Räumung und Selbstjustiz (1)
onlineurteile.de - Schon seit 1995 nutzte der Schlosser seine Werkstatt nicht mehr, hatte die Halle vorübergehend einer Montagebaufirma überlassen. 2000 wurde er dazu verurteilt, die gemietete Fläche zu räumen. Das ignorierte der Mieter. Trotzdem unternahm der Eigentümer des Gewerbegeländes sieben Jahre lang nichts. Dann riss der Geduldsfaden. Er beauftragte eine Entrümpelungsfirma damit, Werkstatt und Grundstück zu räumen.
Die Firma entfernte eine Menge Gegenstände und lagerte sie angeblich ein. Als der Ex-Mieter seine Sachen (Werkzeuge, Kleinlaster etc.) zurückforderte, waren sie verschwunden. Daraufhin stellte er Strafanzeige wegen Diebstahls und verlangte vom Grundstückseigentümer 88.000 Euro Schadenersatz.
Der Betrag sei weit überzogen, stellte das Oberlandesgericht Naumburg fest, doch im Prinzip stehe dem ehemaligen Mieter Schadenersatz zu (1 W 17/12). Der Grundstückseigentümer habe sich nicht an den vorgeschriebenen Weg der staatlichen Vollstreckung gehalten, sondern rechtswidrig zur Selbsthilfe gegriffen (das "Räumungsurteil sozusagen selbst vollzogen"). Wenn ein Vermieter eigenmächtig räume, begründe dies einen Anspruch des Mieters auf Schadenersatz.
Obendrein habe es der Eigentümer versäumt, die Gegenstände des Schlossers aufzulisten und ihren Wert zu schätzen. Deshalb wäre er eigentlich verpflichtet, die Schadensberechnungen des Mieters im Einzelnen zu widerlegen — wenn dessen Forderung nicht so offenkundig abwegig wäre. Die Widerlegung bleibe dem Eigentümer nur erspart, weil der Mieter seinen Verlust nicht plausibel darstellen könne.
Der Mieter habe die Sachen über viele Jahre auf dem Grundstück stehen lassen, ohne sie zu benutzen und ohne sie zu verwerten. Das spreche klar gegen einen nennenswerten Verkehrswert der Gegenstände. Erfahrungsgemäß seien alte, lange Zeit unbenutzte und sichtlich ungepflegte, teils verschlissene Werkzeuge, Fahrzeuge und technische Geräte nicht zu den Preisen zu verkaufen, die der Mieter angesetzt habe. Vermutlich belaufe sich ihr Wert auf etwa 5.500 Euro insgesamt. Damit müsse sich nun die Vorinstanz befassen.