Nachehelicher Unterhalt
onlineurteile.de - Nach 27 Jahren Ehe ließ sich ein Paar scheiden. "Er" ist Beamter mit einem Jahreseinkommen von ca. 60.000 Euro brutto. "Sie" war Damenschneiderin, holte später das Abitur nach und verdiente als Direktrice bei einem Textilunternehmen 2.500 DM im Monat. 1983 gab sie diesen Job auf, um zwei Kinder zu betreuen. Mit einem mobilen Nähservice verdiente sie als selbständige Schneiderin nach der Scheidung wenig Geld (im Schnitt 562 Euro).
Das Amtsgericht sprach ihr nachehelichen Unterhalt von 763 Euro zu. Dieser Betrag sei weder herabzusetzen, noch zeitlich zu begrenzen, entschied im Berufungsverfahren das Oberlandesgericht Karlsruhe (2 UF 21/10). Ohne Ehe und Kindererziehung stünde die Frau finanziell wesentlich besser da, diesen ehebedingten Nachteil müsse der gutsituierte Beamte ausgleichen.
Um den Nachteil beziffern zu können, sei das Einkommen heranzuziehen, das die Geschiedene tatsächlich beziehe und das fiktive Einkommen, das sie ohne Ehe hätte erzielen können. Nach der Geburt der Töchter habe die Frau ihre Tätigkeit in der Textilfirma aufgegeben und sich 15 Jahre lang um die Familie gekümmert. Vorher habe sie neben der Schneiderei das Abendgymnasium absolviert, sei ehrgeizig, fleißig und befähigt gewesen.
Deshalb habe ihr die Textilfirma schon mit 25 Jahren eine Führungsfunktion anvertraut. Mit diesen Eigenschaften hätte die Frau dauerhaft gute Einkommensmöglichkeiten gehabt. Wäre sie Direktrice geblieben, verfügte sie heute über mindestens 2.800 Euro brutto (eine Schätzung auf Basis ihres damaligen Gehalts, üblicher Gehaltserhöhungen und des aktuellen Durchschnittsgehalts für so eine Position). Das entspreche ca. 1.777 Euro Netto-Monatsgehalt.
Als Angestellte (Schneiderin oder Verkäuferin) könnte die Geschiedene allerdings mehr verdienen als mit ihrem Stoffgeschäft plus Nähservice, etwa 1.000 Euro monatlich. Dass sie den unsicheren Weg der Selbständigkeit vorgezogen habe, sei zwar ihre freie Entscheidung - sie müsse sich aber das Einkommen anrechnen lassen, das sie bei bestmöglichem Einsatz ihrer Arbeitskraft erzielen könnte.
Den ehebedingten Nachteil habe das Amtsgericht mit 763 Euro gut geschätzt (1.777 Euro minus das mögliche jetzige Einkommen von 1.000 Euro). Mehr Unterhalt müsse der Ex-Mann nicht zahlen - aber auch nicht weniger.