Pfundweise Lakritze gefuttert
onlineurteile.de - Täglich stopfte eine Frau 400 Gramm einer Lakritzmischung in sich hinein. Eines Tages wurde sie bewusstlos und ins Krankenhaus eingeliefert. Dort stellte sich Herzkammerflimmern ein; die Frau musste wiederbelebt werden. Nach einer mehrwöchigen Kur war sie monatelang arbeitsunfähig. Für ihr Leid machte sie den Süßwarenhersteller verantwortlich. Das in Lakritze enthaltene Glycyrrhizin störe den Mineralhaushalt des menschlichen Körpers und führe zu Bluthochdruck, warf sie ihm vor. Trotzdem weise die Firma auf den Packungen nicht auf das Risiko hin.
Die Lakritz-Süchtige verklagte das Unternehmen auf 6.000 Euro Schmerzensgeld und Ersatz des Verdienstausfalls, unterlag jedoch beim Oberlandesgericht Köln (27 U 12/04). Nach den europaweit gültigen Grenzwerten müssten Produzenten erst dann ausdrücklich vor Risiken warnen, wenn das Produkt mindestens 0,4 % (4 Milligramm je Kilo) Glycyrrhizinsäure enthalte, erklärten die Richter. Dann müsse auf der Packung stehen: "Enthält Lakritz - bei hohem Blutdruck sollte ein übermäßiger Verzehr dieses Erzeugnisses vermieden werden".
In der Lieblingsmischung der erkrankten Frau schwanke jedoch die Konzentration von Glycyrrhizinsäure nur zwischen 0,008 und 0,18 Prozent (laut Gutachten des Berliner Instituts für Lebensmittel). Von der EU beauftragt, habe ein hochkarätig besetzter Ausschuss mit Fachleuten aus 13 Nationen die Grenzwerte festgelegt. Es gebe keine neuen, abweichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Zweifel an diesen (erst 2004 verschärften) Richtlinien nahe legten.