Der Unfall nach dem Unfall

Nach einem Auffahrunfall stieg ein Fahrer aus und stürzte auf eisglatter Straße

onlineurteile.de - An einem kalten Dezembertag fuhr Herr A mit seinem Wagen langsam auf eine Kreuzung zu und blieb (als Wartepflichtiger) davor stehen. Die Autofahrerin B hinter ihm konnte auf eisglatter Fahrbahn ihr Auto nicht rechtzeitig anhalten, es rutschte langsam gegen den vorderen Wagen. Dabei verhakte sich die Stoßstange ihres Autos mit der Anhängerkupplung an A's Wagen — die Fahrzeuge selbst wurden nicht beschädigt.

Glimpflich davongekommen, könnte man denken. Doch als Herr A ausstieg, um nachzusehen, was genau passiert war, rutschte er auf der glatten Straße aus. Er stürzte zu Boden und brach sich das rechte Schultergelenk. Von Frau B bzw. ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung forderte er Schadenersatz und Schmerzensgeld für die Verletzung. Zunächst ohne Erfolg.

Wenn jemand auf Eisglätte ausrutsche, verwirkliche sich eine allgemeine Unfallgefahr, die jeden Fußgänger treffen könne, so das Landgericht. Der Auffahrunfall sei nicht die Ursache für die Verletzung von Herrn A. Mit dieser Begründung wies das Landgericht die Klage des Verletzten ab.

Damit war der Bundesgerichtshof (BGH) nicht einverstanden (VI ZR 116/12). Natürlich habe zum Unfallzeitpunkt wegen der winterlichen Straßenverhältnisse allgemein die Gefahr bestanden, dass Fußgänger ins Rutschen geraten und stürzen, so der BGH. Dennoch sei für den Sturz von Herrn A der Auffahrunfall ausschlaggebend. Denn nur deswegen sei er ausgestiegen und um den Wagen herumgegangen, um den Schaden zu begutachten.

Ohne den Unfall hätte A sein Fahrzeug nicht verlassen und wäre nicht ausgerutscht. Bei seinem Sturz habe sich also keine "allgemeine Unfallgefahr für Fußgänger" verwirklicht, sondern das sehr spezielle Risiko eines Unfallbeteiligten, der sich auf der Fahrbahn bewegte, um die Unfallfolgen festzustellen.

Zu Unrecht habe daher die Vorinstanz einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Auffahrunfall und der Schulterverletzung des A verneint. Die Haftpflichtversicherung von Frau B müsse für die Unfallfolgen geradestehen.