Chefarzt operierte, Stationsarzt sprach mit der Patientin
onlineurteile.de - Eine Frau wurde vom Chefarzt einer chirurgischen Klinik am Zwölffingerdarm operiert. Nach dem Eingriff entzündeten sich Bauchfell und Bauchspeicheldrüse. Die Patientin musste 49 Tage auf der Intensivstation behandelt und einige Male operiert werden. Erst nach fünf Monaten in der Klinik konnte sie eine Reha-Maßnahme antreten und leidet heute noch an Folgen der Operation.
Über deren Risiken sei sie nicht richtig aufgeklärt worden, warf die Patientin dem Chefarzt vor. Sie verlangte Schmerzensgeld. Stationsarzt S. habe mit ihr vor dem Eingriff gesprochen, aber die Gefahr einer Bauchspeicheldrüsenentzündung nicht erwähnt. Das Oberlandesgericht wies die Klage der Patientin ab: Facharzt S. sei ausreichend qualifiziert. Selbst wenn er einen Fehler gemacht haben sollte, sei dieser jedenfalls nicht dem Chefarzt zuzurechnen.
Diese Argumentation verkenne die Grundsätze zur ärztlichen Zusammenarbeit, tadelte der Bundesgerichtshof (VI ZR 206/05). Zu den Pflichten eines Chefarztes gehöre es nämlich, für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Patienten seiner Klinik zu sorgen. Wenn er das Gespräch mit dem Patienten einem Mitarbeiter übertrage, müsse er durch organisatorische Maßnahmen und Kontrolle sicherstellen, dass der Patient richtig informiert werde.
Nur dann dürfe er sich auf seine Stationsärzte verlassen. Dass Dr. S. schon zehn Jahre mit dem Chefarzt zuverlässig zusammenarbeite, ändere daran nichts. Dr. S. habe, seiner eigenen Aussage nach, trotz langjähriger Berufserfahrung diese seltene Operation noch nie selbst durchgeführt und erst Fachliteratur studieren müssen, um sich über die Risiken zu informieren. Um so mehr Anlass für den Operateur, sich durch ein Gespräch mit S. zu vergewissern, ob dieser den Eingriff in seiner Gesamtheit erfasst habe und der Patientin die erforderliche Entscheidungshilfe geben könne.
Das Oberlandesgericht müsse sich gemäß dieser "Leitlinie" nun erneut mit dem Fall befassen und klären, ob die Risikoaufklärung der Patienten in der chirurgischen Klinik gut genug organisiert sei.