Kurz nach 17 Uhr verließ Autofahrerin A mit ihrem Wagen den Betriebsparkplatz. Bei der Ausfahrt musste sie einen kombinierten Rad- und Fußweg überqueren. Der (bevorrechtigte) Radweg ist an dieser Stelle farbig markiert und mit gestrichelten Linien abgegrenzt. Zur gleichen Zeit war auf dem Radweg ein Rennradfahrer unterwegs: Der sportliche 47-Jährige trainierte für einen Triathlon-Wettkampf.
Wie später eine Unfallsachverständige errechnete, hatte er sich der Parkplatz-Ausfahrt mit ca. 42 km/h genähert. Die Autofahrerin habe den Radfahrer sehen müssen, als sie ihren Wagen vor dem Radweg kurz angehalten habe, so die Expertin. Trotzdem fuhr Frau A auf den Radweg — weil sie nicht auf den Radfahrer achtete oder seine Geschwindigkeit unterschätzte. Der Mann konnte mit seinem Bremsmanöver den Zusammenstoß nicht mehr verhindern, bei dem er sehr schwer verletzt wurde.
Der Radfahrer verlangte von der Autofahrerin Entschädigung. Sie müsse alle Folgekosten des Unfalls übernehmen und dem Verletzten zusätzlich 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth (8 O 5432/18). Hohes Schmerzensgeld sei hier gerechtfertigt, da er dauerhafte Schäden erlitten habe: Wegen gebrochener Wirbel habe man die Brustwirbelsäule mit Implantaten versteifen müssen, die gebrochene Hand sei nicht mehr so beweglich.
Frau A habe dem Radfahrer eindeutig die Vorfahrt genommen. Anders als die Autofahrerin meine, treffe den Rennradfahrer wegen seiner zweifellos hohen Geschwindigkeit kein Mitverschulden. Auf gerader Strecke, bei guter Sicht und trockenem Wetter könnten Rennradfahrer auch mal schnell fahren. Der Mann habe seine Geschwindigkeit auch nicht vorsorglich vermindern müssen, weil ein Wagen in der Parkplatzausfahrt stand. Vielmehr habe er sich darauf verlassen dürfen, dass die Autofahrerin sein Vorfahrtsrecht beachten würde.