Juristischer Schriftsatz kam einen Tag zu spät
onlineurteile.de - Ein Bürger legte gegen ein für ihn negatives Urteil Berufung ein. Doch die Berufungsbegründung seiner Anwältin kam einen Tag nach Fristablauf beim Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken an. Damit ist in der Regel der Fall erledigt - außer, der Betroffene kann nachweisen, dass die Frist ohne sein Verschulden (bzw. des Anwalts) versäumt wurde. Gelingt ihm das, wird so verfahren, als hätte er die Frist nicht versäumt, d.h. juristisch: Es wird ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt.
Im konkreten Fall trug der Kläger vor, seine Anwältin habe am Tag vor Fristablauf die Berufungsbegründung verfasst. Kurz nach der Mittagspause habe sie das Schreiben in einen Briefkasten in Kanzleinähe eingeworfen, der werktags regelmäßig um 14.30 Uhr geleert werde. Gegen 14 Uhr sei sie dorthin gegangen, für den Weg benötige man zu Fuß höchstens acht Minuten.
Das OLG bejahte trotzdem ein Verschulden: Der Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes dürfe nicht auf die gewöhnlichen Postlaufzeiten vertrauen, wenn er die Postsendung so kurz vor der Leerungszeit in den Briefkasten werfe. Dem widersprach der Bundesgerichtshof: Wer die von der Deutschen Post-AG angegebenen Leerungszeiten beachte, habe alles Nötige getan (IV ZB 2/08).
Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post dürften Anwälten und ihren Mandanten nicht als Versäumnis angerechnet werden. Darauf hätten sie keinerlei Einfluss. In ihre Verantwortung falle es nur, das Schriftstück so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den üblichen organisatorischen Vorgaben der Deutschen Post-AG den Empfänger fristgerecht erreiche.
Anders läge der Fall nur, wenn etwa ein Streik der Postmitarbeiter oder Ähnliches angekündigt und Verzögerungen absehbar wären. Im Normalfall dürfe jedoch eine Prozesspartei darauf vertrauen, dass Postsendungen, die sie im Bundesgebiet werktags aufgibt, am folgenden Werktag ausgeliefert werden.