Bei "Grün" in verstopfte Kreuzung eingefahren

Wer sich bei Stau in eine Lücke drängt, begeht trotz Grünlichts einen Verkehrsverstoß

onlineurteile.de - Im Berufsverkehr herrschte dichter Verkehr, auf der breiten R-M-Straße stauten sich die Autos bereits. An einer Kreuzung fuhr ein Lkw-Fahrer hinein, als die Ampel für ihn auf Grün stand, musste dann aber anhalten. Der vordere Teil des großen Lasters blockierte daher die von rechts kommende K-Straße.

Hier wartete Herr X auf grünes Licht. Als die Ampel umschaltete, fuhr er auf die Kreuzung und zwängte seinen Mercedes schräg in eine Lücke zwischen dem Laster und einem Pkw (gefahren vom späteren Zeugen Y). Beim Anfahren übersah der Lkw-Fahrer den Mercedes und rammte ihn.

X verklagte den Lkw-Fahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz für Reparaturkosten von fast 7.000 Euro. Doch zu seiner großen Überraschung musste er vor Gericht erfahren, dass er für den Unfall überwiegend selbst verantwortlich war.

Wer bei Grün in eine Kreuzung einfahren wolle, müsse zuerst dem in der Kreuzung "hängengebliebenen" Querverkehr die Möglichkeit geben, sie zu verlassen, erklärte ihm das Oberlandesgericht Karlsruhe (1 U 66/12). Das sei eine allgemein anerkannte, klare Regel. Im Interesse der Verkehrssicherheit müsse derjenige, der eigentlich Vorfahrt habe, darauf verzichten, damit sich der Stau auf der Kreuzung auflösen könne (juristisch formuliert: Vorrecht hat der Kreuzungsräumer).

Zeuge Y habe bei der Polizei ausgesagt, der Abstand zwischen seinem Auto und dem Laster habe zwei oder drei Meter betragen. Auf jeden Fall sei die Lücke viel zu klein gewesen, um sich mit dem fast fünf Meter langen Mercedes in den stehenden Verkehr auf der Kreuzung einzureihen, so die Richter. Anstatt in der K-Straße zu warten, habe X die Vorfahrt des Lasters missachtet und sich in die Lücke gedrängt. Blickkontakt mit dem Lkw-Fahrer habe er auch nicht gesucht.

Dem Lkw-Fahrer könne man höchstens vorwerfen, beim Anfahren nicht genügend aufgepasst zu haben — ein fahrlässiger Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines Verkehrsteilnehmers. Dagegen falle das Verschulden des Mercedes-Fahrers weit schwerer ins Gewicht, weshalb er für zwei Drittel seines Schadens selbst aufkommen müsse.

Vernünftige Autofahrer bemühten sich angesichts einer blockierten Kreuzung, die Situation zu entwirren. X dagegen habe allein an sein Fortkommen gedacht und mit seinem egoistischen Verhalten die Verkehrsstockung noch verlängert.