Meinungsfreiheit im Intranet

Gewerkschaftlicher Vertrauensmann darf nicht wegen kritischer Äußerungen gekündigt werden

onlineurteile.de - In einem Unternehmen gab es heftige Debatten über den Krankenstand. Die Betriebszeitschrift berichtete über den hohen Krankenstand türkischer Mitarbeiter und spitzte den Artikel auf die Frage "auf Grund Landeskultur und/oder Qualifikation?" zu. Den Hinweis auf die "Landeskultur" nahm der Arbeitgeber nach Kritik von der Gewerkschaft zurück. Später traten Unbekannte die Scheinwerfer am Wagen eines gewählten Vertrauensmanns der IG Metall ein. Im gewerkschaftseigenen Intranet - auf der Seite "Netzwerk Küste" - kommentierte der Vertrauensmann den Vorgang so: "Leider war da schon der braune Mob aktiviert und sie wagten sich, gestärkt durch einen leitenden Angestellten, aus ihren Verstecken."

Um "Netzwerk Küste" aufrufen zu können, benötigt der Nutzer ein Passwort, das ca. 800 Personen (auch gewerkschaftsexterne Referenten) kennen. Der Kommentar des Gewerkschaftlers wurde anonym der Personalabteilung des Unternehmens zugespielt und dann im Betrieb am schwarzen Brett ausgehängt. Zwei Betriebsratsmitglieder und ein leitender Angestellter fühlten sich beleidigt. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber fristlos das Arbeitsverhältnis des Verfassers, weil er den Betriebsfrieden störe und Arbeitnehmer mit dem Schimpfwort "brauner Mob" beleidigt habe.

Der Streit um die Kündigung kam bis vors Bundesarbeitsgericht (2 AZR 63/03). Der Arbeitnehmer habe sich keinen Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten erlaubt, urteilten die Bundesrichter. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gelte auch in der Arbeitswelt und im Intranet der Gewerkschaft. Die Äußerungen des Gewerkschaftlers verletzten keinen Menschen in seiner persönlichen Ehre. Er habe niemanden beleidigen wollen, was man schon daran sehe, dass sein Kommentar gar nicht für die Betriebsöffentlichkeit bestimmt war. Deshalb sei die Kündigung unwirksam.