Beim Zertifikate-Kauf falsch beraten?

Banken müssen nicht auf ihr Gewinninteresse hinweisen, wenn es offenkundig ist

onlineurteile.de - Eine Bankkauffrau unterhielt bei einer deutschen Bank ein Wertpapierdepot. Nach einem telefonischen Beratungsgespräch mit einem Bankmitarbeiter kaufte sie im Februar 2007 für 20.000 Euro Zertifikate von Lehman Brothers. Bei dem Geschäft erhielt ihre Hausbank von Lehman Brothers — genauer: von der deutschen Tochtergesellschaft der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers — einen Rabatt. Darüber wurde die Kundin nicht informiert.

Als die amerikanische Investmentbank 2008 Pleite ging, waren die Zertifikate wertlos. Nun forderte die Bankkauffrau von ihrer Bank wegen gravierender Beratungsfehler bei der Geldanlage Schadenersatz in Höhe des verlorenen Anlagebetrags: Kurz vor der Pleite von Lehman Brothers habe man ihr die Zertifikate als sichere Anlage empfohlen. Außerdem habe ihr die Bank verschwiegen, dass sie einen Rabatt von 3,5 Prozent auf den Emissionspreis der Wertpapiere erhielt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage der Anlegerin ab (XI ZR 367/11). Als Anlegerin trage sie das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweise — vorausgesetzt, das Kreditinstitut habe sie richtig beraten. Dass sie auf den Rabatt nicht hingewiesen wurde, belege den Vorwurf falscher Beratung nicht.

Banken seien nicht verpflichtet, Anleger über ihr Gewinninteresse an einem Wertpapiergeschäft aufzuklären, so der BGH. Das sei so offenkundig wie die Absicht eines Verkäufers, mit einem Verkauf Profit zu erzielen. Darüber müsse man einen Käufer auch nicht informieren.

Auf die BGH-Rechtsprechung zu Rückvergütungen könne sich die Bankkauffrau nicht berufen: Rückvergütungen seien Provisionen, die z.B. aus Verwaltungsgebühren gezahlt würden. Häufig werde deren "Rückfluss an die beratende Bank" nicht offenbart, er geschehe dann "hinter dem Rücken des Anlegers". Das sei unzulässig: Denn in so einem Fall könne der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank nicht erkennen, speziell dieses Produkt zu empfehlen.

Aufklärungspflicht in Bezug aufs Gewinninteresse sei auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Bank die Wertpapiere nur vermittelt habe. Ob es um eigene oder — wie hier — um fremde Anlageprodukte gehe, spiele bei einem Festpreisgeschäft keine Rolle. Die Anlegerin habe die Papiere zu einem zuvor vereinbarten Festpreis erworben. Dabei zahle der Anleger den Nennwert der Papiere ohne zusätzliche Provision oder Spesen. Wirtschaftlich betrachtet, sei das nichts anderes als ein eigenes Geschäft der Bank.