Innenpolitik

Beamtin Mitglied einer fragwürdigen Sekte?

Anfrage eines Landtagsabgeordneten steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit

Ein CSU-Abgeordneter richtete an die Bayerische Staatsregierung eine Anfrage zur Sektenproblematik. Unter anderem ging es um das Gerücht, eine leitende Beamtin der Stadt B. sei Angehörige der Sekte Guru Thakar Singh und an Kindesmisshandlungen beteiligt gewesen. Die Beamtin wollte dem Abgeordneten die Verbreitung solcher Behauptungen verbieten lassen.

Das lehnte das Oberlandesgericht Nürnberg jedoch ab (5 U 98/94). Der Abgeordnete habe seine Anfrage auf einen Fernsehbericht gestützt, der zeige, wie Sektenmitglieder Kinder beim Meditieren durch leichte Schläge am Einschlafen hinderten. Dies sei als eine Form von Misshandlung einzustufen.

Da die Beamtin tatsächlich für die dubiose Sekte tätig gewesen sei, sei die Anfrage des Abgeordneten von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Mittlerweile habe sich die Beamtin zwar von den Praktiken der Sekte distanziert. Das ändere aber nichts an ihrer Tätigkeit in der Vergangenheit, auf die sich die Anfrage bezogen habe.

Mutmaßliche Rechtsradikale muss Waffen abliefern

Die Frau hatte bei der Waffenbehörde eine Adresse angegeben, an der sie nicht wohnte

Wegen ihres engen Kontakts zu rechtsextremen Kreisen geriet Frau X ins Visier der Verfassungsschützer. Bei den Sicherheitsermittlungen kam heraus, dass sie zwar legal über Waffen verfügte. Doch im Antrag auf eine Waffenbesitzkarte hatte Frau X die Anschrift eines Bekannten angegeben. In dessen Wohnung war sie gemeldet, tatsächlich wohnte sie aber nicht dort.

Kein Wunder also, dass die Waffenbehörde vergeblich versucht hatte, in dieser Wohnung zu kontrollieren, ob Frau X Waffen und Munition sicher aufbewahrte. Die Behörde widerrief deshalb die waffenrechtliche Erlaubnis und wies die Frau an, ihre Waffen abzugeben. Gegen den Bescheid wehrte sie sich: Das Waffengesetz schreibe nicht vor, Waffen nur am Wohnsitz zu verwahren — auch in einer Jagdhütte sei das z.B. möglich. An ihrem tatsächlichen Wohnsitz habe sie Waffen und Munition jedenfalls ordnungsgemäß gelagert.

Richtig sei, dass Waffenbesitzer ihre Waffe auch in einem Bankschließfach oder in einer Jagdhütte im verschließbaren Waffenschrank aufbewahren dürften, stellte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern fest (1 M 254/22). Das Waffengesetz sehe aber sehr wohl eine Anzeigepflicht in Bezug auf die Wohnanschrift des Waffenbesitzers vor. Und Frau X habe eine andere Adresse angegeben als die, an der sie wohnte. Das verstoße in grober Weise gegen das Waffengesetz.

Ihrem Antrag auf eine Waffenbesitzkarte habe sie zudem Bilder eines eingebauten Waffenschranks beigefügt und so den falschen Eindruck erweckt, der Schrank stehe an der angegebenen Adresse. Ein halbes Jahr lang habe die Waffenbehörde nicht gewusst, wo sich die Waffen von Frau X befanden. Auf diese Weise habe sie Kontrollen vereitelt, die der Waffenbehörde jederzeit unangekündigt möglich sein müssten. Schon aus diesem Grund fehle es der Frau an der erforderlichen Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen. Der Widerruf der Waffenerlaubnis sei daher rechtmäßig.

Wehrdienstunfähiger will Kriegsdienst verweigern

Er muss auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer warten, bis er "tauglich" ist

Wer aus Gewissensgründen keinen Wehrdienst leisten will, kann beantragen, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden. Mit dem Antrag eines Wehrpflichtigen wollte sich die zuständige Behörde jedoch gar nicht erst befassen: Es sei festgestellt worden, dass er nicht wehrdienstfähig sei, teilte sie mit, daher stehe er weder für den Wehr- noch für den Zivildienst zur Verfügung.

Damit war der junge Mann nicht einverstanden. Sein Argument: Er müsse mit einer Nachuntersuchung rechnen, bei der sich seine Wehrtauglichkeit herausstellen könnte. Daher wolle er bereits jetzt ausschließen, in Zukunft zum Dienst mit der Waffe herangezogen zu werden. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt dem Betroffenen das Rechtsschutzbedürfnis für das Anerkennungsverfahren (6 B 15.94).

Sollte sich sein Gesundheitszustand bessern und dann eine Einberufung in Frage kommen, sei die Behörde verpflichtet, beschleunigt über seinen Antrag zu entscheiden. Werde der junge Mann noch vor dieser Entscheidung einberufen, würde er ohnehin nur zum waffenlosen Dienst in der Bundeswehr herangezogen. Dass sein Antrag auf Anerkennung zurückgestellt worden sei, verletze daher nicht das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung.

Der Polizei die Personalien vorenthalten

Bundesverfassungsgericht streicht das verhängte Bußgeld, weil der Demonstrant im Recht war

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass eine Geldbuße wegen Auskunftsverweigerung nur dann verhängt werden darf, wenn das Auskunftsverlangen der Polizei nicht nur formell, sondern auch inhaltlich rechtmäßig war. Da Personenkontrollen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen, müssen die einschlägigen Vorschriften dem Umfang nach klar geregelt sein - und zudem muss auch das Vorgehen der Polizei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen das Urteil eines Strafgerichts, das einen Bürger zu Bußgeld verdonnert hatte, der der Polizei seine Personalien vorenthalten hatte. Der Mann war an der Schlusskundgebung einer Demonstration gegen den Golfkrieg vorbeigekommen und hatte mitgeholfen, die Transparente hochzuhalten.

Die Polizei hielt fälschlicherweise die Demonstration für eine unangemeldete Versammlung (eine Straftat nach dem Versammlungsgesetz), weil die Parolen auf den Transparenten vom Motto der angemeldeten Demonstration abwichen. Deshalb forderte die Polizei die Demonstranten auf, ihre Personalien anzugeben - was unter anderen der Beschwerdeführer ablehnte.

Wegen der Besonderheit derartiger Situationen, die ein schnelles Einschreiten der Polizei erforderlich machen, beschränkten die Richter bislang die Prüfung, ob das Vorgehen der Polizei rechtmäßig war, im wesentlichen auf die Frage, ob sie zuständig war. Das ist nach Ansicht Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend und werde den in der Verfassung garantierten Grundrechten nicht gerecht (1 BvR 1564/92).

Die Strafgerichte hätten im konkreten Fall trotz begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des polizeilichen Auskunftsverlangens nicht einmal geprüft, ob das Verhalten des verurteilten Bürgers rechtswidrig war. Immerhin habe er sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrgenommen. Die Strafurteile seien daher aufzuheben.

Kriegsdienstverweigerer will keine verwundeten Soldaten pflegen

Mit dieser Begründung kann er den Wehrdienst, nicht aber den Zivildienst verweigern

Anerkannte Kriegsdienstverweigerer müssen keinen Zivildienst leisten, wenn ihnen ihr Gewissen auch dies verbietet und weitere Voraussetzungen vorliegen. Sie müssen dann mindestens ein Jahr länger, als der Zivildienst dauert, im Pflegebereich arbeiten.

Ein junger Mann begründete seine Totalverweigerung damit, dass er in einen Gewissenskonflikt geraten würde, wenn er als Zivildiensthelfer im Kriegsfall verwundete Soldaten versorgen müsste.

Dieses Argument ließ das Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht gelten (8 C 9/93 und 8 C 21/93). Das Gesetz schütze den Totalverweigerer nur dann, wenn sein Gewissen ihm verbiete, sowohl im Frieden als auch im Krieg Zivildienst zu leisten. Hier lehne der Betroffene aber nur die Heranziehung im Krieg ab. Die Begründung sei auch deswegen nicht als "Gewissensentscheidung" anzuerkennen, weil im Verteidigungsfall die Befreiung vom Zivildienst weitgehend aufgehoben sei. Im Krieg könnten Totalverweigerer dem Zivildienst nämlich nur entgehen, wenn sie ohnehin im Pflegebereich arbeiteten.

FDP muss Scientology-Mitglieder behalten

Parteiausschluss wäre undemokratisch, solange ihnen kein verfassungswidriges Verhalten vorzuwerfen ist

Das parteieigene Gericht des FDP-Landesverbands Bayern schloss Mitglieder aus der Partei aus, die in der Scientology-Organisation tätig waren. Begründung: Das Eintreten für diese "zwielichtige Vereinigung" sei unvereinbar mit liberalen Wertvorstellungen. Die Betroffenen wehrten sich dagegen und riefen das Bundeschiedsgericht ihrer Partei an.

Sie hatten mit ihrer Beschwerde Erfolg (B-3-2/II-94). Der Ausschluss sei zurückzunehmen, so das Parteigericht, weil das Grundgesetz von den Parteien verlange, "zur freifließenden Meinungsbildung der Gesellschaft hin offen" zu sein und sich daran zu beteiligen. Anders läge der Fall, wenn sich die betroffenen Parteimitglieder verfassungswidrig verhalten und/oder verfassungswidrigen Organisationen angeschlossen hätten. Die Scientology-Organisation sei jedoch von den zuständigen Behörden bislang nicht so eingestuft worden. Man verkenne dabei nicht die ernstzunehmenden Einwände gegen diese Gruppierung. Doch allein die Mitgliedschaft könne den Ausschluss aus der FDP nicht rechtfertigen.

Schwangere Mazedonierin wird nicht abgeschoben

Bei einer Abschiebung ist auch die Staatsangehörigkeit des Kindes zu beachten

Das nichteheliche Kind einer ausländischen Mutter und eines deutschen Vaters kann die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben - wenn die Vaterschaft feststeht. Vor diesem Hintergrund wehrte sich eine junge Frau aus Mazedonien dagegen, dass sie abgeschoben werden sollte: Sie erwarte ein Kind von ihrem deutschen Lebensgefährten. Man könne sie also nicht in ihre Heimat zurückschicken, denn davon wäre auch ihr Kind betroffen.

Das Verwaltungsgericht Greifswald sprach der Schwangeren ein Bleiberecht zu, da das Kind voraussichtlich die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen werde (2 B 910/94). Deutsche aber dürften sich selbstverständlich im Bundesgebiet aufhalten. Diesem Recht widerspräche eine Abschiebung der Mutter, mit der man vollendete Tatsachen schaffen würde. Deshalb müsse man ihrer eidesstattlichen Versicherung Glauben schenken, dass sie von einem Deutschen schwanger sei.

Das Gericht verwarf die gegenteilige Ansicht, wonach ein Kind jedenfalls im Aufenthaltsrecht die Staatsangehörigkeit erst mit der Geburt erwirbt. Diese Betrachtungsweise sei zu formalistisch und lebensfremd.

Die Frau dürfe auch deshalb in Deutschland bleiben, weil man nur so das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft überhaupt durchführen könne. In der Heimat der Betroffenen sei das mit Unwägbarkeiten verbunden. Ihr das Bleiberecht zu versagen, würde auch deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, weil die schwangere Frau minderjährig und ohne Vater sei.

Unfallrenten der DDR müssen weitergezahlt werden

Das gilt auch dann, wenn nach bundesdeutschem Recht kein Arbeitsunfall vorliegt

Ein deutscher Kriegsgefangener hatte sich in einem belgischen Steinkohlebergwerk eine Tuberkulose-Erkrankung zugezogen. Der Rat des Bezirks Leipzig sprach ihm 1968 wegen einer Berufskrankheit eine Unfallrente zu. Nach der Wende wollte die nunmehr für Berufskrankheiten zuständige Berufsgenossenschaft die Rente nicht mehr zahlen: Nach dem Recht der Bundesrepublik lägen die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nicht vor.

Der Versicherte zog gegen den Bescheid der gesetzlichen Unfallversicherung vor Gericht - mit Erfolg. Verwaltungsakte der DDR können nur aufgehoben werden, wenn sie rechtsstaatlichen Grundsätzen oder dem Einigungsvertrag widersprechen, entschied das Bundessozialgericht (2 RU 24/94). So ein Fall sei aber hier nicht gegeben. Eine nach DDR-Recht zuerkannte Rente wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit könne dem Rentenempfänger nicht mit der Begründung entzogen werden, dass dies nach bundesdeutschem Recht nicht als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit anzuerkennen, somit die Berufsgenossenschaft nicht zuständig sei.

Ledige Väter zum Wehrdienst?

Nicht nur Ehemänner und Alleinerziehende werden "zurückgestellt"

Nach einer Weisung des Verteidigungsministers müssen weder verheiratete noch alleinerziehende Väter, denen das Sorgerecht für ihr Kind zusteht, den Wehrdienst antreten. Dies hielt ein Wehrpflichtiger aus Sachsen für ungerecht: Er sei einberufen worden, obwohl er mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind zusammenwohne. Es sei nicht in Ordnung, ihn nur zum Wehrdienst heranzuziehen, weil er nicht verheiratet sei.

Das Verwaltungsgericht Leipzig verfügte auf seinen Antrag hin in einem Eilverfahren, dass er zunächst einmal nicht zum "Bund" muss (5 K 1708/93). Das "Privileg" verheirateter Väter sei vom Bundesverwaltungsgericht bereits für gesetzeswidrig erklärt worden. Genau genommen müssten also auch Verheiratete zum Grundwehrdienst eingezogen werden.

Doch bisher scherten sich die Einberufungsbehörden nicht darum und wendeten die verworfenen Richtlinien weiter an. Angesichts dieser Situation hätten auch unverheiratete Wehrpflichtige Anspruch auf die gut gemeinte soziale Regelung, Väter zurückzustellen. Eine andere Entscheidung würde das Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzen.

Umstrittener "Genesenenstatus"

Mehrere Gerichte erklären es für rechtswidrig, dass ihn das RKI auf drei Monate verkürzt hat

Großen Ärger löste das Robert-Koch-Institut (RKI) aus, als es Mitte Januar von einem Tag auf den anderen beschloss, die Geltungsdauer für den Genesenenstatus ("genesen von Covid-19") von sechs auf drei Monate zu verkürzen. Viel zu spät und unzureichend wurde dieser Beschluss kommuniziert. Viele Bürger, die eine Infektion mit dem Coronavirus bereits überstanden hatten, verloren so plötzlich die Möglichkeit, ihr Fitnessstudio oder Restaurants zu besuchen.

Dass man so eine politische Entscheidung einem Bundesinstitut überlassen kann, haben bereits mehrere Verwaltungsgerichte in Eilverfahren bezweifelt (z.B. München, Frankfurt, Ansbach, Hannover). Auch das Verwaltungsgericht Berlin erklärte, über die Geltungsdauer des Genesenenstatus müsse die Bundesregierung selbst entscheiden (VG 14 L 24/22).

Trotz der unbestrittenen medizinischen Kompetenz der Mitarbeiter des RKI: Eine Bundesbehörde dürfe nicht darüber bestimmen, bei welchen Personen wie lange von einer Immunisierung auszugehen sei. Das überschreite die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz. Hier gehe es in erster Linie um politische Kompetenzen. Deshalb habe sich das Gericht mit der wissenschaftlichen Frage, wie gut die Verkürzung auf drei Monate medizinisch begründet wurde, gar nicht erst befasst.

Keine Klagemauer vor dem Kölner Dom

Domkirche muss Protest gegen den Golfkrieg auf ihrem "Terrain" nicht hinnehmen

Im Januar 1991 errichteten Aktivisten vor dem Kölner Dom aus Protest gegen den Golfkrieg eine "Klagemauer". Diese Mauer bestand aus Papptafeln, die an Schnüren befestigt und mit Folien überzogen waren. 1993 kamen zwei Unterstände aus Holz, Planen und Folien für die Mitglieder der so genannten Mahnwache hinzu. Die Domkirche verlangte schließlich von den Aktivisten, die "Klagemauer" von ihrem Grundstück zu entfernen.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Köln (8 U 62/94). Die Domkirche müsse die "Klagemauer" auf ihrem Grundstück nicht dulden. Die Aktivisten könnten aus ihren Grundrechten - freie Religionsausübung, freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit - nicht das Recht ableiten, dass die Klagemauer oder die dazugehörigen Unterstände stehenbleiben müssten. Aus dem Umstand, dass die Domkirche ihre Aktivitäten lange geduldet habe, ergebe sich auch kein Gewohnheitsrecht. Die Kirche könne als "Hausherrin" und Eigentümerin frei darüber entscheiden, was sie auf dem Domplatz dulde und was nicht.

Hilfsarbeiter als Schein-Gesellschafter einer Baufirma

Das Unternehmen gründete eigens eine Gesellschaft, um das Ausländerrecht zu umgehen

50 ausländische Arbeitskräfte ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis führten für eine Baufirma Handwerkerarbeiten aus. Laut Vertrag waren sie aber nicht als Arbeitnehmer angestellt, sondern Gesellschafter der Baufirma. Das Verwaltungsgericht verlangte, die schein-selbständigen Arbeitskräfte auszuweisen. Die Betroffenen beriefen sich darauf, dass sie als Gesellschafter keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis benötigten.

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen erklärte ihren Gesellschaftervertrag mit der Baufirma für nichtig war (3 S 390/94). Die ausländischen Arbeitskräfte dürften ausgewiesen werden. In Wirklichkeit hätten sie nämlich nicht die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnisse von Gesellschaftern, sondern führten nur unselbständige Arbeiten aus. Um billige Arbeitskräfte beschäftigen zu können, habe die Baufirma mit dem Gesellschaftervertrag nur das gesetzliche Verbot umgehen wollen, ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Beamte beim Poststreik einzusetzen, ist rechtswidrig

Verweigern die Beamten den Einsatz, stellt das dennoch ein Dienstvergehen dar

Als 1992 Angestellte und Arbeiter streikten, versuchte die Deutsche Bundespost, Beamte auf den bestreikten Arbeitsplätzen einzusetzen, um den Arbeitsausfall zu minimieren. Als sich die Beamten gegen diesen Spezialauftrag wehrten, ging die Post disziplinarrechtlich gegen sie vor. Dagegen zogen die Beamten vor das Bundesverfassungsgericht.

Die Karlsruher Richter stellten sich auf die Seite der Deutschen Bundespost (2 BvR 1117/94). Zwar sei die Anordnung an die Beamten, auf bestreikten Arbeitsplätzen anzutreten, rechtswidrig gewesen. Als Beamter habe man aber auch rechtswidrige Anordnungen auszuführen. Die Verantwortung dafür müssten sie ja nicht übernehmen. Eine Ausnahme von der Gehorsamspflicht der Beamten gelte nur, wenn eine Anordnung offensichtlich und besonders schwer gegen die Verfassung verstoße.

Aufkleber gegen Asylbewerber

Justiz greift gegen Volksverhetzung durch

Ein Amtsrichter verurteilte einen Rechtsradikalen, der ausländerfeindliche Aufkleber auf einen Laternenpfahl geklebt hatte. Der Aufkleber zeigt ein Schwein, das Brotlaibe verschlingt und schwarz gemalte Menschen ausscheidet. Der runde Körper des Schweins bildet eine Weltkugel, in deren Zentrum sich der afrikanische Kontinent befindet. Die Abbildung war eingerahmt von zwei fettgedruckten Texten: "Brot und Geld für die Welt" und "Scheinasylanten für Deutschland?". Der Rechtsradikale verteidigte sich damit, er habe nur auf bestehende Missstände hinweisen wollen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil des Amtsgerichts (5 Ss 80/95 - 47/95 I). Der Aufkleber fördere die radikalen Tendenzen gegen Asylbewerber und stelle einen Angriff auf deren Menschenwürde dar. Das Bild setze afrikanische Menschen mit Schweinekot gleich. Das gehe eindeutig und weit hinaus über bloße Diskriminierung, das sei als Volksverhetzung einzustufen.

Aufenthaltserlaubnis für ausländische Studenten

Sie wird nach Studienabschluss für die Arbeitssuche verlängert, aber nicht erneut nach erfolglosem Aufbaustudium

Ein Student aus Kamerun hatte 2012 in Deutschland sein Studium mit dem Bachelor abgeschlossen. Doch das Aufbaustudium — ein Masterstudium im gleichen Fach — war weniger erfolgreich: Ohne Abschluss wurde er im März 2017 exmatrikuliert. Daraufhin beantragte der Mann bei der Ausländerbehörde, seine für das Studium erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Er wolle nun eine Arbeitsstelle suchen.

Das wurde von der Behörde abgelehnt. Auch die Rechtsmittel des Kameruners blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte klar: Wenn Ausländer zu Studienzwecken eine Aufenthaltserlaubnis bekämen, könne diese nach erfolgreichem Abschluss des Studiums verlängert werden, und zwar um höchstens 18 Monate (7 B 10332/18.OVG).

So hätten die Absolventen genügend Zeit, eine ihrem Abschluss angemessene Tätigkeit zu suchen. Die Frist für die Arbeitsplatzsuche beginne also mit dem Studienabschluss. Doch seit dem erfolgreichen Studienabschluss des Antragstellers seien weit mehr als 18 Monate vergangen. Durch ein erfolgloses Aufbaustudium verlängere sich die 18-Monate-Frist nicht.

Das Ziel des Gesetzgebers, qualifizierte Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft zu gewinnen, werde auf diese Weise nicht unterlaufen. Hätte der Antragsteller auch das Aufbaustudium geschafft, wäre seine Aufenthaltsgenehmigung erneut um 18 Monate verlängert worden, um es ihm zu ermöglichen, eine angemessene Arbeit zu finden.

"Liebes-Comeback"

Wulff contra Regenbogenpresse: Ex-Bundespräsident klagt gegen die Publikation von Bildern

Im Mai 2015 veröffentlichte die Zeitschrift "People" einen Artikel mit dem Titel "Liebes-Comeback": Darin wurde über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina berichtet. Eine Woche zuvor hatte Herr Wulff öffentlich bekanntgegeben, dass er und seine Frau wieder zusammen lebten. Der Zeitschriftenverlag, der "People" herausgibt, veröffentlichte in der Illustrierten "Neue Post" einen weiteren Artikel über das Paar.

Unter der Überschrift "Nach der Versöhnung — Wer Bettina liebt, der schiebt!" zeigte der Bericht Fotos von Christian Wulff beim Einkaufen: Auf dem Parkplatz eines Supermarkts schob er einen vollen Einkaufswagen. Herr Wulff erhob Klage und forderte vom Zeitschriftenverlag, die Bildberichterstattung über ihn und seine Frau zu unterlassen. Während ihm die Vorinstanzen Recht gaben, verlor der Altbundespräsident den Rechtsstreit beim Bundesgerichtshof (VI ZR 76/17).

Die Vorinstanzen hätten dem Persönlichkeitsrecht des Klägers fälschlicherweise den Vorrang vor der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit eingeräumt, so die Bundesrichter. Dabei hätten sie seine herausgehobene Stellung als früheres Staatsoberhaupt nicht berücksichtigt. Die besondere Bedeutung dieses Amtes wirke nach. Auch nach seinem Rücktritt stehe Herr Wulff in der Öffentlichkeit, erfülle zahlreiche politische und gesellschaftliche Pflichten.

Das begründe ein öffentliches Interesse an seiner Person: Dem kämen die Artikel nach, indem sie über die Versöhnung mit der Ehefrau berichteten. Sie behandelten mit der ehelichen Rollenverteilung zudem ein allgemein interessantes Thema, das mit Fotos bebildert werde. Bei diesem Streit sei auch zu berücksichtigen, dass Herr Wulff sein Ehe- und Familienleben früher regelmäßig selbst öffentlich zum Thema gemacht habe. Das dokumentiere sein Einverständnis mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas.

Darüber hinaus seien die strittigen Regenbogenpresse-Artikel nicht mit allzu privaten oder gar intimen Fotos bebildert. Sie seien auf dem Parkplatz eines Supermarktes aufgenommen worden und zeigten den Ex-Bundespräsidenten in einer unverfänglichen Alltagssituation und in der Rolle eines fürsorglichen Familienvaters. Die Bilder seien aufgrund seiner herausgehobenen politischen Stellung von zeitgeschichtlichem Interesse. Der Verlag habe sie daher auch ohne Zustimmung des Abgebildeten veröffentlichen dürfen.

Bei der Arbeit "Mein Kampf" gelesen

Kurzartikel

Das Bezirksamt Reinickendorf hat zu Recht einen Mitarbeiter entlassen, der während der Arbeitszeit im Pausenraum des Dienstgebäudes in einer Originalausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf" gelesen hatte. In den Buchdeckel war ein Hakenkreuz eingeprägt. Verfassungswidrige Symbole wie das Hakenkreuz öffentlich zu zeigen, sei ein schwerwiegendes Fehlverhalten, urteilte das Landesarbeitsgericht, das eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertige. Im Bezirksamt repräsentiere der Mitarbeiter in seiner Uniform das Land Berlin und müsse als Repräsentant des Landes jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes eintreten.

Polnischer Übersiedler nicht als vertriebener Deutscher anerkannt

Der Sohn eines Deutschen aus Posen hält den "Versailler Vertrag" für ungültig

1985 übersiedelte ein Mann in die Bundesrepublik, der 1943 in Posen (Polen) geboren worden war. Sein Vater (Jahrgang 1911) besaß noch die deutsche Staatsangehörigkeit, weil Posen vor dem Ersten Weltkrieg zu Preußen gehörte. Der Sohn verlangte nun, als vertriebener Deutscher anerkannt zu werden. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags sei sein Vater zwar Pole geworden. Dieses Abkommen sei Deutschland jedoch nach der Niederlage von 1919 von den Siegern abgepresst worden. Es verstoße gegen die Menschenrechte und habe für ihn daher keine Gültigkeit.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte den Mann jedoch nicht als Vertriebenen an (9 B 311/95). Der Versailler Vertrag sei zwar unter dem Druck der damaligen Verhältnisse zustande gekommen, räumte das Gericht ein. Das Deutsche Reich habe aber den polnischen Staat anerkannt, der nach dem Ersten Weltkrieg neu gegründet wurde. Das gelte auch für die Regelung der Staatsangehörigkeit, die mit der Gebietsabtretung verbunden gewesen sei. Auch ein Verstoß gegen das Bonner Grundgesetz sei nicht auszumachen: Darin werde anerkannt, dass Gebiete wie das ehemalige Westpreußen, in dem Posen liege, nicht zu Deutschland gehörten.

Verfassungsrichter ausgekontert?

Stoiber lässt das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergänzen

Der Bayerische Landtag hat am 23. Dezember 1995 das "Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen" durch folgenden Absatz ergänzt:

"Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht: Damit kommt der Wille zum Ausdruck, die obersten Bildungsziele der Verfassung auf der Grundlage christlicher und abendländischer Werte unter Wahrung der Glaubensfreiheit zu verwirklichen. Wird der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen, versucht der Schulleiter eine gütliche Einigung. Gelingt eine Einigung nicht, hat er nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit soweit möglich zu berücksichtigen."

Das Gesetz ist am 1. Januar 1996 in Kraft getreten.

Polit-Propaganda mit Kölner Dom

Filmaufnahmen vom Dom sind nur zu privaten, nicht zu kommerziellen oder politischen Zwecken erlaubt

Die Leiter des Bistums Köln staunten nicht schlecht, als sie Aufnahmen vom Kölner Dom im Internet (Youtube-Channel) entdeckten. Eine Politaktivistin einer rechten Gruppe hatte die kurzen Filme angefertigt. Sie stellt regelmäßig politische Statements und Filmbeiträge dazu auf ihre Facebook-Seite und ihren Youtube-Kanal.

Im Januar 2017 organisierte die Frau eine politische Kundgebung, die an die Vorfälle der Silvesternacht 2015/16 erinnern sollte. Um für diese Kundgebung zu werben, hatte sie — ohne Rücksprache mit oder Erlaubnis von der Kirche — im Innenraum und auf dem Dach des Doms gefilmt und die Videos veröffentlicht.

Gegen die Reklame wehrten sich die Kirchen-Verantwortlichen und forderten von der Justiz, die Publikation der Aufnahmen zu verbieten: Die Aktivistin entstelle die "Identität des Doms durch rechtspopulistische Thesen", würdige ihn als Kirche herab und missbrauche ihn als Sprachrohr für ihre Anliegen.

Sie habe niemandes Rechte verletzt, konterte die rechte Videofilmerin: Denn zur grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit gehöre es, zu öffentlichen Versammlungen einzuladen. Dafür habe sie die Aufnahmen verwendet. Darüber hinaus sei die Umgebung des Doms der Tatort von mehreren hundert Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen gewesen. Da gebe es also einen direkten Zusammenhang zur geplanten Versammlung.

Diesen Zusammenhang sah das Landgericht Köln jedoch nicht (28 O 23/17). Wie jeder Bürger habe die Videofilmerin das Recht auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit. Das berechtige sie aber nicht dazu, Aufnahmen vom Innenraum des Doms zu verwerten, der mit den Vorfällen der Silvesternacht nichts zu tun habe. Die katholische Kirche sei politisch neutral und auch der Dom müsse nicht für die politischen Ziele der Aktivistin herhalten.

Sie habe zwar nicht den Dom verunglimpft — ein Gebäude habe schließlich kein Persönlichkeitsrecht, das durch Filmaufnahmen verletzt sein könnte. Doch das ungenehmigte Filmen beeinträchtige das Recht der Eigentümerin Kirche: Die Aufnahmen seien gegen deren Willen erfolgt. Die Eigentümerin habe im Dom das Hausrecht. Film- und Fotoaufnahmen, die im Innenraum des Kölner Doms oder von dessen Dach aus ohne offizielle Genehmigung entstehen, dürften nur für private Zwecke verwendet werden, aber nicht für kommerzielle oder politische Zwecke.