Greis überfährt Kleinkind
onlineurteile.de - Ein 87-jähriger Mann fuhr mit dem Wagen aus seiner Grundstückseinfahrt. Dabei übersah er den dreijährigen Sohn des Nachbarn, der mit dem Dreirad auf dem Bürgersteig herumspielte. Der alte Herr erfasste den Kleinen mit dem Auto und schleifte ihn über drei Meter weit mit, ohne etwas zu merken. Erst als die Großmutter des Jungen schreiend herbeilief, hielt er an, und fragte, "was er denn da vor dem Auto habe". Mit einem gebrochenen Bein, Prellungen und Hautabschürfungen musste das Kind vier Wochen lang ins Krankenhaus. Die Eltern verklagten die Haftpflichtversicherung des Autofahrers auf Schmerzensgeld.
20.000 Euro hielt das Oberlandesgericht Celle für angemessen und kritisierte die Überlegungen des Landgerichts (das dem Kind nur 15.000 Euro zugebilligt hatte) zur Höhe des Schmerzensgeldes (14 U 163/03). Dauerhaftes Liegen im Streckverband sei für ein kleines Kind eine "Tortur" und nicht nur "misslich". Dass ihm die Elternbesuche den Klinikaufenthalt "erträglich machten", dürfe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes keine Rolle spielen: Es könne den Unfallverursacher nicht entlasten, zufälligerweise jemanden geschädigt zu haben, der in behüteten Verhältnissen lebe und nach einem Unfall von der Familie umsorgt werde.
Auf der anderen Seite habe das Landgericht das Verschulden des Autofahrers nicht genug berücksichtigt. Der Unfallhergang zeige, dass der alte Herr überhaupt nicht mehr in der Lage sei, Auto zu fahren. Nicht einmal das Scheppern des Dreirads und das Schreien des Jungen habe er wahrgenommen. Der Mann schätze offenkundig seine Fähigkeiten falsch ein; das sei beim Schmerzensgeld zu Gunsten des Opfers zu berücksichtigen. Ebenso wie die Uneinsichtigkeit des Autofahrers, der sich bis heute nicht bei den Nachbarn entschuldigt habe, sondern diesen auch noch die Schuld gebe: "Sie hätten halt das Grundstückstor schließen sollen ...".