"... als hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt"
onlineurteile.de - Wird ein Arbeitsverhältnis beendet, haben Arbeitnehmer Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Offiziell sind "verschlüsselte Botschaften" darin verboten, aber jeder weiß, dass Arbeitgeber häufig negative Urteile über ihre Mitarbeiter in harmlos oder positiv klingenden Formulierungen verstecken. Herr X, der drei Jahre im "SAP Competence Center" gearbeitet hatte, vermutete so einen Dreh.
In seinem Zeugnis stand: "Wir haben X als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. X war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit."
Was den Arbeitnehmer störte, war in erster Linie der Begriff "kennen gelernt". Diese Formulierung werde in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden, meinte X. Damit bringe der Arbeitgeber verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der jeweiligen Aussage zutreffe.
Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Definition des Wortes "kennenlernen" nicht und konnte darin keine verschlüsselte Botschaft erkennen (9 AZR 386/10). Die Aussage — wir haben ihn "als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt" — erwecke objektiv betrachtet nicht den Eindruck, der Arbeitgeber attestiere dem Arbeitnehmer in Wirklichkeit Desinteresse und fehlende Motivation.
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