Lehrerin contra Nordrhein-Westfalen
onlineurteile.de - Der Sparwahn treibt manchmal seltsame Blüten. Eine Lehrerin an einer Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen (NRW) plante mit ihrer Klasse eine Studienfahrt nach Berlin. Solche Fahrten sind (nicht nur in NRW) Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen, sie gehören zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrkräfte.
Die Frau beantragte als Klassenlehrerin beim Kultusministerium, die Klassenfahrt zu genehmigen. In dem einschlägigen Formular hieß es: "Die zu zahlenden Reisekostenvergütungen sind durch die für unsere Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt; da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir auf die Zahlung der Reisekostenvergütung."
Die Klassenlehrerin gab für die Studienfahrt 234,50 Euro aus, nur 28,45 Euro wurden erstattet. Als sie darauf bestand, dass der Arbeitgeber ihre Reisekosten ersetzen müsse, verwies die zuständige NRW-Behörde nur auf das Antragsformular: Die angestellte Lehrerin habe da eine Verzichtserklärung unterschrieben. Aber nicht freiwillig, konterte die Frau, und zog vor Gericht.
Wie zuvor schon das Landesarbeitsgericht sprach ihr auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) die restlichen 206,05 Euro zu (9 AZR 183/11). Der Dienstherr, das Bundesland NRW, könne sich nicht auf eine Verzichtserklärung berufen, die er durch unredliche Mittel erlangt habe, die an Erpressung grenzten, so das BAG. Zwar könnten Dienstreisende (laut Gesetz über die Reisekostenvergütungen von Beamten in NRW) schriftlich erklären, keinen Antrag auf Reisekostenvergütung zu stellen. Das sei aber keine Pflicht.
Das Bundesland verknüpfe die Erlaubnis für Schulfahrten generell mit dem Verzicht auf die Reisekostenvergütung und stelle so die Lehrkräfte in unzulässiger Weise vor die Wahl: Entweder sie verzichteten auf das Geld oder sie seien verantwortlich dafür, dass Schulfahrten ausfallen, die die Bildung der Kinder befördern sollen. Mit dieser Praxis, Schulfahrten prinzipiell nur zu genehmigen, wenn der Verzicht unterschrieben werde, verstoße das Land grob gegen seine Fürsorgepflicht.