelmäßig Temperaturen weit unter "Null". Das wirke sich auf die Ausbreitung des Schalls aus: Die Gesamtbelastung an seinem Haus werde deutlich über dem berechneten Wert liegen und 45 dB(A) überschreiten.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen konnte diese Befürchtungen nicht nachvollziehen und wies die Klage gegen die Genehmigung für die Windenergieanlage ab (7 D 316/21.AK). Das bei der Umweltprüfung benutzte Prognosemodell gehe von den für die Schallausbreitung günstigsten Witterungsbedingungen aus, erklärte das OVG: Kälte könne daher im Winter den Schallpegel nicht erheblich erhöhen.

Die Sorge des Grundeigentümers, die Lärmwerte könnten durch altersbedingten Verschleiß der Windenergieanlagen ansteigen, sei nicht ganz unberechtigt. Das bedeute aber ebenfalls nicht, dass die Genehmigung rechtswidrig wäre. Sollte sich Verschleiß auf diese Weise auswirken und die Anlagengeräusche den zulässigen Schallpegel überschreiten, wäre die zuständige Behörde des Landkreises verpflichtet, im Rahmen der Anlagenkontrolle einzuschreiten. Dasselbe gelte für den Fall, dass die älteren Windenergieanlagen in der Umgebung die nächtlichen Lärmrichtwerte überschreiten.

Defektes elektrisches Garagentor verletzt Mieter

Die Hauseigentümerin haftet, wenn sich Gebäudeteile ablösen

Ein Autofahrer durfte für Besorgungen den Wagen seiner Vermieterin benutzen, der in der Garage stand. Als er unter dem elektrischen Garagentor, System "Genie", hindurchging, fiel das Tor schlagartig herunter und verletzte ihn am Kopf. Er verlangte von der Vermieterin Schmerzensgeld: Sie müsse als Eigentümerin des Gebäudes haften, wenn sich Teile davon ablösten und Menschen verletzten. So stehe es im Gesetz.

Das Oberlandesgericht München bejahte den Anspruch des verletzten Mieters (21 U 3056/94). Nach der genannten Vorschrift müsse die Hauseigentümerin für die Folgen geradestehen, wenn das Haus oder Teile des Bauwerks fehlerhaft errichtet oder nachlässig unterhalten wurden. Im konkreten Fall habe der TÜV festgestellt, dass die Art und Weise, wie das Garagentor auf einen elektromechanischen Antrieb umgerüstet worden sei, nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen habe.

Haus mit undichtem Flachdach erworben

Schadenersatzklage des Käufers wurde zu Unrecht als "schlecht begründet" abgewiesen

Mit notariellem Kaufvertrag erwarb Herr T von einer Immobilienfirma ein Einfamilienhaus. Wie üblich, wurde im Vertrag die Haftung der Verkäuferin für Sachmängel ausgeschlossen. Trotzdem verlangte der Käufer einige Monate nach Vertragsschluss 18.000 Euro Schadenersatz für notwendige Sanierungsarbeiten.

Das Flachdach der Immobilie sei undicht, Wasser dringe ins Gebäude ein, erklärte der Käufer. Diesen Mangel habe ihm die Verkäuferin arglistig verschwiegen, daher greife der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss nicht.

Doch beim Oberlandesgericht (OLG) Koblenz scheiterte seine Klage: Die Höhe der Forderung sei nicht nachvollziehbar, so das OLG. Nach dem Gutachten seines Privatsachverständigen solle es 10.000 Euro kosten, die Abdichtung zu erneuern, 8.000 Euro werde für die Korrektur der fehlerhaften Wandanschlüsse im Dach veranschlagt. Diese sehr grobe Schätzung genüge nicht, um die Klage zu begründen: Im Gutachten werde nicht dargelegt, welche Reparaturen mit welchen Materialien notwendig seien und welcher Zeitaufwand für die Reparatur kalkuliert werde.

Die Behauptung, die Klageforderung sei unzureichend begründet, sei "offenkundig unrichtig", urteilte der Bundesgerichtshof (V ZR 128/22). Mit dieser harschen Kritik verwiesen die Bundesrichter den Rechtsstreit ans OLG zurück.

Wenn es, wie hier, um fachspezifische Fragen gehe, die besondere Sachkunde erforderten, dürfe man an den Sachvortrag eines Klägers keine überzogenen Anforderungen stellen. Um sein Verlangen zu begründen, müsse Herr T keinen detaillierten Kostenvoranschlag für die Sanierung vorlegen, die einzelnen Reparaturschritte darlegen, Material und Zeitaufwand konkret benennen! Das OLG dürfe von einem fachunkundigen Immobilienkäufer keine genaue Kenntnis der fälligen Arbeiten und des dafür nötigen Aufwands erwarten.

Kläger seien auch nicht verpflichtet, sich für einen Prozess um Schadenersatz Fachwissen anzueignen oder sich vorab von Sachverständigen helfen zu lassen. Herr T habe mit dem Auftrag für einen Sachverständigen, den Sanierungsaufwand grob einzuschätzen, ohnehin schon mehr getan, als er für das Gerichtsverfahren hätte tun müssen. Prinzipiell könnten sich Kläger in solchen Fällen mangels eigener Sachkunde darauf beschränken, zunächst nur von ihnen vermutete Tatsachen vorzutragen.

EuGH stärkt Verbraucherrechte

Übers Widerrufsrecht nicht informiert: Kunde muss Elektrikerleistungen nicht bezahlen

Ein Hauseigentümer erteilte einem Elektriker den Auftrag, die Elektroinstallation seines Hauses zu erneuern. Wenn so ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Handwerkers bzw. Dienstleisters geschlossen wird, steht dem Verbraucher 14 Tage lang das Recht zu, den Vertrag zu widerrufen. Im konkreten Fall traf das zu — die Handwerksfirma versäumte es aber, den Kunden über sein Widerrufsrecht zu informieren.

Diesen Fehler nutzte der Hauseigentümer und widerrief den Vertrag, nachdem der Elektriker den Auftrag erfüllt und seine Leistungen in Rechnung gestellt hatte. Die Handwerksfirma habe wegen der unterlassenen Information über das Widerrufsrecht keinen Anspruch auf Vergütung, argumentierte der Kunde. Bei so einem Versäumnis verlängere sich die Widerrufsfrist um ein Jahr. Der Elektriker habe also die Arbeiten vor Ablauf der Frist ausgeführt. Er, der Kunde, habe deshalb den Vertrag noch widerrufen dürfen.

Das deutsche Gericht, das über die unbezahlte Elektrikerrechnung zu entscheiden hatte, legte den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der EuGH sollte die Frage beantworten, ob gemäß EU-Recht in so einem Fall der Anspruch des Handwerkers auf Vergütung ausgeschlossen ist — obwohl der Verbraucher den Vertrag erst widerrief, als die Arbeit bereits getan war.

Der Verbraucher sei in diesem Fall nicht verpflichtet, die Leistungen zu vergüten, lautete die Antwort des EuGH (C-97/22). Wenn außerhalb von Geschäftsräumen über Verträge verhandelt werde (auf Messen, an der "Haustüre"), seien Verbraucher leichter unter Druck zu setzen oder zu überraschen. Das Widerrufsrecht solle Verbraucher davor schützen und die 14-Tage-Frist gewährleiste, dass sie sich den Vertragsschluss in Ruhe noch einmal überlegen könnten.

Daher sei die Information über das Widerrufsrecht für Verbraucher von großer Bedeutung. Wenn ein Dienstleister Kunden darüber nicht aufkläre, könnten sie den Vertrag auch dann noch widerrufen, wenn ihn der Dienstleister bereits erfüllt habe. Der Verbraucher sei dann von jeder Zahlungspflicht befreit. Der Unternehmer müsse auch die Kosten selbst tragen, die er aufwenden musste, um den Auftrag zu erfüllen.

Ackerfurchen für Kartoffeln angelegt

Haftet der Landwirt deshalb für Wasserschäden in einem weiter unten liegenden Haus?

Zwei Mal hatten Hauseigentümer nach starken Regenfällen Wasser aus ihrem Keller pumpen müssen. Verursacht habe den Schaden letztlich ein geänderter Anbau auf einem höher gelegenen Acker, erklärten sie und forderten Schadenersatz vom Landwirt. Dieser hatte auf dem Acker früher Getreide angebaut und dann auf Kartoffeln umgestellt. Für das Setzen der Kartoffeln hatte der Landwirt Ackerfurchen angelegt — hangabwärts ausgerichtet.

Für die Hauseigentümer stand damit fest, wie es zum Wasserschaden kam: Bei starkem Regen sei über die Furchen viel mehr Wasser abwärts geflossen als früher, quer über einen Wirtschaftsweg in eine Kuhle auf dem benachbarten städtischen Grundstück. Dort habe sich ein Teich gebildet, der dann Wasser durch ihre Kellermauern gedrückt habe.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wies die Schadenersatzklage der Hauseigentümer ab: Möglicherweise habe der Kartoffelanbau den Wasserabfluss vom Acker etwas verstärkt. Wollte man jedoch in solchen Fällen eine Haftung bejahen, könnten Bauern in hügeligen Gegenden überhaupt nichts mehr anbauen, so die Begründung. Gegen diese Entscheidung legten die Nachbarn Revision ein.

Doch im Wesentlichen beurteilte der Bundesgerichtshof den Fall genauso (III ZR 92/22). Das Wasserhaushaltsgesetz verpflichte zwar die Eigentümer höher gelegener Grundstücke, Änderungen zu unterlassen, die für tiefer liegende Grundstücke nachteilig sein könnten. Im Bereich der Landwirtschaft müsse man diese Vorschrift aber eng auslegen, um Ackerbau nicht unmöglich zu machen: Werde der Wasserabfluss von einem Feld durch übliche landwirtschaftliche Nutzung erhöht, sei dies nicht als unzulässiger Eingriff ins Eigentum der Nachbarn anzusehen.

Landwirte müssten auf ihre Nachbarn Rücksicht nehmen, soweit wie das bei ihrer Art und Weise des Anbaus möglich sei. Sie müssten also nicht auf bestimmte Pflanzen oder Anbauarten verzichten. Eine Haftung für die Schäden käme nur in Betracht, wenn der Landwirt die Ackerfurchen ohne Notwendigkeit nach dem Gefälle ausgerichtet hätte. Ob das notwendig sei, um Kartoffelpflanzen zu kultivieren, müsse das OLG Düsseldorf noch prüfen und dann dem Ergebnis entsprechend über den Fall entscheiden.

Bei Bauarbeiten Nachbars Baum beschädigt

Die Baugenehmigung enthielt detaillierte Auflagen zum Schutz der Bäume

Im Garten von Ehepaar A stand nahe an der Grundstücksgrenze ein über 40 Jahre alter Walnussbaum. Teilweise waren seine Wurzeln mit denen eines Urweltmammutbaums auf dem Grundstück von Ehepaar B verwachsen. Die Stadt genehmigte ein Bauvorhaben der Architektin B auf ihrem eigenen Grund. Dafür durfte sie auch geschützte Bäume fällen: Allerdings war die Erlaubnis verknüpft mit Auflagen des Gartenbauamts zum Schutz der Bäume im Nachbarsgarten.

Im Auftrag von Frau B begann eine Baufirma mit dem Roden von Sträuchern und Bäumen. Bei den Erdarbeiten riss ein Arbeiter mit einer Baggerschaufel auch eine Wurzel des Walnussbaums ab. Daraufhin verhängte das Bauordnungsamt vorübergehend einen Baustopp, was den Baum aber nicht mehr rettete. Die Nachbarn A ließen ihn schließlich fällen. Vom Ehepaar B forderten sie Schadenersatz für den wertvollen Baum und die Beseitigungskosten von 2.261 Euro.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (12 U 92/22). Zwar hätten Eigentümer im Prinzip das Recht zur Selbsthilfe, wenn vom Nachbargrundstück aus Zweige und Wurzeln eindringen. Doch das Recht, über die Grundstücksgrenze hinüberwachsende Zweige und Wurzeln geschützter Bäume abzuschneiden, werde von der kommunalen Baumschutzsatzung eingeschränkt.

Hätte die Baufirma die daraus abgeleiteten Auflagen beachtet, wäre das Wurzelsystem des Walnussbaums durch die Bauarbeiten kaum beeinträchtigt worden. Für den Verlust des Baums hafte allerdings nicht die Firma, sondern das Ehepaar B. Die Bauherren treffe nämlich auch selbst die Pflicht, die behördlichen Auflagen einzuhalten und die in der Baugenehmigung vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen für die Bäume umzusetzen.

Das gelte auch dann, wenn sie eine fachkundige Baufirma beauftragten. Und im konkreten Fall erst recht, denn Architektin B habe als verantwortliche Bauleiterin den Baufortschritt nahezu täglich im Detail verfolgt. Sie hätte auf der Baustelle erkennen können und müssen, dass die Baufirma nicht die geforderten Maßnahmen zum Schutz der Bäume an der Grundstücksgrenze ergriffen habe (z.B. Berliner Verbau).

Thujahecke an der Grundstücksgrenze abgesägt

Der Nachbar vermisst den Sichtschutz und fordert Schadenersatz von der Hauseigentümerin

An der Grenze zwischen zwei Grundstücken stand eine hohe Thujahecke, die beiden Seiten guten Sichtschutz bot. Die Hecke stand auf dem Grundstück von Hauseigentümerin A, die Äste ragten weit ins Grundstück des Nachbarn B hinein. Das störte B überhaupt nicht. Empört war er jedoch, als Frau A eines Tages die Hecke vollständig entfernen ließ: Ein Gärtner sägte alle Stämme knapp über dem Boden ab.

Offenbar legte Hauseigentümerin A wenig Wert auf den Sichtschutz, B dafür umso mehr. Der Nachbar verklagte Frau A sogar auf Zahlung von Schadenersatz, so sehr vermisste er die Hecke. Darauf habe er keinen Anspruch, erklärte das Oberlandesgericht Zweibrücken (8 U 52/21). Alle Stämme der Hecke seien vollständig auf dem Grundstück von Frau A aus dem Boden gewachsen.

Als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Thujahecke gewachsen sei, könne sie die Hecke ohne Einverständnis des Nachbarn entfernen — auch wenn sie für die Bewohner beider Grundstücke ein guter Sichtschutz gewesen sei. Dass in der Höhe viele Äste über die Grundstücksgrenze ragten, ändere daran nichts.

Anders läge der Fall nur, wenn einzelne Stämme ganz oder teilweise auf dem Grundstück des Nachbarn gewachsen wären. Dann könnte Herr B wegen der von ihm nicht genehmigten Abholzaktion einen Anspruch auf Schadenersatz geltend machen.

Unzulässige Vertragsklausel eines Fertighausanbieters

Für mangelhafte Bauteile wollte er nur haften, wenn sie gemäß den Herstellervorschriften gewartet wurden

Ein Verbraucherschutzverband beanstandete mehrere Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Fertighausanbieters, weil sie die Kunden unangemessen benachteiligten. Darunter diese Klausel: Für Bauteile, die regelmäßig gewartet werden müssen, übernimmt die Firma Gewährleistung nur dann, "wenn hierfür entsprechende Wartungen gemäß den Herstellervorschriften nachgewiesen werden".

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz erklärte die Klausel für unwirksam (2 U 63/22). Die Gewährleistung für Mängel per AGB-Klausel auszuschließen, sei unzulässig. Und so, wie die betreffende Klausel formuliert sei, komme sie einem Ausschluss gleich, stellte das OLG fest. Denn die Firma mache ihre Haftung für einzelne Bauteile von einer Bedingung abhängig, die vom Gesetz überhaupt nicht vorgesehen sei.

Bei Mängeln einzelner Bauteile — sofern sie regelmäßig gewartet werden müssen — unterlaufe die Firma mit dieser Klausel die Rechte der Bauherren, indem sie ihre Haftung an den Nachweis der Wartung gemäß Herstellervorschriften knüpfe. Laut Gesetz lägen dann zwar die Voraussetzungen für eine Haftung vor — nach der AGB-Klausel hätten die Bauherren trotzdem kein Recht auf Nachbesserung.