Nicht jedes lange Verfahren hat Überlänge

BGH streicht Entschädigung wegen eines übermäßig langen Strafverfahrens

onlineurteile.de - Ein Arzt wurde 2007 im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gegen andere Personen als Zeuge befragt. Er sollte erklären, wann er ein bestimmtes Gutachten angefertigt hatte. Der Staatsanwalt vermutete, dass der Zeuge log. Später sorgte er dafür, dass ein Richter den Arzt nochmals befragte und dann vereidigte. Ob der Staatsanwalt dem Mediziner bei dieser Gelegenheit mitteilte, dass er ihn des Meineides verdächtigte, war nachträglich umstritten.

Nach dieser Vernehmung passierte erst einmal gar nichts. Bis die Staatsanwaltschaft zwei Jahre später offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen den Arzt einleitete und ihn der versuchten Strafvereitelung und des Meineids beschuldigte. Im Frühjahr 2010 wurde schließlich Anklage erhoben. Es dauerte bis Juni 2011, bis das Amtsgericht beschloss, keine Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten zu eröffnen.

Die ganze Zeit über blieb der Arzt im Ungewissen darüber, wie die Strafsache für ihn ausgehen würde. Deshalb verlangte er vom Land Niedersachsen Entschädigung für ein überlanges Verfahren. Zu Recht, fand das Oberlandesgericht (OLG) und sprach ihm 3.000 Euro zu. Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und "cancelte" die Entschädigung (III ZR 376/12).

Fehlerhaft sei das OLG davon ausgegangen, dass der Arzt schon ab Herbst 2007 "als Beschuldigter behandelt" wurde. Der Staatsanwalt habe damals nur in der Akte vermerkt, es bestehe der dringende Verdacht unwahrer Angaben. Damit werde noch kein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Es seien keine Maßnahmen ergriffen worden, um den Mediziner einer Straftat zu überführen. Dass der Staatsanwalt 2007 ein Führungszeugnis anforderte und den Arzt vereidigen ließ, bedeute ebenfalls nicht, dass man ihn als Beschuldigten behandelte. Erst im November 2009 sei förmlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Auch das Amtsgericht erhielt Rückendeckung von ganz oben. Die Bundesrichter konnten keine unziemliche bzw. sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens erkennen. Ein Richter benötige Zeit, um eine Verhandlung vorzubereiten. Das Verfahren sei sehr umfangreich gewesen.

Zudem habe der Amtsrichter den Ausgang eines Parallelverfahrens abwarten müssen, das für sein Urteil wesentlich war — und aus dem sich Gesichtspunkte zu Gunsten des Arztes ergaben. Und der Mediziner habe selbst eine weitere Verzögerung verursacht, indem er beim Amtsgericht ankündigte, sein Anwalt bereite neue Informationen schriftlich auf. Diese Stellungnahme, auf die der Amtsrichter wartete, sei aber nie eingereicht worden.