Patientin bewusst falsch informiert
onlineurteile.de - Eine Patientin ließ bei einem Schönheitschirurgen zwei kosmetische Operationen durchführen. Vorher hatte die Frau den Arzt über ihre Krankheiten informiert - danach hätte er ihr von dem Eingriff eigentlich abraten müssen. Denn angesichts ihrer Vorerkrankungen stellten die Operationen ein großes Risiko dar.
Weil er um das dicke Honorar bangte, sagte der Mediziner der Patientin lieber nicht die Wahrheit. Zu Recht vermutete er, dann würde sie sich wohl nicht operieren lassen. Prompt traten nach den Operationen erhebliche Komplikationen auf. Die Patientin hatte schwer zu leiden und zog den Mediziner zur Rechenschaft. Weil er die Frau bewusst falsch aufgeklärt hatte, verurteilte das Landgericht Aachen den Arzt wegen gefährlicher Körperverletzung.
Darüber hinaus beantragte die Patientin Entschädigung vom Staat nach dem "Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten" (OEG). Das Bundesland Nordrhein-Westfalen lehnte den Antrag ab: Hier gehe es um den mehrfachen Kunstfehler eines Mediziners. Patienten davor zu schützen, sei nicht der Zweck des OEG. Mit einer Gewalttat sei der Fehltritt des Arztes nicht gleichzusetzen.
Dem widersprachen sowohl das Sozialgericht Aachen als auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 10 VG 6/07). Der Schönheitschirurg habe die Patientin bewusst im Unklaren über das Risiko gelassen, um so ihre Zustimmung zu den Operationen zu erschleichen. Damit habe er der Frau bewusst geschadet und sie daran gehindert, ihre "persönliche Integrität zu schützen".
Darauf basiere der Vorwurf der Körperverletzung, die sehr wohl mit einer Gewalttat vergleichbar sei. Warum Kunstfehler vom Schutzzweck des OEG nicht erfasst sein sollten, sei nicht nachvollziehbar - auf den Gesetzestext könne das Bundesland diese Ansicht nicht stützen. Kunstfehler begründeten zwar selten Ansprüche nach dem OEG. Das liege aber nur daran, dass es sich (anders als im konkreten Fall) fast immer um fahrlässig begangene Delikte handle.