Schadenersatz, Schmerzensgeld

Autofahrerin fährt Radfahrer um

Sie nahm dem Rennradfahrer die Vorfahrt: Sein hohes Tempo begründet keine Mithaftung

Kurz nach 17 Uhr verließ Autofahrerin A mit ihrem Wagen den Betriebsparkplatz. Bei der Ausfahrt musste sie einen kombinierten Rad- und Fußweg überqueren. Der (bevorrechtigte) Radweg ist an dieser Stelle farbig markiert und mit gestrichelten Linien abgegrenzt. Zur gleichen Zeit war auf dem Radweg ein Rennradfahrer unterwegs: Der sportliche 47-Jährige trainierte für einen Triathlon-Wettkampf.

Wie später eine Unfallsachverständige errechnete, hatte er sich der Parkplatz-Ausfahrt mit ca. 42 km/h genähert. Die Autofahrerin habe den Radfahrer sehen müssen, als sie ihren Wagen vor dem Radweg kurz angehalten habe, so die Expertin. Trotzdem fuhr Frau A auf den Radweg — weil sie nicht auf den Radfahrer achtete oder seine Geschwindigkeit unterschätzte. Der Mann konnte mit seinem Bremsmanöver den Zusammenstoß nicht mehr verhindern, bei dem er sehr schwer verletzt wurde.

Der Radfahrer verlangte von der Autofahrerin Entschädigung. Sie müsse alle Folgekosten des Unfalls übernehmen und dem Verletzten zusätzlich 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth (8 O 5432/18). Hohes Schmerzensgeld sei hier gerechtfertigt, da er dauerhafte Schäden erlitten habe: Wegen gebrochener Wirbel habe man die Brustwirbelsäule mit Implantaten versteifen müssen, die gebrochene Hand sei nicht mehr so beweglich.

Frau A habe dem Radfahrer eindeutig die Vorfahrt genommen. Anders als die Autofahrerin meine, treffe den Rennradfahrer wegen seiner zweifellos hohen Geschwindigkeit kein Mitverschulden. Auf gerader Strecke, bei guter Sicht und trockenem Wetter könnten Rennradfahrer auch mal schnell fahren. Der Mann habe seine Geschwindigkeit auch nicht vorsorglich vermindern müssen, weil ein Wagen in der Parkplatzausfahrt stand. Vielmehr habe er sich darauf verlassen dürfen, dass die Autofahrerin sein Vorfahrtsrecht beachten würde.

Kampfflugzeug erschreckt Dressurpferd

Hengst stürzt in der Box: BRD haftet zu 80 Prozent für die Folgen eines Tornado-Tiefflugs

Der Überflug eines Tornado-Kampfflugzeugs wurde im Januar 2020 einem Dressurhengst zum Verhängnis, der auf einem niedersächsischen Reiterhof in seiner Pferdebox stand. Das Pferd geriet durch den plötzlichen Fluglärm so in Panik, dass es in der Box wild um sich schlug, stürzte und ein Beckentrauma erlitt. Die Verletzung war derart schwerwiegend, dass der Hengst dauerhaft reituntauglich blieb.

Die Reiterin forderte von der Bundesrepublik Deutschland als Flugzeughalterin und Dienstherrin des Piloten Schadenersatz. Das Landgericht Verden ging von einem Minderwert des Pferdes von 30.000 Euro aus und verurteilte die Bundesrepublik dazu, 80 Prozent des Schadens auszugleichen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle wies die Forderung der Reiterin nach einer günstigeren Haftungsquote zurück (14 U 114/22).

Das Landgericht habe ihren Anspruch um 20 Prozent gemindert, so das OLG, weil das für Tiere typische, unberechenbare Verhalten des Pferdes zu dem Unfall beigetragen habe. Vom Fluglärm abgesehen, sei niemand sonst am Unfall beteiligt gewesen. Das Pferd habe den Lärm nicht "einordnen" können, obwohl in dem Gebiet öfter Tiefflüge durchgeführt werden. Durch das Geräusch total erschreckt, habe sich der Hengst unkontrolliert in der Box bewegt und so selbst den Sturz mit-ausgelöst. Zusätzlich habe sich das Eigengewicht des Pferdes ausgewirkt und die Sturzfolgen verschlimmert.

Mit dem Ausgleich von 80 Prozent des Wertverlustes sei der Tiefflug als Unfallursache angemessen berücksichtigt. Ein Mitverschulden des Piloten durch einen zu niedrigen und damit besonders lauten Überflug sei nicht bewiesen. Allein der Umstand, dass der Tornado (nach den Radardaten der Bundeswehr) ca. 20 Meter tiefer geflogen sei als angemeldet, begründe nicht den Vorwurf fahrlässigen Verschuldens. Das sei bei derartigen Flugmanövern im "Messtoleranzrahmen".

Dass die Reiterin den Hengst eineinhalb Jahre später aufgrund von Koliken einschläfern lassen musste, hänge nicht mit dem Unfall zusammen. Und auch ihre Entscheidung, das Pferd weiterhin zu halten, obwohl schon kurz nach dem Sturz feststand, dass es irreversibel lahmte, könne sie nicht der Bundesrepublik anlasten.

Untaugliche Bandscheibenprothesen eingesetzt

Für Probleme mit zugelassenen Medizinprodukten haften nicht die Mediziner

Die konservativen Therapien seien "ausgereizt", hatte der Orthopäde der Patientin S erläutert, die er wegen Rückenproblemen behandelte: Nun müsse man operieren und Bandscheibenprothesen einsetzen. Sie folgte seinem Rat. Die Eingriffe wurden in einer Fachklinik durchgeführt. Der Chirurg verwendete dabei keine herkömmlichen Prothesen mit Titanplatten, sondern ein neues Modell, das vollständig aus Kunststoff bestand (Cadisc).

Es war wohl unzureichend klinisch erprobt, trotzdem CE-zertifiziert und für den europäischen Markt zugelassen worden. Kurz nach der Markteinführung hatte der Hersteller die ersten Chargen zurückgerufen: Man hatte festgestellt, dass die Prothesen an Höhe verloren und schlecht einwuchsen. Später nahm der Hersteller die Cadisc-Modelle vom Markt. Auch bei Frau S mussten die implantierten Prothesen wieder entnommen werden.

Für diese Tortur verlangte die Patientin Schmerzensgeld von der Klinik und vom Operateur. Sie warf ihnen vor, dass sie unzureichend über die Risiken dieser neuen Behandlungsmethode aufgeklärt worden sei. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg wies den Vorwurf zurück (5 U 70/19). Hier gehe es nicht um eine Behandlung, mit der medizinisches "Neuland" betreten wurde — und die deswegen mit unbekannten Risiken behaftet gewesen sei.

Wenn ein Eingriff (noch) nicht medizinischer Standard sei, müsse der behandelnde Arzt den Patienten darüber klar informieren. Doch bei den Bandscheibenprothesen seien sich alle Sachverständigen und Experten einig: Die Cadisc-Prothese sei etwas anders gebaut, unterscheide sich aber von etablierten Prothesen im "Risikoprofil" nicht. Probleme (beim Einwachsen, den Höhenverlust etc.) gebe es auch bei herkömmlichen Prothesen, sie würden heutzutage kritisch beurteilt.

Unbekannte Risiken durch eine "Neulandmethode" drohten also nicht, also hätten die Mediziner darauf auch nicht aufklären müssen. Es sei auch kein Behandlungsfehler gewesen, Cadisc-Prothesen einzusetzen. Ärzte dürften sich grundsätzlich auf CE-zertifizierte, zugelassene Medizinprodukte verlassen.

Für Defizite im Zulassungsverfahren der Medizinprodukte hafteten nicht die Mediziner. Ihnen fehle die Sachkunde, das Material zu beurteilen: Das komme im Medizinstudium nicht vor. Wenn ein Patient geltend mache, ihm sei durch ein CE-zertifiziertes Produkt Schaden entstanden, müsse er sich an die Zulassungsstellen wenden.

Hund des Nachbarn attackiert Kater

Die Katzenbesitzerin verletzt sich beim Versuch, die Tiere zu trennen: Schmerzensgeld?

Im Winter räumten zwei Nachbarn gleichzeitig Schnee von ihren Grundstücken. Während Hauseigentümerin A und Hauseigentümer B Schnee schippten, schlich sich der Hütehund des Herrn B in den Garten von Frau A. Dort stürzte er sich auf den fauchenden Kater der Hauseigentümerin und wollte ihn packen. Sofort ging Frau A mit einem Besen dazwischen. Es gelang ihr auch, die Tiere zu trennen.

Dabei rutschte Frau A jedoch auf einer Eisschicht aus, die sich unter dem Neuschnee gebildet hatte. Sie verletzte sich an den Händen und am Kniegelenk. Dafür sollte sie der Hundehalter entschädigen. Der wies dieses Ansinnen allerdings weit von sich.

Sein Hund habe die Verletzungen von Frau A nicht verursacht, er sei ja nicht auf sie losgegangen, sondern auf den Kater, erklärte der Nachbar. Gesehen habe er nur, dass der Hund Schläge bekommen habe, gab Herr B vor Gericht zu Protokoll: Alles Weitere habe sich hinter der Hecke abgespielt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sprach der Katzenbesitzerin Schmerzensgeld zu (4 U 249/21). Tierhalter hafteten nicht nur für Verletzungen, die ihr Tier direkt verursache. Vielmehr gelte die Tierhalterhaftung auch in Fällen wie diesem: wenn also eine Person bei einer Tierattacke helfend eingreife und dabei verletzt werde. B müsse als Halter des Hütehundes — unabhängig von eigenem Verschulden — für die Verletzungen von Frau A geradestehen.

Dass Frau A den Hütehund grundlos geschlagen haben könnte, habe nicht einmal der Hundehalter behauptet, so das OLG. Sie kenne den Hund des Nachbarn schon lange und habe oft mit ihm gespielt. Frau A habe nur ihrem Kater zu Hilfe eilen wollen, als der Hund ihn angriff. Dass eine Katzenbesitzerin so reagiere, sei durchaus naheliegend — auch wenn es angesichts der Wetterbedingungen vielleicht objektiv nicht sehr schlau gewesen sei, auf die Tiere zuzuspringen.

(Da noch Belege zu der Art der Verletzungen fehlten, hat das OLG über die Höhe des Schmerzensgelds noch nicht entschieden.)

Kind nach Frühgeburt erblindet

Trotz des besonderen Risikos bei Frühgeborenen empfahl die Klinik einen zu späten Kontrolltermin

Bei Frühgeborenen besteht ein sehr hohes Risiko, dass sich die Netzhaut in den Augen ablöst. Das ist schon lange bekannt. Ein bereits in der 25. Schwangerschaftswoche geborener Junge war im Krankenhaus regelmäßig auch vom Augenarzt untersucht worden. Drei Monate nach der Geburt durften die Eltern das Kind mit nach Hause nehmen. Bei der Entlassung wurde ihnen geraten, die Augen des Jungen nach weiteren drei Monaten kontrollieren zu lassen.

Doch schon nach ca. fünf Wochen war das rechte Auge nicht mehr zu retten: Die Netzhautablösung war so fortgeschritten, dass das Kind auf dem rechten Auge vollständig erblindet ist und auf dem linken Auge hochgradig sehbehindert. Im Namen ihres Jungen verklagten die Eltern das Krankenhaus auf Zahlung von Schmerzensgeld: Es sei ein Behandlungsfehler gewesen, eine so späte Kontrolluntersuchung zu empfehlen.

So beurteilte auch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg den Fall und sprach dem Kind 130.000 Euro Schmerzensgeld zu (5 U 45/22). Der medizinische Sachverständige habe erläutert, dass die ärztliche Nachkontrolle der Netzhaut deutlich früher hätte stattfinden müssen. Dann hätte man die Augen weiter behandeln können — so hätte z.B. eine Laserbehandlung zu einem früheren Zeitpunkt noch erfolgreich sein können.

Deshalb müsse das Krankenhaus für den Schaden haften, der durch die falsche Empfehlung entstanden sei. Das Schmerzensgeld setzte das OLG sogar deutlich höher an als gefordert und begründete das so: Das Kind werde lebenslang von Hilfen abhängig sein. Darüber hinaus schulde das Krankenhaus dem Jungen auch Ersatz für materielle Schäden, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeglichen würden.

Flug annulliert

Airline wollte zuerst Passagiere eines zuvor wetterbedingt ausgefallenen Flugs befördern: Entschädigung?

Für den 11.2.2020 hatte Herr X einen Flug von München über Abu Dhabi nach Phuket gebucht. Doch die Fluggesellschaft annullierte den ersten Teilflug. Sie wollte zuerst Passagiere nach Abu Dhabi fliegen, die sie am Vortag nicht hatte befördern können: Am 10.2. war der Flug nach Abu Dhabi ausgefallen, weil Sturmtief "Sabine" über München wütete und einen Start unmöglich machte.

Den Passagieren des am 11.2. annullierten Flugs bot die Airline einen Ersatzflug an, mit dem Herr X Phuket erreichte, allerdings mit 24 Stunden Verspätung. Dafür verlangte er vom Unternehmen 600 Euro Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung.

Dagegen pochte die Fluggesellschaft auf "außergewöhnliche Umstände": Am 10.2. sei ihr wegen des Sturms nichts anderes übriggeblieben, als den Flug nach Abu Dhabi zu "canceln". Und die Maschine, mit der Herr X am 11.2. nach Abu Dhabi hätte fliegen sollen, habe am 10.2. — auf dem Rückflug von Abu Dhabi nach München — statt in München erst einmal in Mailand landen müssen.

Doch das Amtsgericht Erding sah hier keine "außergewöhnlichen, für das Flugunternehmen nicht beherrschbaren Umstände" (113 C 4971/21). Die Maschine, die wegen des Sturms am Vortag in Mailand habe landen müssen, sei am 11.2. um 9.55 Uhr in München angekommen. Die Fluggesellschaft hätte also den Flug nach Abu Dhabi durchaus noch pünktlich durchführen können.

Diesen Flug habe das Unternehmen nicht wegen widriger Wetterbedingungen annulliert, sondern um die am Vortag gestrandeten Fluggäste zuerst an ihr Ziel zu bringen. Das sei eine freie unternehmerische Entscheidung und somit Bestandteil ihres normalen Geschäfts. Von "höherer Gewalt", der die Fluggesellschaft quasi ausgeliefert gewesen sei und die die planmäßige Durchführung des Flugs unmöglich gemacht habe, könne hier keine Rede sein. Das Unternehmen schulde Herrn X daher 600 Euro Ausgleich für die Flugverspätung.

Düngemittel aus Abfall zerstörte Rapsernte

Dünger war mit Herbiziden verunreinigt: Auch die Zwischenhändlerin muss für den Schaden haften

Ein Bauer hatte für sein Rapsfeld eine phosphat- und kaliumhaltige Flüssigkeit als Düngemittel gekauft und rund 4.000 Euro gezahlt. Nachdem er die Lösung auf dem Feld verteilt hatte, dauerte es zehn Tage — und die Pflanzen färbten sich violett. Der Raps wuchs nicht mehr und verkümmerte, weil der Dünger mit Herbiziden verunreinigt war. Dem Landwirt entstand ein Schaden von ca. 76.000 Euro.

Dafür verlangte der Bauer nicht nur vom direkten Verkäufer des Düngemittels Schadenersatz, sondern auch von dessen Lieferantin. Die Zwischenhändlerin hatte den angeblichen Dünger als Abfall vom Hersteller übernommen und dann zum EG-Düngemittel für Ackerbau "umdeklariert".

Im konkreten Fall hafte die Zwischenhändlerin für den Produktmangel genauso wie ein Produzent, entschied der Bundesgerichtshof (VI ZR 1369/20). Obwohl sie die Ware unverändert weiterverkaufte, habe sie Herstellerpflichten verletzt, so die Bundesrichter. Denn die Zwischenhändlerin habe den Abfall übernommen, eine neue Produktinformation erstellt und die Flüssigkeit als neues Produkt "Düngemittel" erstmalig auf den Markt gebracht.

Deshalb hafte die Zwischenhändlerin für die Wirkung der Flüssigkeit, als wäre sie ein Düngemittelhersteller. Um ihr Verschulden genauer zu klären, müsse nun die Vorinstanz noch bestimmen, wie die Lieferantin die Verunreinigung des Mittels hätte feststellen können (bzw. müssen) und welche Maßnahmen sie hätte ergreifen müssen, um die Kunden zu schützen.

Insolvente Airline führte Flüge durch

Passagiere können in so einem Fall keinen Ausgleich für eine Flugverspätung verlangen

Im April 2019 hatte Herr B bei einer Airline einen Flug auf die Seychellen gebucht und bezahlt: Der Hinflug sollte am 3.1.2020 in Frankfurt starten, der Rückflug erst am 4.4.2020 erfolgen. Doch im Dezember 2019 musste die Fluggesellschaft bei Gericht Insolvenz anmelden. Aus Kulanz führte sie trotzdem noch einige Flüge durch — für Passagiere, die ihre Tickets bereits bezahlt hatten.

Der Hinflug fand wegen eines technischen Defekts erst am 4.1.2020 statt. Im März führte die Airline im Auftrag des Auswärtigen Amts wegen der Corona-Pandemie Rückholflüge durch, die Herr B jedoch nicht wahrnehmen wollte. Sein Rückflug wurde einige Male umgebucht und wieder abgesagt. Schließlich organisierte B selbst einen anderen Flug für den 1. August.

Von der Fluggesellschaft forderte er Ausgleichszahlung für den verspäteten Hinflug, Rückzahlung des halben Ticketpreises für den Rückflug und Schadenersatz für Hotelkosten: Zwischen dem 4.4. und dem 1.8. habe er auf der Insel für ein Hotelzimmer 4.000 Euro ausgeben müssen.

Im konkreten Fall stehe dem Kunden aufgrund der Insolvenz keine Entschädigung gemäß EU-Fluggastverordnung zu, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (13 U 280/21).

Wenn einmal über das Vermögen des Flugunternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet sei, hätten die Fluggäste keinen Anspruch mehr darauf, dass gebuchte Flüge durchgeführt werden. Das gelte auch für B, dessen Flüge erst für 2020 gebucht waren, also nach dem Insolvenzantrag. Dass die Airline aus Kulanz und um ihren guten Ruf zu wahren, trotzdem 2020 noch einige Passagiere beförderte, sei ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, betonte das OLG.

Daher sei dieser Transport als unentgeltlich bzw. kostenlos anzusehen. Gemäß EU-Fluggastrechte-Verordnung gelte die Verordnung nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisten, der nicht für jedermann verfügbar sei. Solche Fluggäste, somit auch Herr B, seien von der Verordnung ausgenommen. Auf deren Bestimmungen könne sich B also nicht berufen, um Schadenersatz und Ausgleichszahlung zu erhalten.

Das OLG hat die Revision gegen sein Urteil zum BGH zugelassen: Die Frage, ob eine aus Kulanz gewährte Beförderung eines insolventen Flugunternehmens als kostenlos im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung anzusehen sei, müsse vom obersten Zivilgericht endgültig entschieden werden.

Beim Schnorchelausflug ins Wasser gefallen

Rutscht eine Urlauberin auf einem nassen Bootsrand aus, haftet dafür nicht der Reiseveranstalter

Zum Schnäppchenpreis von 12.604 Euro gönnte sich Ehepaar S vom 18.1. bis 9.2.2020 eine Pauschalreise auf die Insel Mauritius. Als im Hotelzimmer eine Flasche Rum zerbrach, ärgerten sich die Urlauber darüber, dass das Zimmer vom Hotelpersonal nicht sofort gereinigt wurde. Dann wurde Frau S von einer Wespe gestochen. Ihr Gatte entdeckte ein Wespennest in einem Baum neben der Terrasse der Hotelbar. Es wurde vom Hotelpersonal entfernt.

Dann aber kam es noch schlimmer: Bei einem Schnorchelausflug startete das Boot am hoteleigenen Strand, der Guide war beim Einsteigen behilflich. Nach dem Ausflug legte das Boot rückwärts am Strand an und der Guide sprang in den Sand. Frau S wollte ohne seine Hilfe seitlich aussteigen. Sie rutschte auf dem Bootsrand aus, fiel ins etwa 30 Zentimeter tiefe Wasser und verletzte sich an der Hand, mit der sie sich am Grund abstützen wollte.

Die Eheleute beanstandeten schon im Hotel diese "Reisemängel" und verlangten später vom Reiseveranstalter Rückzahlung des Reisepreises und 6.000 Euro Schmerzensgeld. Das Landgericht Köln konnte jedoch keine Reisemängel erkennen und wies die Klage ab (32 O 334/20). Eine eventuell verspätete Zimmerreinigung nach dem Bruch einer Flasche sei höchstens eine kleine Unannehmlichkeit, die den Erholungswert der Reise nicht beeinträchtige.

Dass Frau S einen Wespenstich habe erleiden müssen, sei bedauerlich, stelle aber keinen Reisemangel dar. Dabei habe sich nur das überall gegenwärtige, allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, dass man von Insekten gestochen werden könne. Ob die "schuldige" Wespe aus dem Nest neben der hoteleigenen Brasserie stammte, stehe ohnehin nicht fest. Und auch der Unfall von Frau S am Ende der Schnorchel-Tour sei nicht dem Reiseveranstalter zuzurechnen.

Bei sportlichen Aktivitäten auf dem Wasser gehe es nass zu, das sei schon aufgrund der Bewegungen des Bootes naheliegend. Obendrein kämen die Passagiere nach dem Schnorcheln nass wieder zurück aufs Boot. Auf einem nassen Bootsrand auszurutschen, gehöre zum privaten Unfallrisiko. Diese Gefahr habe nicht nur der Bootsführer gekannt, sondern sei auch für alle Ausflügler leicht erkennbar gewesen. Darauf hätten sich alle Urlauber einstellen können. Vernünftig wäre es gewesen, Frau S hätte sich auch beim Aussteigen helfen lassen.

Flugverspätung: Flieger musste enteist werden

Ist das im Winter in Minneapolis immer notwendig, liegt kein "außergewöhnlicher Umstand" vor

Herr W hatte für den 5. Dezember 2021 einen Flug von Minneapolis in den USA über Amsterdam nach Düsseldorf gebucht. In Düsseldorf kam der Passagier mit einer Verspätung von fast vier Stunden an. Am Startflughafen war das Flugzeug vor dem Start enteist worden. Es startete verspätet, dadurch verpasste Herr W in Amsterdam seinen Anschlussflug.

Vom Flugunternehmen forderte er deshalb eine Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung (600 Euro für einen Langstreckenflug). Die stehe ihm wegen der Verspätung von über drei Stunden zu.

Die Fluggesellschaft sah das anders: Hier hätten "außergewöhnliche Umstände" vorgelegen, die sie von der Pflicht befreiten, die Passagiere zu entschädigen. Es habe eben bei der notwendigen Enteisung der Maschine Verzögerungen auf dem Flughafen gegeben.

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied den Streit zu Gunsten des Fluggastes (37 C 119/22). Fluggesellschaften seien für die Sicherheit ihrer Maschinen verantwortlich und damit auch für die Enteisung im Winter. Organisationsfehler des Flughafens Minneapolis wären daher der Fluggesellschaft zuzurechnen. Ob die Verspätung tatsächlich auf langsame Abläufe an der Enteisungsanlage zurückzuführen sei, könne hier aber offen bleiben.

Auf "außergewöhnliche Umstände" könne sich die Airline schon deshalb nicht berufen, weil sie die Enteisungszeit im Flugplan nicht berücksichtigt habe. Dabei sei eine Enteisung — nach ihrem eigenen Vortrag — bei winterlichen Starts am Flughafen von Minneapolis immer erforderlich, weil es dort regelmäßig schneie. Das dauere 30 bis 90 Minuten und müsse mit den Passagieren an Bord direkt vor dem Start durchgeführt werden.

Wenn ein Vorgang vor dem Abflug regelmäßig und zwingend durchgeführt werden müsse und dies im Durchschnitt 60 Minuten dauere, müsse das Flugunternehmen diese Zeit im Flugplan einkalkulieren. Eine so verursachte Verspätung sei jedenfalls nicht als "außergewöhnlicher Umstand" anzusehen, für den die Airline nicht verantwortlich sei.

Landung mit dem Tandem-Fallschirm missglückt

Anbieterin der Tandem-Sprünge schuldet dem verletzten Passagier Schmerzensgeld

Im Sommer 2018 hatte sich ein Mann den Traum vom Fliegen erfüllt und einen Tandem-Fallschirmsprung gebucht. Mit einem erfahrenen Fallschirmspringer war er vom Flugzeug des Unternehmens abgesprungen. Doch der Sprung endete wetterbedingt mit einem heftigen Aufprall bei der Landung, bei dem sich der Kunde schwer verletzte.

Gebrochene Wirbel machten eine umfangreiche Operation notwendig. Zurück blieben Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule, Schmerzen und Lähmungserscheinungen im linken Bein. Von der Anbieterin der Tandem-Sprünge forderte der Kunde Schmerzensgeld. Zu Recht, entschied das Landgericht Köln und sprach dem Mann 20.000 Euro zu, obwohl der Anbieterin und ihrem Personal kein Verschulden vorzuwerfen war (3 O 176/19).

Hier gehe es um einen Luftbeförderungsvertrag, so das Landgericht. Denn der Schwerpunkt der vertraglich vereinbarten Leistung bestehe im Transport mit dem Flugzeug bis zu einer Höhe, die für einen Fallschirmsprung ausreiche. Werde ein Fluggast durch einen Unfall an Bord oder beim Ein- oder Aussteigen verletzt, hafte das Flugunternehmen — unabhängig von eigenem Verschulden — gemäß Luftverkehrsgesetz für die Unfallfolgen.

Ein Luftbeförderungsvertrag ende üblicherweise dann, wenn sich der Fluggast wieder auf dem Boden befinde und "wieder auf eigenen Füßen stehe". Auch bei einem Tandempassagier sei das so: Er sei nicht mit einem Kursteilnehmer zu vergleichen, der Fallschirmspringen erlernen wolle und sich darauf gründlich vorbereite. Tandempassagiere seien Kunden ohne jede Erfahrung, die nach einer kurzen Einweisung mitfliegen und den Ablauf des Sprungs in keiner Weise beeinflussen könnten.

Nikotin als erhöhtes Risiko für die Heilung

Dieser Hinweis des Zahnarztes stellt klar, dass die Behandlung auch misslingen kann

Dem Patienten sollten Zahnprothesen eingesetzt werden. Vor dem Eingriff sprach der Zahnarzt mit dem Raucher darüber und betonte besonders, dass die Prothese in der Regel schlechter einheile, wenn Patienten Alkohol und Nikotin konsumierten. Als der Heilungsprozess dann tatsächlich fehlschlug, klagte der Patient auf Schmerzensgeld.

Begründung: Dass der Eingriff grundsätzlich misslingen könne, habe ihm der Mediziner nicht klargemacht. Er habe ihn nur auf seinen Lebenswandel angesprochen, also sei die Risikoaufklärung unzulänglich gewesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle konnte im konkreten Fall jedoch kein Aufklärungsdefizit erkennen (I U 52/22).

Chirurgische Eingriffe seien nicht immer erfolgreich, so das OLG: Möglicherweise wüssten nicht alle Patienten darüber Bescheid. Im konkreten Fall habe der Zahnarzt diese Information jedoch nicht "unterschlagen", im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem Lebenswandel des Patienten sei das Misserfolgs-Risiko sehr wohl Thema gewesen.

Der Zahnarzt habe mit ihm erörtert, inwiefern seine Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum den Erfolg der Behandlung verzögern oder gar gefährden könnten. Das Risiko eines Misserfolgs bestehe grundsätzlich immer, werde durch die Lebensführung im Einzelfall nur deutlich erhöht. Nach diesem Hinweis habe der Patient von der Möglichkeit eines Fehlschlags ausgehen müssen, auch wenn er mit dem Rauchen aufgehört hätte.

Außerplanmäßige Flugzeug-Inspektion erforderlich

Ist die Hälfte aller Maschinen betroffen, kann eine Airline Flugverspätungen nicht vermeiden

Im Oktober 2019 war ein Flug von Zürich nach Stuttgart mit Airbus A220 annulliert worden. Hintergrund: An diesem Tag war bei so einer Maschine der Fluggesellschaft das Triebwerk ausgefallen. Einige Wochen vorher hatte bereits die amerikanische Luftfahrtbehörde angeordnet, wegen technischer Probleme an den Triebwerken des Airbus A220 nach bestimmten Flugzyklen die Maschinen dieses Typs einer Inspektion zu unterziehen.

Passagiere, die den annullierten Flug nach Stuttgart gebucht hatten und mit einem Ersatzflug fast acht Stunden später dort landeten, verlangten vom Flugunternehmen eine Ausgleichszahlung gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung.

Die Fluggesellschaft lehnte die Zahlung ab: Das für die Sicherheit wesentliche technische Problem habe eine Vielzahl ihrer Maschinen betroffen. Daher habe sie den Flug annullieren müssen. Für so einen Fall könne kein Flugunternehmen genügend Ersatzmaschinen vorhalten.

So sah es auch der Bundesgerichtshof: Er wies die Klage auf Ausgleichszahlung ab (X ZR 117/21). Die Flugannullierung sei auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen, die für die Fluggesellschaft nicht beherrschbar gewesen seien, so die Bundesrichter. Mit technischen Defekten einzelner Maschinen müssten Flugunternehmen immer rechnen, das gehöre zu ihrer normalen Tätigkeit.

Ein außergewöhnlicher und nicht beherrschbarer Umstand — der sie von der Pflicht befreie, die Passagiere zu entschädigen — könne aber vorliegen, wenn ein wesentlicher Teil der Flugzeugflotte betroffen sei. Und so liege der Fall hier. Am fraglichen Tag habe die Airline alle ihre Flugzeuge vom Typ Airbus A220 und damit rund die Hälfte ihrer Kurz- und Mittelstreckenmaschinen wegen des Triebwerkausfalls einer außerplanmäßigen Inspektion unterzogen.

Dies sei notwendig gewesen, um technische Defekte der Maschinen dieses Typs und damit ein hohes Risiko für Fluggäste auszuschließen. In so einem Fall müsse das Flugunternehmen Störungen des Flugbetriebs in Kauf nehmen: Sicherheit sei unter diesen Umständen wichtiger, als Verspätungen und Annullierungen von Flügen zu verhindern. Daher stehe den Passagieren keine Ausgleichszahlung zu.

Magenspiegelung ohne Schmerzmittel

Ärzte dürfen eine fehlerhafte Therapie auch auf Wunsch des Patienten nicht anwenden

Wegen häufiger Verdauungsprobleme wurde bei einem 14-Jährigen eine Magen- und Darmspiegelung vorgenommen. Beim Vorgespräch mit dem Anästhesisten äußerte die Mutter des Patienten den Wunsch, dem Jungen vor dem Eingriff ein Schmerzmittel zu verabreichen. Einige Wochen später forderte die Frau im Namen des Minderjährigen vom Ärzteteam 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Begründung: Entgegen der Absprache habe ihr Sohn während der Untersuchungen kein Schmerzmittel erhalten, die Sedierung sei unzureichend gewesen. Der Junge habe Schmerzen erlitten und fürchte sich nun schrecklich vor endoskopischen Untersuchungen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die Zahlungsklage ab (4 U 1258/22). Laut Sachverständigengutachten habe der Eingriff medizinischem Standard entsprochen.

Nur im Ausnahmefall werde zusätzlich zur Sedierung, die für sich genommen schon riskant sei, Schmerzmittel gegeben. Bei dem Jungen sei das nicht notwendig. Ob ein Behandlungsfehler vorliege oder nicht, richte sich nach dem medizinischen Standard — und nicht nach Vereinbarungen mit Patienten oder Erziehungsberechtigten. Daher könne es offenbleiben, ob der Anästhesist tatsächlich so eine Absprache getroffen habe - was er bestreite.

Auch ein unbedingter Wunsch des Patienten bzw. der Erziehungsberechtigten würde nämlich den Anästhesisten nicht dazu verpflichten, Schmerzmittel zu verabreichen, wenn dies aus medizinischer Sicht bei dieser Untersuchung nicht geboten oder sogar schädlich sei. Ärzte dürften keine medizinisch fehlerhafte Therapie anwenden, auch wenn Patienten dies ausdrücklich forderten. Dies zu unterlassen, könne also keinen Behandlungsfehler darstellen.

Nichts von dem, was die Mutter vorgetragen habe, begründe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Nach der ärztlichen Dokumentation habe der Junge tief geschlafen. Auch die gemessenen Werte sprächen dafür, dass die Sedierung bei dem Eingriff gestimmt habe. Die behaupteten Schmerzen dabei seien eine folgenlose Bagatelle gewesen. Dass der Junge weitere Eingriffe fürchte, sei ebenfalls "normal". In dem geschilderten Ausmaß seien Unwohlsein und Angst vor ärztlichen Untersuchungen alltagstypische Erscheinungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet seien.

Betrüger am Telefon

Gibt ein Bankkunde TANs telefonisch durch, haftet er selbst für die abgebuchten Beträge

Am Telefon hatte sich vermeintlich ein Mitarbeiter der Bank gemeldet. Dem Bankkunden teilte er mit, die Bank müsse seinen TAN-Generator aktualisieren. Zu diesem Zweck sollte ihm der Kontoinhaber freundlicherweise einige TAN durchgeben. Der Bankkunde kam der Aufforderung nach … Beim Lesen der nächsten Kontoauszüge wurde dem Mann dann klar, dass er auf einen Betrüger hereingefallen war.

Die Bank ersetzte die unautorisiert abgebuchten Beträge nicht. Dazu sei sie nicht verpflichtet, erklärte die Bank, weil sich der Kunde grob fahrlässig verhalten habe. So sah es auch das Landgericht Saarbrücken: Es wies die Klage des Bankkunden auf Erstattung ab, weil er seine Sorgfaltspflichten leichtfertig und massiv verletzt habe (1 O 181/20). Daher müsse er für die illegalen Zahlungsvorgänge selbst haften.

Eine TAN am Telefon weiterzugeben, sei immer grob fahrlässig, weil dies nicht dem üblichen Übermittlungsweg der TAN entspreche. Wenn jemand in eine gut gefälschte Eingabemaske am Computer eine TAN eingebe, sei das eher zu entschuldigen. Damit sei das Verhalten des Kunden im konkreten Fall aber nicht vergleichbar.

Für sich genommen sei es zwar nicht total ungewöhnlich, wenn ein Mitarbeiter der Bank einen Kunden anrufe. Sehr ungewöhnlich sei es aber, wenn der Mitarbeiter verlange, telefonisch eine TAN durchzugeben. Wenn ein Kunde schon länger Online-Banking nutze, wisse er, dass mit TANs Zahlungsvorgänge freigegeben würden. Dem Kunden hätte also klar sein müssen, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang handelte, sondern um Betrug.

Gegen Ammoniak und Henna allergisch

Kundin wies die Friseurin darauf hin, die trotzdem Haarfärbemittel mit Spuren dieser Stoffe einsetzte

Die Kundin war im Friseursalon erschienen, um sich die Haare färben zu lassen. Ausdrücklich wies sie die Friseurin darauf hin, dass sie allergisch sei gegen die Stoffe Ammoniak und Henna. Das sind Substanzen, die in geringer Menge in zahlreichen Haarfärbemitteln enthalten sind. Ohne dies weiter zu kommentieren, färbte die Friseurin der Kundin die Haare mit so einem Haarfärbemittel.

Prompt erlitt die Kundin eine allergische Reaktion: Gesicht und Augen schwollen an, an der Kopfhaut entwickelten sich Ekzeme. Von der Friseurin forderte sie deshalb Schmerzensgeld. Zu Recht, wie das Amtsgericht Brandenburg entschied: Denn der Friseurin sei fahrlässige Körperverletzung vorzuwerfen (34 C 20/20).

Wenn eine Kundin vor der Haarbehandlung explizit darauf hinweise, sie sei gegen bestimmte chemische Stoffe allergisch, dürfe eine Friseurin das nicht ignorieren. Die Friseurin könne natürliche Färbemittel ohne diese Substanzen verwenden. Habe sie keine derartigen Färbemittel, müsse sie die Kundin zumindest darüber aufklären, dass beim Einsatz ihrer Haarfärbemittel das Risiko einer Allergie nicht auszuschließen sei.

Am besten hätte die Friseurin das Färben der Haare rundweg abgelehnt. Wenn sie das nicht wolle, müsse sie sich zumindest von der Kundin schriftlich bestätigen lassen, dass die Kundin damit einverstanden sei, das Risiko einzugehen.

2.000 Euro Schmerzensgeld müsse die Friseurin der Frau zahlen, so das Amtsgericht. Dieser Betrag sei angemessen, aber auch ausreichend. Denn die Kundin habe kein Haar verloren und keine Perücke tragen müssen. Auch seien keine Spätfolgen zu befürchten.

Zu wenig Bedenkzeit vor der Nasenoperation?

Die Zustimmung des Patienten kann auch wirksam sein, wenn er sie sofort nach dem Aufklärungsgespräch erklärt

Nach einer missglückten Nasenoperation, bei der eine Hirnblutung aufgetreten war, verlangte ein Bremer Schadenersatz von der Klinik. Sein Vorwurf: Man habe ihm zu wenig Zeit gelassen, die Entscheidung zu überdenken. Daher sei seine Zustimmung zu dem Eingriff unwirksam gewesen.

Tatsächlich hatte der Patient das Einwilligungsformular drei Tage vor dem Eingriff unterschrieben — allerdings direkt nach dem Aufklärungsgespräch über die Operationsrisiken.

Nach den geltenden Regeln muss die Risikoaufklärung vor einer Operation so früh erfolgen, dass der Patient "wohlüberlegt" entscheiden kann. Dieser Grundsatz sei hier verletzt worden, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen: Dem Patienten stehe wegen der fehlenden Bedenkzeit nach dem Aufklärungsgespräch Schadenersatz zu. Dem widersprach jedoch der Bundesgerichtshof (VI ZR 375/21).

Hier könne sogar offenbleiben, ob der Patient eventuell beim Gespräch vom HNO-Arzt zu einer schnellen Entscheidung gedrängt worden sei, so die Bundesrichter. Das spiele keine Rolle, weil der Mann drei Tage später wie vereinbart in der Klinik erschienen sei. Also habe er genügend Zeit gehabt, seine Entscheidung zu überdenken. Danach habe er stillschweigend nochmals in die Operation eingewilligt, indem er sich in der Klinik aufnehmen ließ.

Patienten müssten rechtzeitig vor einem Eingriff vom behandelnden Arzt über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Das bedeute aber nicht, dass man unbedingt einen Mindestabstand zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Zustimmungserklärung des Patienten einhalten müsse. Vorausgesetzt, die Risikoaufklärung sei korrekt erfolgt, sei es grundsätzlich die Sache des Patienten, wie schnell er sich pro oder contra entscheide.

Der Rechtsstreit wurde ans OLG zurückverwiesen. Es soll nun klären, ob möglicherweise ein Behandlungsfehler vorlag. Damit hatte sich das OLG nicht befasst. Aus seiner Sicht war das folgerichtig, weil es den Anspruch des Patienten auf Schadenersatz bereits wegen der fehlenden Bedenkzeit bejaht hatte.

Vom Hund ins Ohr gebissen

"Streicheln" begründet kein Mitverschulden am Hundebiss, wenn die Verletzte mit dem Tier vertraut war

Eine junge Frau besuchte ihre Freundin, man plauderte in der Küche. Ein Rottweiler-Rüde saß dabei, der dem Bruder der Freundin gehörte. Die Besucherin war mit dem Hund sehr vertraut, hatte schon oft mit ihm gespielt und gekuschelt. Doch als sie sich diesmal zu ihm hinunterbeugte und ihn am Kopf streichelte, schnappte der Rottweiler nach ihr und biss sie ins linke Ohr.

Die Wunde musste mit vielen Stichen genäht werden. Die Frau war über eine Woche arbeitsunfähig und klagt über anhaltende Schmerzen. Vom Tierhalter verlangte sie Entschädigung, doch der schob die Schuld auf die Verletzte: Sie habe den Hundebiss provoziert, weil sie den Hund beim Fressen gestört habe.

Das Landgericht Frankenthal konnte dagegen kein Verschulden der Frau erkennen und sprach ihr 4.000 Euro Schmerzensgeld zu (9 O 42/21). Grundsätzlich hafteten Tierhalter unabhängig von eigenem Verschulden für die Folgen, wenn ihr Haustier jemanden verletze (es sei denn, das Haustier werde beruflich eingesetzt, was hier nicht zutreffe).

Eigenes Fehlverhalten müsste sich die Verletzte zwar als Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen lassen. Es stelle aber kein falsches Verhalten oder gar eine Provokation des Hundes vor, wenn man ihn streichle oder umarme. Das gelte zumindest dann, wenn eine Bekannte - wie hier - das Tier lange und gut kenne und wenn der Hund ihr gegenüber noch nie aggressives Verhalten an den Tag legte.

Alter Nagel im Huf

Dressurpferd lahmte nach dem Beschlagen durch den Hufschmied

Ein Gestüt für Vielseitigkeitssport hatte den Hufschmied bestellt, um vier Pferde frisch zu beschlagen. Nach dieser Prozedur wurde das Dressurpferd D sofort in die Box zurückgeführt. Am späten Nachmittag reinigte ein Mitarbeiter D’s Hufe und sattelte das Tier. Ein Mitglied der Geschäftsleitung unternahm mit dem Pferd einen leichten Ausritt von ungefähr einer halben Stunde.

Am nächsten Morgen wurde das Tier am Stallboden liegend vorgefunden: D konnte das vordere rechte Bein nicht mehr belasten. Ein Mitarbeiter untersuchte das Bein und entdeckte im Hufstrahl einen alten, ungefähr 3,5 Zentimeter langen Nagel, den er entfernte. Anschließend wurde die Verletzung in einer Pferdeklinik behandelt.

Die Inhaberin des Gestüts veranschlagte die Kosten auf 33.700 Euro und verlangte dafür vom Hufschmied Schadenersatz: Bevor er das Dressurpferd beschlagen habe, habe es nie Probleme mit den Hufen gehabt. Für die Verletzung sei der Hufschmied verantwortlich, weil er so schlampig arbeite. Offenbar habe er Nägel auf den Boden fallen und dort liegen lassen. Andernfalls hätte D nicht auf einen Nagel treten können.

Das Landgericht Koblenz wies die Klage der Pferdebesitzerin ab (3 O 80/21). Sie behaupte, D sei beim Beschlagen der Hufe in den alten Nagel getreten, der sich in den Hufstrahl gebohrt habe. Ein Verschulden des Hufschmieds sei jedoch nicht bewiesen, so das Landgericht, vielmehr gebe es daran begründete Zweifel. Denn zwischen dem Beschlagen und dem Ausritt am Nachmittag habe ein Gestütsmitarbeiter die Hufe des Tieres ausgekratzt. Ihm hätte der Nagel auffallen müssen.

Daher stehe nicht mit Sicherheit fest, dass sich das Dressurpferd schon vor dem Ausritt verletzt habe. Dass der "unordentliche Arbeitsplatz" bzw. die schlampige Arbeitsweise des Hufschmieds die Verletzung verursacht habe, sei möglich. Dass sich D den Nagel anderswo auf dem Gestüt oder auf dem Gelände eingetreten habe, sei aber ebenso wahrscheinlich. Da die Verantwortung des Hufschmieds nicht zweifelsfrei erwiesen sei, müsse er für die Behandlungskosten nicht haften.

Sex im Parkhaus

Kölner Parkhausbetreiber haftet nicht für Sex-Schäden an einer Motorhaube

Ein Geschäftsreisender hatte seinen Wagen über Nacht im Parkhaus am Kölner Hauptbahnhof abgestellt. Als er das Auto am Morgen abholen wollte, erlebte er eine böse Überraschung: Die Motorhaube hatte Dellen, der Lack war zerkratzt. Auf seine Beschwerde hin gingen Mitarbeiter des Parkhauses der Sache nach. Sie prüften die Videoaufnahmen der Überwachungskamera und bekamen überraschend Sex geboten.

Zwei Personen hatten sich in der Nacht auf der Motorhaube miteinander vergnügt — offenbar sehr intensiv. Zu erkennen waren die "Liebenden" auf der Aufnahme jedoch nicht. Verständlicherweise wollte der Autobesitzer die Folgen des Treibens nicht einfach so hinnehmen. Er forderte vom Parkhausbetreiber 4.700 Euro Schadenersatz für die Reparaturkosten.

Falsche Adresse, meinte jedoch das Landgericht Köln: Den Parkhausbetreiber treffe kein Vorwurf (21 O 302/22). Wie die Videoaufnahme dokumentiere, habe das Liebesspiel auf der Motorhaube nur neun Minuten gedauert. Diese Zeitspanne sei so kurz, dass hier von einer Pflichtverletzung des Betreibers oder seiner Mitarbeiter keine Rede sein könne, erklärte das Landgericht.

Weder der Betreiber, noch seine Mitarbeiter seien verpflichtet, die Videoaufzeichnungen Tag und Nacht ununterbrochen zu beobachten, um mögliche Verstöße gegen Sicherheit und Ordnung festzustellen oder sogar zu verhindern. Und so blieb der Autobesitzer auf dem Schaden sitzen.