19-Jährige lässt sich Fondsbeteiligung aufschwatzen
onlineurteile.de - Beim Tod der Eltern 2004 erbte die 19-jährige Tochter 50.000 Euro. Von einem selbständigen Finanzdienstleister ließ sie sich beraten. Der empfahl ihr, sich an einem geschlossenen Leasingfonds zu beteiligen (ein Steuersparmodell, in erster Linie darauf ausgerichtet, hohe Verlustzuweisungen zu erreichen). Die erwerbslose junge Frau legte ihr Geld dort an und verlor den gesamten Betrag.
2012 verklagte sie den Finanzdienstleister auf Schadenersatz für den Verlust: Der Berater habe ihr die Beteiligung als "sichere Kapitalanlage" nahe gelegt und sie nicht über Risiken informiert.
Ihr Anspruch auf Schadenersatz sei verjährt, behauptete der Finanzdienstleister. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren sei Ende 2007 abgelaufen. Sie beginne nämlich immer am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstehe (im konkreten Fall also Ende 2004). Die Kundin habe schon 2004 über die Fakten Bescheid gewusst (oder Bescheid wissen müssen), mit denen sie jetzt ihren Anspruch begründe.
Dem widersprach das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (I-34 W 173/12). Richtig sei: Bei Kenntnis (oder grob fahrlässiger Unkenntnis) der den Anspruch begründenden Umstände hätte die Verjährungsfrist Ende 2004 zu laufen begonnen. Doch der Vorwurf des Finanzdienstleisters, die Geldanlegerin hätte damals schon wissen müssen, dass ihr wegen falscher Beratung Anspruch auf Schadenersatz zustehe, gehe fehl.
Die pauschalen Hinweise im Zeichnungsschein ("nicht mündelsichere Kapitalanlage") und im Anlageprospekt seien inhaltlich wenig aussagekräftig und führten einem durchschnittlich informierten Anleger — geschweige denn einer unerfahrenen Anlegerin wie der 19-Jährigen — die Anlagerisiken nicht verständlich vor Augen. Auf Basis dieser Informationen habe die junge Frau den Tipp des Beraters nicht hinterfragen müssen. Daher sei ihr Anspruch nicht verjährt.
Allgemein gelte: Anleger dürften auf das gesprochene Wort des Beraters vertrauen. Schließlich suchten sie ihn auf, um für ihre Anlageentscheidung seine besonderen Erfahrungen und Kenntnisse zu nutzen. Zu Recht habe auch die 19-Jährige den Ratschlägen des Finanzdienstleisters besonderes Gewicht beigemessen. Wenn sie es im Vertrauen darauf unterließ, die schriftlichen Unterlagen genau zu studieren, sei das nicht als grob fahrlässig zu bewerten.
Das gelte selbst dann, wenn die Anlegerin bei gründlicher Lektüre des Prospekts und des Zeichnungsscheins eventuell hätte erkennen können, dass die angeblich sichere Anlage riskant war und der Berater die Risiken beschönigte. Der Berater habe ihr eine Geldanlage empfohlen, die weder zu ihren Anlagezielen, noch zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen passte. (Das OLG bewilligte der Frau Prozesskostenhilfe für eine Schadenersatzklage.)