Das quietschgrüne Melkhaus
onlineurteile.de - Ein Landwirt im Kreis Tübingen erhielt die Baugenehmigung für einen Milchvieh-Laufstall mit Melkhaus. Das Landratsamt erteilte die Erlaubnis mit folgender Auflage: Wenn er das Melkhaus außen anstreiche, müsse er einen "landschaftlich unauffälligen Farbton" wählen. Welchen genau, bleibe ihm überlassen.
Der Landwirt warf einen Blick in die Landschaft und sah: grün. Das Melkhaus erstrahlte daraufhin in grellgrüner Farbe. "Landschaftlich unauffällig" hatte sich die Behörde jedoch anders vorgestellt: Der Anstrich steche hervor, das Gebäude wirke wie ein Fremdkörper, kritisierte das Landratsamt. Es forderte den Landwirt auf, den Anstrich zu ändern. Ansonsten müsse er ein Zwangsgeld von 400 Euro berappen.
Der Landwirt protestierte: Wie solle er den richtigen Farbton aussuchen, wenn die Auflage so ungenau formuliert sei? Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gab ihm Recht (8 S 2919/11). Bürger könnten Anordnungen der Behörden nur befolgen und durchsetzen, wenn klar und deutlich sei, was gefordert werde.
Der strittige Verwaltungsakt des Landratsamts erfülle diese Voraussetzung nicht, denn die Formulierung "landschaftlich unauffällig" sei inhaltlich unbestimmt. Ob eine Farbe zur Landschaft passe, hänge nicht zuletzt von Jahreszeiten und Lichtverhältnissen ab. Das könne man subjektiv sehr unterschiedlich einschätzen. Gerade bei "Grün" gebe es eine breite Farbpalette, wie der RAL-Farbkatalog zeige (die Farbskala der Lackindustrie).
Wenn die Behörde Gebäude und Landschaft farblich in Einklang bringen wolle, hätte sie dem Landwirt entweder eine Auswahl von Farbtönen (gemäß dem RAL-Farbkatalog z.B.) vorgeben oder konkrete Farbtöne ausschließen müssen. Da die Auflage unklar sei, habe der Landwirt gar nicht erkennen können, was eigentlich von ihm erwartet werde. Diese Unklarheit habe er nicht aus eigenem Antrieb aufklären müssen. Sie gehe vielmehr zu Lasten der Behörde, die ihm kein Zwangsgeld aufbrummen dürfe.