"Gib mal Zeitung!"

Zieht der Kino-Werbespot der taz BILD-Leser durch den Kakao?

onlineurteile.de - Der Bundesgerichtshof hatte über einen Rechtsstreit zwischen den Verlagen der "tageszeitung" (taz) und der BILD-Zeitung zu entscheiden. Es ging um zwei preisgekrönte Werbefilme der taz fürs Kino:

Vor einem "Trinkhalle" genannten Zeitungskiosk steht ein leerer Zeitungsständer mit dem Logo der BILD-Zeitung. Ein mit Unterhemd und Jogginghose bekleideter Kunde sagt zum Kioskinhaber "Kalle, gib mal Zeitung!", was dieser lakonisch mit "Is aus" beantwortet. Auf Nachfrage des Kunden: "Wie aus?" schiebt der Kioskinhaber wortlos eine taz über den Tresen. Reaktion des Kunden: "Wat is dat denn? Mach mich nich fertig, Du". Verärgert wirft der Kunde nach einem Blick in die Zeitung die taz wieder auf den Ladentisch. Nun holt der Kioskinhaber eine versteckte BILD-Zeitung unterm Tresen hervor und gibt sie dem Kunden. Beide brechen in Gelächter aus.

Im zweiten Werbespot sieht der Zuschauer vor der "Trinkhalle" einen mit BILD-Zeitungen gefüllten Zeitungsständer. Der Kunde verlangt aber: "Kalle, gib mal taz". Der Kioskinhaber ist völlig verblüfft und reagiert nicht. Jetzt bricht der Kunde in Gelächter aus, in das der Kioskinhaber einstimmt. Am Ende beider Filme wird folgender Text eingeblendet: "taz ist nicht für jeden. Das ist OK so."

Nicht "o.k." fand das der BILD-Zeitungsverlag, der sein Produkt und seine Leser verunglimpft sah und den taz-Verleger auf Unterlassung und Schadenersatz verklagte. Hier würden die Grenzen witzig-ironischer Werbevergleiche überschritten, urteilte das Oberlandesgericht Hamburg: Da werde ein vernichtendes Bild von der trostlosen Sozialstruktur und den intellektuellen Fähigkeiten eines typischen BILD-Zeitungslesers gezeichnet, damit auch die Zeitung abqualifiziert.

Der Bundesgerichtshof sah das weniger streng undwies die Klage ab (I ZR 134/07). Die Spots seien nicht wettbewerbswidrig. Heutzutage sei der aufmerksame Durchschnittsverbraucher an pointierte Aussagen und ironische Anspielungen in der Werbung gewöhnt. Die Reklame bringe zum Ausdruck, dass die taz nicht den Massengeschmack anspreche. Der durchschnittliche Zuschauer erkenne, dass es sich dabei um eine humorvolle Überspitzung handle, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen. Er sehe darin keine pauschale Herabsetzung der BILD-Zeitung oder deren Leserschaft.