An der Bushaltestelle Kind angefahren
onlineurteile.de - An einem Winternachmittag gegen 16.30 Uhr, also bei hereinbrechender Dunkelheit, stand ein Kleinbus an der Bushaltestelle des Dorfes. Der Bus war als Schulbus gekennzeichnet und hatte das Warnblinklicht eingeschaltet. Entgegen der Fahrtrichtung des Busses näherte sich ein Wagen mit einer Geschwindigkeit von ca. 30-50 km/h. Ein kleines Mädchen, das an der Haltestelle ausgestiegen war, wollte noch vor dem Auto die Straße überqueren. Der Wagen erfasste und verletzte das (damals fünfeinhalbjährige) Kind.
Die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, die für die Heilbehandlung des Mädchens aufkam, verklagte den Autofahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Ersatz. Vergeblich versuchten diese, den Eltern die Schuld in die Schuhe zu schieben: Die Eltern hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt, sie hätten das Kind abholen müssen. Dem widersprach das Amtsgericht Prüm (6 C 146/06).
Ein fünfeinhalbjähriges Kind müsse nicht ständig beaufsichtigt werden. In einem ruhigen Dorf ohne Durchgangsverkehr könne es ohne Weiteres auch allein 300 Meter von der Bushaltestelle nach Hause gehen - Kinder müssten die selbständige Teilnahme am Straßenverkehr lernen. An Haltestellen unaufmerksam die Straße zu überqueren, stelle überdies ein sehr verbreitetes Fehlverhalten von Fußgängern dar, das keineswegs auf kleine Kinder beschränkt sei. Die Frage der Aufsichtspflicht könne aber letztlich offen bleiben, denn: Das Verschulden des Autofahrers falle in jedem Fall schwerer ins Gewicht, selbst wenn man eine Mitschuld der Eltern annähme.
Laut Straßenverkehrsordnung dürften Autos an gekennzeichneten Schulbussen - die, wie hier, mit eingeschaltetem Warnblinklicht an einer Haltestelle stehen - nur mit Schrittgeschwindigkeit vorbeifahren. Dabei müssten die Fahrer Abstand halten und aufpassen, um wirklich jede Gefährdung von Fahrgästen auszuschließen. Notfalls müssten sie anhalten. Der Unfallfahrer sei viel schneller als Schrittgeschwindigkeit gefahren. Dass er in der Dämmerung die Haltestelle womöglich nicht als solche erkannt habe, entlaste ihn nicht, im Gegenteil. Autofahrer müssten so fahren, dass sie die Verkehrssituation jederzeit treffend beurteilen könnten.