Kunsthändler durch falsches Attest ruiniert?
onlineurteile.de - Eine schier unglaubliche Story beschäftigte die Justiz elf Jahre lang: Ein Münchner Kunsthändler, spezialisiert auf antike Teppiche, hat den Direktor einer psychiatrischen Klinik (und das Land Bayern als Klinikträger) auf Schadenersatz verklagt, weil er ihn mit einem falschen Attest ins Unglück gestürzt habe. Doch eigentlich soll seine Ehefrau die Hauptschuldige gewesen sein.
"Du bist geisteskrank, hast einen Hirntumor", habe sie ihm damals gesagt und dazu gedrängt, den Psychiater aufzusuchen. Die Diagnose eines Schweizer Fachmanns, der Händler sei gesund, habe die Frau nicht interessiert. Um ihn loszuwerden, habe sie ihn zum Münchner Psychiater geschickt und vorher heimlich das Psychopharmakum Diazepam eingeflößt, klagte der Kunsthändler. Quasi ohne Untersuchung habe ihn der Direktor der Klinik für psychisch krank und gefährlich erklärt: Es sei notwendig, ihn in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.
So ein Attest hätte der Direktor der zuständigen Polizeibehörde schicken müssen. Statt dessen gab er es der Ehefrau, die es gleich ihrem Mann vorhielt. Als ihm klar wurde, dass ein Aufenthalt in der Psychiatrie drohte, räumte der Händler Hals über Kopf seine Teppichgalerie leer und floh in die Schweiz. Und er forderte Entschädigung für den Verlust seiner gesellschaftlichen Stellung. Das falsche Attest habe ihm das Stigma der Geisteskrankheit aufgedrückt, seinen Ruf zerstört und seine Existenz vernichtet.
Das sei nicht dem Klinikdirektor anzulasten, urteilte das Landgericht München I (9 O 22406/97). Die Information über die Diagnose sei der Geschäftswelt erst durch seine eigene Reaktion bekannt geworden - weil er hastig und überstürzt den Laden räumte und geflohen sei. Die Flucht sei unangemessen gewesen: Nur ein Richter könne die Unterbringung in der Psychiatrie anordnen. Dem gehe eine Prüfung voraus und außerdem könne der Betroffene dagegen Rechtsmittel einlegen.
Trotz dieses Tadels sprach das Landgericht dem ehemaligen Kunsthändler 5.000 Euro Schmerzensgeld zu. Begründung: Der Klinikdirektor habe seine ärztliche Schweigepflicht und damit das Persönlichkeitsrecht des Patienten verletzt, indem er das Gutachten der Ehefrau übergab. Eine solche Diagnose (ob sie nun zutreffe oder nicht ...) dürfe ohne Einwilligung des Patienten nicht einmal dem engsten Familienkreis offenbart werden.