"Führerscheintourismus"
onlineurteile.de - Im Frühjahr 2004 wurde dem Mann wegen einiger Verkehrsdelikte der Führerschein entzogen. Gleichzeitig ordnete das Amtsgericht an, vor Dezember 2004 dürfe dem Mann keine neue Fahrerlaubnis ausgestellt werden ("Sperrfrist"). Im November erwarb der Autofahrer in der Tschechischen Republik einen neuen Führerschein. Als er im Frühjahr 2005 mit dem Auto unterwegs war und von der Polizei kontrolliert wurde, gab es trotzdem Ärger. Er sei vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis gefahren, warf ihm die Staatsanwaltschaft vor. Der Führerschein sei ungültig, weil er in der Sperrzeit ausgestellt wurde.
Doch das Oberlandesgericht München sprach den Mann frei und verwies auf ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (4 St RR 222/06). Der von einem anderen EU-Mitgliedsstaat ausgestellte Führerschein sei ohne jegliche Formalität und Umschreibungsverfahren auch im Inland wirksam und anzuerkennen. Das gelte auch dann, wenn der Betroffene nach deutschem Maßstab seine Fahreignung nicht ausreichend nachgewiesen habe. Das Verbot, vor Ablauf der Sperrfrist eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen, gelte nur für inländische Behörden.
Natürlich sei der so genannte "Führerscheintourismus" grundsätzlich unerwünscht. Verkehrssünder besorgten sich anderswo eine EU-Fahrerlaubnis, um die deutschen Vorschriften zu umgehen. Strafbar sei das jedoch nicht. Dass die innerstaatlichen Vorschriften der EU-Länder über die Wiedererteilung von Führerscheinen verschieden seien, sei "unbefriedigend" und führe wohl im Einzelfall auch dazu, dass der Gesichtspunkt der Sicherheit im Straßenverkehr zu kurz komme. Die entsprechende Gesetzeslage zu ändern, liege aber nicht in der Kompetenz deutscher Strafgerichte.