Misshandeltes Pflegekind ...

... bekommt Schmerzensgeld vom Landkreis, weil das Jugendamt seine Kontrollpflicht verletzte

onlineurteile.de - 1999 erschütterte der Tod eines Pflegekindes die deutsche Öffentlichkeit. Die Pflegeeltern hatten ihre drei leiblichen Kinder gut versorgt, ihre drei Vollzeitpflegekinder dagegen ständig hungern lassen und in unglaublicher Weise misshandelt. Ein fünfjähriger Junge starb an Unterernährung. Erst bei dieser Gelegenheit kam auf, dass auch die anderen beiden an extremem Untergewicht litten. Die Pflegeeltern wurden wegen Mordes und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Der mittlerweile 15-jährige Pflegesohn verklagte den Landkreis in Baden-Württemberg auf Schmerzensgeld. 1993 war die Pflegefamilie aus Hof (Bayern) dorthin gezogen. Es folgte ein jahrelanger Streit zweier Jugendämter darüber, wer für diese Familie zuständig sei. Spätestens ein Jahr nach dem Umzug der Familie hätte das Jugendamt in Baden-Württemberg die Betreuung der Pflegekinder übernehmen und bei der Familie einen "Antrittsbesuch" machen müssen, erklärte der Bundesgerichtshof (III ZR 254/03).

Das Jugendamt müsse an Ort und Stelle überprüfen, ob Pflegepersonen die ihnen anvertrauten Kinder richtig behandelten. Ein Umzug in ein anderes Bundesland sei allemal Anlass für eine Kontrolle. Hätte ein Mitarbeiter des Jugendamts 1994 die Familie besucht, wäre ihm das (damals bereits eklatante) Untergewicht des Jungen aufgefallen. Und wäre das Jugendamt sofort eingeschritten - statt sich im Briefwechsel mit den bayerischen Kollegen zu verzetteln -, hätte es die schwerwiegenden Gesundheitsschäden des Pflegekindes verhindern können. Für diese Pflichtverletzung müsse der Landkreis den Jugendlichen mit 25.000 Euro Schmerzensgeld entschädigen.