Sachbearbeiter versprach kranker Frau zu viel
onlineurteile.de - Frau W war an Krebs erkrankt. Ein Bekannter von ihr, Herr K, arbeitete bei einer gesetzlichen Krankenversicherung. Als ihm Frau W erzählte, sie wolle es mit einer naturheilkundlichen Krebstherapie versuchen, überredete er sie zu einem Wechsel der Kasse. Wohl aus Mitleid versprach er ihr, "seine" Krankenkasse werde für so eine Therapie aufkommen — obwohl er es natürlich besser wusste.
Im Vertrauen auf diese Zusage kaufte sie nicht nur Medikamente, sondern auch Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel, Kräuterblut, Mineraltabletten usw. Eine ganze Weile beglich Herr K ihre Rechnungen aus eigener Tasche, denn die gesetzliche Krankenkasse finanziert solche Mittel nicht. Dann ging ihm das Geld aus. Frau W erklärte er die stockenden Zahlungen zunächst mit "technischer Systemumstellung" oder "Fehlbuchungen". Bis sie sich eines Tages direkt an die Krankenkasse wandte — und der gut gemeinte Schwindel aufflog.
Vergeblich berief sich Frau W auf die Versprechen von K: Vor dem Wechsel habe er ihr zugesichert, dass die Krankenversicherung alle Kosten übernehmen würde Die Krankenkasse winkte ab: Die Zusage sei derart lebensfremd, dass Frau W sie nicht hätte glauben dürfen. Die Positionen, die sie abrechnen wolle, seien medizinisch nicht erforderlich und zählten nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit ihrer Zahlungsklage gegen die Krankenkasse erzielte Frau W zumindest einen Teilerfolg: Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe kürzte zwar ihre Forderung (12 U 105/12). Ein Betrag von 2.500 Euro stehe ihr aber zu, erklärte das OLG. Krankenkassen gehörten zu den öffentlichen Sozialversicherungen. Sie müssten die Versicherten richtig und eindeutig über ihre Rechte und Ansprüche informieren.
Mitarbeiter K habe diese Amtspflicht verletzt und bewusst falsche Auskunft erteilt. Für seine falschen Leistungszusagen hafte die Krankenkasse. Anders als die Krankenkasse meine, könne man der Versicherten nicht vorwerfen, dass sie sich "blind" auf K verlassen habe. Das Sozialversicherungsrecht sei komplex und der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in allen Details so bekannt, dass Frau W die falschen Auskünfte hätte anzweifeln müssen.
Da die Kostenerstattung bis 2008 reibungslos funktionierte, habe sie auch aus dem Fehlen von Abrechnungsunterlagen keine anderen Schlüsse ziehen müssen. Später habe Herr K ihr und weiteren Kunden aus der Familie plausibel erscheinende Ausreden für den Zahlungsausfall angeboten (Computerprobleme, Einstellung neuer Sachbearbeiter). Frau W habe sich nicht schuldhaft "blauäugig und naiv" verhalten.