Pilot erkrankt, Abflug verspätet

Das ist kein "außergewöhnlicher Umstand", der einer Airline die Ausgleichszahlung erspart

onlineurteile.de - Die Passagiere einer Chartergesellschaft wollten von Sansibar zurück nach Frankfurt am Main fliegen. Doch der Flugkapitän hatte am Vortag in Mombasa einen Kreislaufkollaps erlitten und konnte seinen Dienst nicht antreten. Daher fiel der Flug ins Wasser. Erst am nächsten Morgen konnten die Urlauber mit dem nächsten regulären Flug nach Deutschland reisen. Die Fluggesellschaft zahlte ihnen 150 Euro Entschädigung.

Doch damit wollte sich ein Ehepaar nicht begnügen. Die Fluggäste forderten 600 Euro Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung: Je nach Streckenlänge müssen Airlines ihre Kunden mit 400 oder 600 Euro pro Person entschädigen, wenn ein Flug annulliert wird oder mit über drei Stunden Verspätung ankommt.

Die Zahlungspflicht entfällt nur, wenn das Ärgernis auf "außergewöhnliche Umstände" zurückzuführen ist. Auf diese Regelung berief sich die Fluggesellschaft: Für die Krankheit eines Piloten sei sie nicht verantwortlich. Sie könne nicht weltweit für solche Fälle Ersatzmannschaften bereitstellen. Das wäre wirtschaftlich unzumutbar.

In weit entfernten Flughäfen schnell Ersatzpiloten aufzutreiben, sei wirklich schwierig, räumte das Landgericht Darmstadt ein (7 S 250/11). Trotzdem sei die Krankheit eines Crew-Mitgliedes kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des EU-Rechts (wie z.B. ein Vulkanausbruch). Dass ein Mitarbeiter deswegen seine Aufgabe nicht erfüllen könne, gehöre vielmehr — bei Fluggesellschaften ebenso wie bei anderen Unternehmen — zum normalen betrieblichen Ablauf.

Auf die Schuldfrage komme es hier also nicht an: Der krankheitsbedingte Ausfall von Arbeitnehmern sei das Risiko eines jeden Arbeitgebers, mit dem Firmen immer und überall rechnen müssten. Anders läge der Fall, wenn ein Crew-Mitglied bei einem Terroranschlag verletzt werde. Solche Ereignisse seien ihrer Natur nach nicht "Teil der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens" und von ihm nicht beherrschbar.

Die Airline müsse die Ausgleichszahlung leisten und schulde daher dem Ehepaar 1.050 Euro, entschied das Landgericht. Zugleich ließ es gegen das Urteil die Revision zum Bundesgerichtshof zu: Die Frage, ob die Krankheit eines Crew-Mitglieds als außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EU-Verordnung einzustufen sei, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden. Dies zu klären, sei wegen einer Vielzahl ähnlicher Fälle notwendig.