Karl Valentin und der Zufall

Urheberrechtlicher Streit um Zitate in einer Vorlesung

onlineurteile.de - Ein Münchner Professor ließ sich für seine Statistik-Vorlesung etwas Originelles einfallen. Um seinen Studenten den Begriff des Zufalls auf anschauliche Weise näherzubringen, griff er auf zwei Werke von Karl Valentin zurück. In einer Szene der "Orchesterprobe" und im Sketch "Der überängstliche Hausverkäufer" hatte der Münchner Komiker Betrachtungen über das Wesen des Zufalls angestellt. Der Professor zitierte sie ungekürzt im Vorlesungs-Skript, das er den Studenten gedruckt zur Verfügung stellte. Auch im Internet veröffentlichte er das Skript.

Das passte der Enkelin von Karl Valentin nicht, die den Nachlass ihres Großvaters verwaltet. So ausführliche Zitate verletzen das Urheberrecht, meinte sie, und wollte diese "Unsitte" gerichtlich verbieten lassen. Doch das Landgericht München I widersprach: Die - vom Grundgesetz garantierte - Freiheit von Forschung und Lehre rechtfertige weitgehende Zitate aus geschützten Werken, auch den Abdruck ganzer Szenen (21 O 312/05).

Die Inhaberin des Urheberrechts müsse längere Zitate hinnehmen, wenn sie dazu dienten, Studenten den "Vorlesungsstoff in plastischer Weise anschaulich zu machen". Dazu seien die Werke Karl Valentins im konkreten Fall sehr gut geeignet, wie auch die Diskussion im Prozess gezeigt habe: In den Szenen werde vorgeführt, wie subjektiv die Vorstellungen davon seien, was man unter Zufall zu verstehen habe. Im Internet ganze Szenen zu publizieren, sei allerdings unzulässig. Zumindest müsse der Zugang zur Website eingeschränkt oder das ausschnittweise Kopieren des Textes technisch unmöglich gemacht werden.