Grundsicherung und "Bedarfsgemeinschaft"

Wenn Partner noch nicht einmal ein Jahr zusammenleben ...

onlineurteile.de - Im Frühjahr 2006 lernte eine Frau über das Internet einen Mann kennen. Nachdem sie sich einige Male getroffen hatten, beschlossen die jungen Leute zusammenzuziehen. Sie mieteten im Herbst in Hamburg eine kleine Wohnung, wo die Frau am 1. Dezember 2006 eine zweijährige Umschulung begann. Vergeblich beantragte sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (Grundsicherung nach SGB II). Die ARGE (Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung) lehnte den Antrag ab: Die Umschülerin sei nicht hilfsbedürftig, weil sie mit Herrn B. in einer Bedarfsgemeinschaft lebe und ihr sein Einkommen anzurechnen sei.

Es sei voreilig, hier eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen, erklärte dagegen das Landessozialgericht Hamburg (L 5 B 21/07 ER AS). Von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft könne man erst ausgehen, wenn die Partner in allen Wechselfällen des Lebens füreinander einstünden; wenn die Bindung also so eng sei, dass sich die Partner füreinander verantwortlich fühlten. Da es schwierig sei, die Intensität einer Bindung zu belegen oder zu widerlegen, müsse man auch einen äußeren Maßstab anlegen: Danach sei eine Verantwortungsgemeinschaft in der Regel erst anzunehmen, wenn die Partner länger als ein Jahr zusammenlebten.

Im konkreten Fall habe Herr B. ausgesagt, das Paar führe getrennte Konten. Da die Beziehung noch am Anfang stehe, sei er nicht bereit, für den Lebensunterhalt seiner Partnerin aufzukommen. Diese Aussage "passe zum Zeitgeist": Es sei heutzutage nichts Ungewöhnliches, wenn Paare unverheiratet zusammenwohnten. Das sei eben ein Test, ob die Beziehung auch im Alltag funktioniere, wenn man nicht mehr nur die "Schokoladenseite" des anderen sehe. Während dieser "Probezeit" sei die Verbindung noch nicht so gefestigt, dass man von einer Lebensgemeinschaft sprechen könne.

Die ARGE müsse der jungen Frau deshalb Grundsicherung gewähren.