Fahrrad-Helmpflicht durch die Hintertür?
onlineurteile.de - Ein Urteil, das derzeit Deutschlands Radfahrer aufwühlt: Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig warf einer Radfahrerin, die bei einem Unfall schwere Kopfverletzungen erlitten hatte, Mitverschulden vor — weil sie ohne Fahrradhelm unterwegs war.
Der Unfall: Die 58-Jährige fuhr mit dem Rad zur Arbeitsstelle. Am rechten Straßenrand hatte vor ihr ein Auto eingeparkt. So plötzlich, dass die Radfahrerin nicht mehr anhalten oder ausweichen konnte, öffnete die Autofahrerin die Fahrertüre. Die Radfahrerin prallte dagegen, stürzte zu Boden und zog sich einen Schädelbruch zu. Zwei Monate lag die Frau im Krankenhaus und leidet bis heute unter den Unfallfolgen.
Sie verklagte die Autofahrerin bzw. deren Kfz-Haftpflichtversicherer auf Schadenersatz für die Behandlungskosten und auf Schmerzensgeld. Doch das Urteil fiel anders aus als erwartet: Der Versicherer müsse der verletzten Frau nur 80 Prozent der Kosten ersetzen, entschied das OLG Schleswig, obwohl sich die Autofahrerin grob fahrlässig verhalten und den Sturz verursacht habe (7 U 11/12).
Begründung: Die Radfahrerin habe keinen Fahrradhelm getragen und damit auf eine effektive Schutzmaßnahme zu ihrer eigenen Sicherheit verzichtet. Bisher hat es die Rechtsprechung überwiegend abgelehnt, bei Verkehrsunfällen ein Mitverschulden der Radfahrer damit zu begründen, dass sie ohne Helm fuhren (Ausnahme: besonders gefährdete Rennradfahrer). Weil sie eben nicht verpflichtet sind, einen Helm zu tragen.
Dagegen argumentiert das OLG Schleswig so: Radfahrer seien im dichten Straßenverkehr einem besonders hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt: wegen ihrer Fallhöhe, wegen der oft beträchtlichen Geschwindigkeit und weil sie von Autofahrern oft nur als störendes Hindernis betrachtet würden. Helme seien nicht übermäßig teuer und schützten nach einhelliger Meinung von Sicherheitsexperten vor Kopfverletzungen. Also könne man erwarten, dass "verständige Menschen" einen Helm tragen, um sich selbst zu schützen.
Im konkreten Fall hätte ein Helm die Verletzungen der Frau zwar nicht verhindert, sie wären aber weniger schwer ausgefallen. (Die Radfahrerin hat gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt.)