Motorradfahrer kollidiert mit einbiegendem Auto
onlineurteile.de - Autofahrer A wollte nach links in eine Vorfahrtstraße einbiegen. Vorschriftsmäßig blieb A an der Haltelinie stehen, blickte nach rechts und links. Von links näherte sich ein Wagen, der allerdings noch ca. 50 Meter entfernt war. Deshalb fuhr A los. Erst dann sah er das Motorrad, das gerade den von links kommenden Wagen überholte. A bremste sofort und blieb stehen, doch es half nichts mehr.
Motorradfahrer M stürzte bei seinem Bremsmanöver und schlitterte gegen das Auto von A. M erlitt bei dem Zusammenstoß eine schwere Hirnverletzung. M und sein Haftpflichtversicherer verklagten A auf Schadenersatz und 100.000 Euro Schmerzensgeld: A habe die Vorfahrt verletzt. Zumindest sei "der Wartepflichtige" viel zu schnell in die Vorfahrtstraße eingefahren, fand das Landgericht.
Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken beurteilte den Unfall anders: Ein Wartepflichtiger müsse sich nicht "zentimeterweise vortasten", wenn die Verkehrsteilnehmer auf der Vorfahrtstraße so weit entfernt seien, dass der Wartepflichtige risikolos einbiegen könne (4 U 110/10).
Und das treffe hier zu. Nach Aussage des Verkehrssachverständigen hätte ein 50 km/h schnelles Auto (ohne zu bremsen) gute drei Sekunden bis zur Unfallstelle gebraucht. Zeugin W, die den überholten Wagen fuhr, habe mühelos vorher anhalten können. Daher habe A, der den M hinter dem Wagen von Frau W nicht sehen konnte, keinesfalls gegen das Vorfahrtsrecht verstoßen.
M dagegen hätte Frau W an dieser Stelle nicht überholen dürfen. Auf dieser Höhe der Vorfahrtstraße liege eine Kreuzung hinter der anderen. Kurz vor der Unfallstelle befinde sich ein Fußgängerüberweg mit Überholverbot. M habe an dieser Stelle das Verhalten des Querverkehrs nicht verlässlich beurteilen können. Wäre er in gebührendem Abstand hinter dem Fahrzeug von Frau W geblieben, wäre nichts passiert.
Letztlich sei zu Lasten von A nur die Betriebsgefahr des Wagens zu berücksichtigen (verschuldensunabhängig). Die gewichtete das OLG mit 20 Prozent zum Nachteil von M (80 Prozent). M bekam daher nur ein Fünftel der geforderten Summe zugesprochen.