Blasphemisches Theaterstück?
onlineurteile.de - Verglichen mit dem aktuellen, weltweiten Aufruhr um das islamfeindliche Video war die Aufregung um das Skandalstück einer spanischen Theatertruppe nur ein laues Lüftchen. Der Anlass der Empörung ist allerdings ähnlich: Die konservative katholische Piusbruderschaft und andere Christen protestierten Anfang 2012 gegen das am Hamburger Thalia-Theater aufgeführte Stück "Gólgata Picnic" und warfen den Theaterleuten Gotteslästerung vor.
Denn da fand das letzte Abendmahl auf einem Teppich aus unzähligen Hamburger Brötchen statt und eine Frau spielte Jesus bei der Kreuzigung. Dabei trug sie einen Motorradhelm mit Dornenkrone. In vielen Protest-Mails an den Intendanten wurde die Verhöhnung christlicher Symbole angeprangert. Einer der Kritiker zog vor Gericht, um die Aufführung verbieten zu lassen — ohne Erfolg.
Die Aufführung trage zu einer "Atmosphäre der Feindseligkeit und des Spottes" bei, trug der Kläger vor. Diese Atmosphäre erschwere zunehmend das "Leben als praktizierender Christ in unserer Gesellschaft". Das Stück erfülle den Straftatbestand des § 166 Strafgesetzbuch, denn es beschimpfe öffentlich ein religiöses Bekenntnis in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören.
Aus diesem Paragraphen könne der Kläger kein subjektives Recht darauf ableiten, dass die Theateraufführung verboten werde, urteilte das Verwaltungsgericht Hamburg (VG 14 K 272/10). Diese Norm schütze den öffentlichen Frieden und nicht das religiöse Empfinden Einzelner. Auch auf die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit (Artikel 4 I Grundgesetz) könne sich der Kläger nicht berufen.
Der Staat müsse die Religionsfreiheit der Bürger zwar vor Angriffen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen schützen. Der betreffende Artikel im Grundgesetz verleihe aber gläubigen Menschen und religiösen Gruppen keinen Anspruch darauf, ihrem Glauben mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen. Das Recht des Klägers auf Religionsfreiheit sei durch das Theaterstück nicht beeinträchtigt: Er könne der Aufführung fernbleiben und sei nicht gezwungen, sie zur Kenntnis zu nehmen.
Soweit es um die gesellschaftliche Wirkung des Stückes gehe, könne der Kläger darauf Einfluss nehmen, indem er sich an der öffentlichen Diskussion darüber beteilige. Religionsgemeinschaften und ihre Mitglieder könnten an gesellschaftlichen Debatten über Religion teilnehmen und sich kommunikativ mit Theaterstücken auseinandersetzen, die sie für kritikabel halten. So habe z.B. auch der Rektor der Katholischen Akademie Hamburg am Publikumsgespräch mit dem Ensemble und dem Intendanten des Theaters teilgenommen. Auch das Erzbistum habe Stellung bezogen.