Gastschülerin sollte neben dem Schweinestall wohnen
onlineurteile.de - Fünf Monate lang sollte die Schülerin in Frankreich ihre Französischkenntnisse verbessern und dort zur Schule gehen. Dafür zahlten ihre Eltern an einen auf Gastschulaufenthalte spezialisierten Reiseveranstalter knapp 7.500 Euro. Doch als sie ihre Tochter persönlich im Auto zur Gastfamilie brachten, gab es lange Gesichter. Man wusste zwar, dass das Mädchen auf einem Bauernhof untergebracht war. Aber so hatte es sich die deutsche Familie dann doch nicht vorgestellt: Der Bauernhof entpuppte sich als Schweinemastbetrieb. Die Tochter sollte in einem Zimmer wohnen, das nur 20 Meter vom Schweinestall entfernt lag. Und der Schulweg hätte jeden Tag mit einem Fußmarsch von einem Kilometer begonnen. Deshalb nahmen die Eltern ihr Kind wieder mit nach Hause und kündigten den Reisevertrag.
Da der Reiseveranstalter nur einen Bruchteil des Reisepreises zurückzahlte, landete die Angelegenheit beim Landgericht Berlin (5 O 569/03). Es verurteilte den Reiseveranstalter, rund 5.900 Euro herauszurücken. Der Aufenthalt in einem abgelegenen Schweinemastbetrieb entspreche nicht im mindesten den Vorstellungen, die sich die Gastschülerin auf Basis der Prospekte und Informationsschreiben des Reiseveranstalters machen musste, erklärten die Richter. Die unzutreffenden Informationen über den Wohnort rechtfertigten die Kündigung des Reisevertrags.
Der Bauernhof sei ein Schweinemastbetrieb mit dem dazugehörigen Gestank, und für einen längeren Aufenthalt denkbar ungeeignet. Die Schülerin hätte außerdem nicht, wie behauptet, in einer kleinen Gemeinde von 8.000 Einwohnern gelebt und dort "am dörflichen Leben teilnehmen" können. Der Schweinemastbetrieb liege nämlich völlig isoliert und über einen Kilometer vom Dorf entfernt. Im Dorf befinde sich die Bushaltestelle; von dort aus fahre der Bus 15 Kilometer bis zur nächsten Stadt und zur Schule. Die tatsächliche Entfernung zwischen Wohnort und Schule sei also wesentlich größer als vom Reiseveranstalter angegeben ("15 Minuten zur Schule"!). Das hätte nicht nur mindestens eineinhalb Stunden Schulweg täglich für das Mädchen bedeutet, sondern auch tägliches Marschieren - allein durch einsames Waldgelände.