Mediziner verweigerte Schwangerschaftsabbruch

Frau wollte sich deshalb umbringen: Sie bekommt Schmerzensgeld

onlineurteile.de - Aufgrund einer medizinisch-sozialen Indikation sollte die Schwangerschaft einer Frau abgebrochen werden. Nach einer weiteren Untersuchung in der Klinik erklärte der behandelnde Arzt, eine psychotische Störung mit Krankheitswert könne er nicht erkennen. Er lehnte deshalb den Abbruch ab. Auch ein Telefonat mit dem Gynäkologen, der den Klinikarzt auf die Suizidgefahr hinwies - sie wolle lieber sterben als ein zweites Kind zu bekommen, hatte ihm die Frau gesagt -, änderte daran nichts.

Die Schwangere wurde nach Hause geschickt und schluckte dort verschiedene Tabletten ihrer Hausapotheke. Bewusstlos wurde sie in ein (anderes) Krankenhaus eingeliefert, wo man sie eben noch retten konnte. Einige Tage später wurde der Schwangerschaftsabbruch durchgeführt. Den Mediziner, der ihn ihr verweigert hatte, verklagte die Frau später auf Schmerzensgeld. Das Kammergericht in Berlin sprach ihr 4.000 Euro zu (20 U 224/04).

Eine ärztlich gebotene Maßnahme zu unterlassen, stelle einen Behandlungsfehler (und eventuell auch eine Körperverletzung) dar. Hier wäre ein Schwangerschaftsabbruch angezeigt gewesen. Eine "medizinisch-soziale Indikation" setze keine psychotische Störung voraus: Wenn eine Patientin durch die familiäre Situation psychisch stark belastet sei, gefährde es ihre Gesundheit, ein Kind auszutragen.

Der Mediziner habe von den Selbstmordabsichten der Frau erfahren. Das hätte genügen müssen, um zumindest einen weiteren Gutachter hinzuzuziehen. Die Patientin stamme aus einer Problemfamilie. Mehrere Geschwister seien zur Adoption freigegeben worden und körperlich und seelisch erkrankt. Wohl auch deshalb sei die Frau mit ihrem ersten Kind nicht zurecht gekommen und fürchtete nichts mehr, als noch eines erziehen zu müssen. Hätte sich der Mediziner ernsthaft mit ihr und ihrer Lebenssituation auseinandergesetzt, hätte er erkannt, dass die Patientin diese für ausweglos hielt.