"Fließender Verkehr" hat Vorrang

Der Ausfahrende aus einem Grundstück haftet nach einem Zusammenstoß für den Schaden

onlineurteile.de - Mit einem VW-Bus trat der Beamte G eine Dienstfahrt an. Vom Behördengelände aus wollte er nach rechts in die F-Straße einbiegen. Offenbar achtete er nicht sonderlich auf den Verkehr, denn sein Bus stieß mit dem von rechts kommenden Wagen von Frau T zusammen. Die Autofahrerin verlangte vom Bundesland als Dienstherrn des Beamten 6.900 Euro Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht entschied, dass das Land in voller Höhe für den Unfallschaden haften müsse. Das beklagte Bundesland hielt das für abwegig: Frau T sei doch deutlich in der Straßenmitte, wenn nicht auf der linken Fahrbahn gefahren. Das müsse als Mitverschulden bewertet werden.

Doch der Bundesgerichtshof sah das anders (VI ZR 282/10). Prinzipiell gebühre dem "fließenden Verkehr" auf der Straße der Vorrang gegenüber Einbiegern — unabhängig davon, wie weit rechts oder links der Vorfahrtsberechtigte fahre.

Wer aus einem Grundstück in eine Straße einfahre, müsse sich darauf einstellen, dass die Vorfahrtsberechtigten von ihrem Vorrang Gebrauch machten. Darauf dürften umgekehrt die Vorfahrtsberechtigten vertrauen. Wenn der Einbieger die Vorfahrt missachte und so einen Unfall verursache, hafte er (außer in Ausnahmefällen) in vollem Umfang für die Folgen.

Das gelte auch hier, obwohl Frau T gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe. Dieser Fehler hebe nicht die Pflicht des Einbiegers auf, die Vorfahrt zu respektieren und keinesfalls den fließenden Verkehr zu behindern. Das Rechtsfahrgebot schütze nicht die Einbieger, sondern Verkehrsteilnehmer, die sich in Längsrichtung auf derselben Fahrbahn bewegten.