Interessenkollision

Anwältin beriet im Scheidungsverfahren beide Ehepartner

onlineurteile.de - Das Ehepaar wünschte eine einvernehmliche Scheidung mit einem gemeinsamen Anwalt. Der Mann engagierte eine Anwältin, die ihn und seine Ehefrau bei der Trennungsvereinbarung beriet. Darüber wurden die Beteiligten schnell einig - die Regelung der Vermögensfragen war dabei noch ausgeklammert. Doch in Bezug auf den Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich zeichneten sich danach sehr schnell widerstreitende Interessen der Eheleute ab.

Trotzdem beriet die Anwältin zunächst weiter beide Partner. Nach intensiven Gesprächen mit der Ehefrau sah sie sich nicht mehr in der Lage, lediglich die Interessen des Ehemannes zu vertreten. Die Anwältin geriet regelrecht in eine Zwickmühle und kündigte schließlich das Mandat des Ehemannes. Der musste sich einen neuen Anwalt suchen und lehnte es ab, der Anwältin Honorar zu zahlen.

Das Kammergericht in Berlin gab ihm Recht (16 U 62/06). Ein Rechtsanwalt dürfe grundsätzlich keine gegensätzlichen Interessen vertreten. Dass die Anwältin die getrennt lebenden Ehepartner über Trennungsfolgen informierte und für sie eine Trennungsvereinbarung abfasste, sei allerdings nicht zu beanstanden. Für diese Tätigkeit stehe ihr auch Honorar zu.

Sobald es um entgegengesetzte finanzielle Interessen gehe, verbiete es sich jedoch, beide Partner zu beraten. Die Eheleute verdienten sehr unterschiedlich und verfügten über gemeinsames Immobilienvermögen. Dadurch seien widersprüchliche Interessen (etwa im Hinblick auf die Bewertung der Immobilien) gegeben, welche die Anwältin mit beiden Mandanten besprochen habe. Darauf hätte sich die Rechtsanwältin niemals einlassen dürfen. Für die zahlreichen Gespräche und Telefonate mit dem Ehepaar - einzeln und gemeinsam - über die Aufteilung des Vermögens könne sie daher kein Honorar verlangen.