"Islamische Verwünschungsformel" im Internet
onlineurteile.de - Zwei muslimische Brüder betreiben ein Internetforum, den "muslim-markt". Nach einer kontroversen Diskussion über Aussagen eines islamkritischen Schriftstellers R. veröffentlichte Bruder A. dort folgenden Text: "Lassen Sie uns gemeinsam folgendes Gebet beten: Wenn der Islam so ist, wie R. es immer wieder vorstellt, möge der allmächtige Schöpfer alle Anhänger jener Religion vernichten! Und wenn Herr R. ein Hassprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen ...".
Die Staatsanwaltschaft bewertete diesen Kommentar als öffentliche Aufforderung zu einer Straftat: A. verstehe sich als fundamentalistischer Islamist, habe auch zum Mord am niederländischen Regisseur van Gogh einschlägige Kommentare ins Netz gestellt. Er wolle R. einschüchtern und gegenüber allen Glaubensbrüdern als "Verfluchten" und "Feind des Islam" anprangern. R. für seine kritischen Stellungnahmen zu töten, liege für muslimische Fundamentalisten sehr nahe.
Diese Ansicht teilte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg nicht, es sprach A. frei (1 Ws 422/06). Das OLG stützte seine Entscheidung auf ein Gutachten von Islamexperten des Bundeskriminalamts. Demnach ist der Internetkommentar nicht als Morddrohung zu verstehen. Er stelle eine Verwünschungsformel ("Mubahala" genannt) in Form eines Gebets dar, erklärten die Experten, wie sie im arabischen Kulturkreis geläufig sei. Der "allmächtige Schöpfer" solle R. bestrafen - es werde also ein Gottesurteil über den "Ungläubigen" beschworen.
Die Textpassage lasse zumindest mehrere Deutungen zu, fand das OLG. Daher könne man nicht mit der nötigen Gewissheit feststellen, dass hier zu einer Straftat aufgerufen werde. Früher veröffentlichte Texte und der persönliche Hintergrund des Angeklagten rechtfertigten es nicht, ihn wegen Anstiftung zu einer Straftat zu verurteilen.