Schülern mit Tesafilm den Mund zugeklebt?

Kündigung einer Grundschullehrerin ist wirksam, wenn sich der Vorwurf bestätigt

onlineurteile.de - Schülereltern (von Schülern der ersten Klasse) beschwerten sich über eine Lehrerin. Nachdem zwei Sechsjährige den Unterricht gestört hatten, soll die 40-jährige Grundschullehrerin den Jungs mit durchsichtigem Tesafilm den Mund zugeklebt haben. Und das sei nicht der erste Vorfall dieser Art gewesen.

Ein Beamter des Arbeitgebers (das Bundesland Sachsen-Anhalt) sprach mit der Lehrerin über ihre Erziehungsmethoden und stellte sie von ihrer Tätigkeit frei. Da die Schüler im Gespräch mit einer Schulpsychologin den Vorwurf bestätigten, kündigte der Arbeitgeber der Lehrerin. Ihr Verhalten sei inakzeptabel, eine Abmahnung erübrige sich daher. Viele Eltern wünschten ihre Entlassung.

Die Lehrerin verteidigte sich mit dem Argument, das sei alles nur Spaß gewesen. Sie habe ein eingerissenes Blatt Papier kleben wollen und zum unruhigen Schüler E gesagt, der Tesastreifen gehöre wohl eher auf seinen Mund. Das Kind habe lachend "ja" geantwortet und sie habe ihm lose ein Stück Tesafilm auf die Wange geklebt.

Die Widersprüche in den Aussagen habe das Landesarbeitsgericht (LAG) nicht aufgelöst, kritisierte das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 156/11). Das sei aber notwendig, um beurteilen zu können, ob die Kündigung gerechtfertigt war. Das LAG habe dies vorschnell verneint. Die Bundesrichter hoben deshalb das Urteil des LAG auf und verwiesen den Fall an die Vorinstanz zurück. Nicht ohne die Richtung vorzugeben.

Die Grundschullehrerin hätte ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt, wenn der Vorwurf zuträfe: wenn sie also den Erstklässlern tatsächlich den Mund mit Tesafilm zugeklebt hätte, um sie zu disziplinieren. Das sei eine objektiv entwürdigende Maßnahme, die Kinder zum Gespött der Klasse mache. So ein Missgriff rechtfertigte eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung: Der Arbeitgeber könnte künftig nicht mehr darauf vertrauen, dass die Lehrerin die ihr anvertrauten Kinder mit dem nötigen Respekt behandelt.

Habe die Lehrerin den Tesafilm aber nicht als unzulässige Sanktion eingesetzt, sondern wirklich nur "als Scherz" Streifen auf die Wange geklebt, berechtige dieses Verhalten den Arbeitgeber nicht dazu, ihr zu kündigen — selbst wenn es pädagogisch nicht ganz korrekt wäre. Dann wäre allenfalls eine Abmahnung angemessen.