Hilfeempfänger auf Kindesunterhalt verklagt

Verfassungsbeschwerde gegen die Zurechnung fiktiven Einkommens erfolgreich

onlineurteile.de - Eltern sind verpflichtet, Unterhalt für ihre minderjährigen Kinder zu verdienen. Geht es um ihre Leistungsfähigkeit, wird unter Umständen nicht nur ihr tatsächliches, sondern auch fiktiv erzielbares Einkommen berücksichtigt. Und zwar dann, wenn sie sich nicht (oder nicht genug) um Erwerbstätigkeit bemühen, obwohl sie objektiv die Möglichkeit hätten, höhere Einkünfte zu erzielen.

Dass das der Fall ist, muss vom Gericht nachvollziehbar begründet werden, betonte jetzt das Bundesverfassungsgericht: Andernfalls verletze die Zurechnung fiktiver Einkünfte die Unterhaltspflichtigen in ihrem Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit.

Anlass dieser Klarstellung war die Verfassungsbeschwerde eines 1953 geborenen Mannes. Er ist von Beruf gelernter Baumaschinist und Betonfacharbeiter, lebt aber wegen einer körperlichen Behinderung mittlerweile von Sozialleistungen. Verklagt auf Kindesunterhalt für ein nichtehelich geborenes Kind, hatte ihn das Amtsgericht dazu verurteilt, für den Minderjährigen 285 Euro monatlich aufzubringen. Dabei kann der Mann von der Grundsicherung so viel gar nicht abzweigen.

Aber das Amtsgericht ging davon aus, dass der Mann Arbeit als Nachtportier oder Pförtner finden könnte — wenn er sich nur richtig anstrengen und überregional um Jobs bewerben würde. Auf diese Weise könnte er netto 1.235 Euro im Monat verdienen und Mindestunterhalt zahlen. Seine körperlichen Einschränkungen befreiten ihn nicht von der Pflicht, den Unterhalt des Kindes zu sichern.

Die Verfassungsbeschwerde des Hilfeempfängers gegen dieses Urteil hatte beim Bundesverfassungsgericht Erfolg (1 BvR 1530/11). Zu Recht habe das Amtsgericht gerügt, dass der Mann nicht intensiv genug nach einem Job gesucht habe, räumten die Verfassungsrichter ein. Aber: Auf welcher Grundlage das Amtsgericht zu dem Schluss gelangt sei, dass der Vater objektiv in der Lage wäre, ein Einkommen von 1.235 Euro zu erreichen, sei dem Urteil nicht zu entnehmen.

Das Amtsgericht habe sich weder mit der beruflichen Ausbildung des Mannes, noch mit seinem Alter und seinem krankheitsbedingten Handicap gründlich auseinandergesetzt. Alle diese Umstände schmälerten seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auch die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt müsse ein Gericht konkret prüfen. Ohne so eine Prüfung dürfe es nicht einfach "annehmen", der Vater sei leistungsfähig. Das hänge nicht nur von seinem "guten Willen" ab.