"Hilfe, unser Haus vergammelt!"

Kritische Presse ist nicht dem Mieter als Pflichtverletzung anzulasten

onlineurteile.de - Seit über 30 Jahren lebte ein Ehepaar in einer kleinen Mietwohnung. Renoviert wurde in der Wohnanlage während dieser langen Zeit wenig. Eines Tages nahm sich die Lokalpresse des Problems an. Im Hamburger Abendblatt erschien ein Artikel mit der Überschrift "Hilfe, unser Haus vergammelt!" Der langjährige Mieter wurde zitiert, er hatte die Wohnanlage als "verrottet" bezeichnet.

Daraufhin kündigten ihm die Vermieter, scheiterten allerdings mit ihrer Räumungsklage vor Gericht. Während dieser Prozess noch lief, veröffentlichte das Mieterjournal des Mietervereins einen weiteren Artikel (Überschrift: "Gutmenschen mit Gutsherrenart"), der sich mit den Vermietern und ihrer Art der Hausverwaltung auseinandersetzte. Darin wurde die Anlage als "stiefmütterlich vernachlässigt" beschrieben, die Treppenhäuser seien "marode" und die Eingänge "heruntergekommen". Viele Wohnungen stünden leer, es "rieselt der Putz munter von den Wänden, in Fluren und Balkonen blüht der Salpeter ...". Angesichts dessen sei die gerade durchgesetzte Mieterhöhung von fast 20 Prozent "ein starkes Stück", so der zitierte Kommentar des langjährigen Mieters.

Nun kündigten die Vermieter erneut seinen Mietvertrag, weil er den "ehrverletzenden Artikel unterstützt" habe, der ihrem Ansehen und ihrer Kreditfähigkeit schade. Doch das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek stellte sich auf die Seite des Mieters (716 B C 46/0). Die Kündigung sei unwirksam, so der Amtsrichter, denn die kritischen Artikel begründeten kein berechtigtes Interesse daran, das Mietverhältnis zu beenden.

Die von den Vermietern beanstandeten Äußerungen des zweiten Artikels stammten alle vom Autor und nicht vom Mieter. Die Darstellungsweise des Journalisten sei nicht dem Mieter als Pflichtverletzung anzukreiden. Dass sich der Mieter für den Artikel fotografieren und zitieren ließ, ändere daran nichts. Das wörtliche Zitat des Mieters sei scharf, aber nicht unzutreffend oder herabsetzend, und stelle daher ebenfalls keine Pflichtverletzung dar. Der Unmut des Mieters sei verständlich, er formuliere nur sein berechtigtes Interesse. Das Recht eines Mieters auf freie Meinungsäußerung schließe es ein, das Mietverhältnis in der Presse öffentlich behandeln zu lassen.