DDR-Doping-Arzt mit KZ-Arzt Mengele verglichen

Rechtsanwalt muss wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts Entschädigung zahlen

onlineurteile.de - Der ehemalige Verbandsarzt des Deutschen Schwimmsportverbands der DDR war wegen Körperverletzung angeklagt, weil er (auf staatliche Anweisung) Leistungsschwimmerinnen anabole Steroide gegeben hatte. Einige Dopingopfer beteiligten sich am Prozess als Nebenklägerinnen. Ihr Anwalt wurde in einer Verhandlungspause von einem Fernsehsender interviewt und gefragt, wie er die Aussagen des Sportarztes bewerte. "Ja, ich bezeichne ihn als Mengele des DDR-Doping-Systems", antwortete der Anwalt, "er hat die Nebenwirkungen gekannt, er wusste, was er den Mädchen antat, er hat Versuche gestartet, alles mit dem Ziel der Leistungssteigerung". Das Interview wurde in der Tagesschau der ARD um 20 Uhr gesendet.

Der Sportarzt, der zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde, wollte den Angriff des Rechtsanwalts nicht auf sich sitzen lassen. Mit Erfolg verklagte er ihn wegen Beleidigung und Verletzung seines Persönlichkeitsrechts: Der Dopinggegner musste 5.000 DM Entschädigung zahlen. Dagegen erhob der Anwalt Verfassungsbeschwerde und pochte auf die freie Rede. Doch das Bundesverfassungsgericht bestätigte das Urteil, es widerspreche der Meinungsfreiheit nicht (1 BvR 984/02).

Der DDR-Dopingarzt sei ganz sicher eine kritikwürdige Arztpersönlichkeit. Skrupellos habe er im Interesse sportlicher Erfolge für den Staat die Schwimmerinnen geschädigt. Dennoch habe er mit diesen Verfehlungen nicht annähernd die historische Dimension von ärztlichem Verbrechertum erreicht, derer sich der KZ-Arzt Mengele mit seinen Menschenversuchen an KZ-Insassen schuldig gemacht habe. Deshalb wiege das Persönlichkeitsrecht des Arztes hier schwerer als das Recht auf Meinungsfreiheit: Der in aller Öffentlichkeit gezogene Vergleich mit dem KZ-Arzt schädige seinen Ruf.