Im Juli 2018 war ein Mann mit seiner Familie auf dem "Harzer-Hexen-Stieg" in Richtung Thale gewandert. Der touristisch beworbene Wanderweg liegt auf einem Waldgrundstück der Stadt Thale. Während der Wanderung stürzte plötzlich ein maroder Baum auf den Familienvater, der seit diesem Unfall querschnittgelähmt ist. Von der kommunalen Waldbesitzerin verlangte er 200.000 Euro Schmerzensgeld.
Er warf der Stadt vor, ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt zu haben: Der Baum sei "deutlich erkennbar abgestorben" gewesen. Hätte man hier rechtzeitig eine Baumkontrolle durchgeführt, wäre die offenkundige Gefahr erkannt und der Baum gefällt worden. Dann wäre der Unfall nicht passiert. Doch die Klage des verletzten Wanderers blieb in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof ohne Erfolg (VI ZR 357/21).
Fazit aller mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte: Waldbesucher dürften nicht erwarten, dass Waldbesitzer sie vor "waldtypischen Gefahren" beschützten. Dazu seien Waldbesitzer nicht verpflichtet: "Das Betreten und Nutzen der freien Landschaft geschieht auf eigene Gefahr" (Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt). Wanderer seien selbst für ihre Sicherheit verantwortlich. Risiken, die mit Bewegung in freier Natur verbunden seien, gehörten grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko.
Das gelte selbst für stark frequentierte und touristisch beworbene Waldwege wie den "Harzer-Hexen-Stieg", der zu den "Qualitätswegen Wanderbares Deutschland" gehöre. Auch in Bezug auf derartige Wanderwege gebe es für Wald- und Grundeigentümer keine besonderen Auflagen oder erhöhte Pflichten. Wollte man von ihnen fordern, völlig gefahrlose Wanderwege zu schaffen, müssten Wanderer aus Haftungsgründen auf viele einsame Waldpfade und reizvolle Routen im Bergland verzichten.