Fahrrad auf dem Bahngleis

Ist es "höhere Gewalt", wenn bei der Kollision ein Triebwagen beschädigt wird?

onlineurteile.de - Was versteckt sich hinter dem Wortungetüm Eisenbahninfrastrukturunternehmen? So ein Unternehmen ist dafür verantwortlich, dass Züge die Gleise tatsächlich befahren können. Gegenstände auf den Schienen machen das unmöglich, z.B. umgefallene Bäume, von einer Felswand stürzende Steine oder — wie in diesem außergewöhnlichen Fall — ein Fahrrad.

Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen sollte dafür geradestehen, dass Unbekannte ein Fahrrad auf die Gleise gelegt hatten. Auf freier Strecke war der Zug einer kommunalen Nahverkehrsgesellschaft gegen das Rad geprallt. Bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h konnte der Lokomotivführer den Unfall trotz Vollbremsung nicht mehr verhindern. Der Schaden am Triebwagen belief sich auf über 10.000 Euro.

Dafür forderte die Nahverkehrsgesellschaft Schadenersatz. Doch die Ersatzpflicht für Schäden und Unfälle auf den Gleisen entfällt, wenn höhere Gewalt im Spiel ist. Und das traf nach dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt hier zu (4 U 42/13).

Vergeblich pochte die Nahverkehrsgesellschaft darauf, dass höhere Gewalt nur vorliege, wenn Hindernisse für die Eisenbahn auf unvorhersehbare Weise entstünden. Doch Sabotageakte wie dieser seien nicht so ungewöhnlich. Dass Menschen Hindernisse auf Gleise legten, komme immer wieder vor. Das sei nicht mit einer Naturkatastrophe zu vergleichen.

Zwar sei nach der Lebenserfahrung im Bereich von Bahngleisen mit Sabotageakten zu rechnen, räumte das OLG ein. Völlig ungewiss sei aber, an welchem Ort und zu welcher Zeit. Der konkrete Sabotageakt sei weder vorhersehbar, noch durch Kontrollen vermeidbar. Mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen sei so ein Vorfall nicht zu verhindern: Dazu müsste man alle Bahnstrecken lückenlos kontrollieren oder die Gleistrassen vollständig einzäunen.

Da niemand wisse, seit wann das Fahrrad auf dem Gleis lag, müsse man davon ausgehen, dass eine Routinekontrolle nicht genügt hätte, um es zu entdecken. Bei Routinekontrollen könnten die Bahnmitarbeiter z.B. prüfen, ob sich in einer Felswand neben der Gleistrasse Felsbrocken lockerten. Dann sei ein Felssturz absehbar - ein Unfall durch einen Felssturz wäre unter diesen Umständen nicht als Folge "höherer Gewalt" einzustufen.

Personen, die irgendwo und irgendwann Gleise betreten, um Selbstmord zu begehen oder um dort ein Hindernis abzulegen, könne man bei Kontrollgängen nicht (oder nur zufällig) entdecken. Deshalb sei der Unfall auf "höhere Gewalt" zurückzuführen.