Arzt am Pranger

Verbreitung von Handzetteln gegen "rechtswidrige Abtreibungen" gerichtlich untersagt

onlineurteile.de - In einer gynäkologischen Praxis wurden auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Einem Abtreibungsgegner ließ das keine Ruhe. Er verteilte Handzettel, auf denen es hieß: "Stoppt rechtswidrige Abtreibungen in der Praxis Dr. ...". Die Handzettel warf er in Briefkästen und befestigte sie an Fahrzeugen in der Umgebung der Praxis. Der Arzt fühlte sich in seiner Be-

rufsehre verletzt und ging gerichtlich gegen den Abtreibungsgegner vor. In zwei Gerichtsinstanzen verurteilte man den Mann dazu, sein Treiben einzustellen.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Urteile und wies die Revision des hartnäckigen Abtreibungsgegners ab (VI ZR 366/02). Zwar seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Schwangerschaftsabbrüche, die die nach der gesetzlichen Beratungsregelung vorgenommen würden, mit dem Unwerturteil "rechtswidrig" behaftet. Trotzdem dürfe der Abtreibungsgegner seinen Vorwurf nicht mehr öffentlich wiederholen: Denn nach allgemeinem Sprachgebrauch werde "rechtswidrig" mit "verboten" gleichgesetzt. Der durchschnittlich informierte Bürger verstehe die Handzettel daher so, als fänden in der gynäkologischen Praxis strafbare Handlungen statt - was aber nicht zutreffe. Ausnahmsweise schließe hier der Begriff "rechtswidrig" legales und strafloses Handeln des Arztes nicht aus.

Dass er deshalb bewusst an den Pranger gestellt werde, müsse der Mediziner nicht hinnehmen. Damit werde sein Persönlichkeitsrecht in so gravierender Weise verletzt, dass dieser Gesichtspunkt das Grundrecht des Abtreibungsgegners auf Meinungsfreiheit überwiege.